In Europa könnte bereits im Jahr 2030 mehr als jeder zweite neue Pkw elektrisch sein. Selbst wenn das Verbrenner-Aus ab 2035 mit Schlupflöchern kommt – strombetriebene Fahrzeuge gelten als entscheidender Baustein, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Schön langsam wachsen sie aus der Nische heraus. Bis Ende März 2023 wurden in Österreich 11.235 E-Pkws neu zugelassen – immerhin 17,8 Prozent aller neu auf die Straße kommenden Pkws (siehe Grafik). Der Anteil von E-Autos am gesamten Automarkt dürfte heuer auf 18 Prozent steigen – von 14 Prozent im Jahr 2022.

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DER STANDARD

Rüsten für den Massenmarkt

Die Richtung scheint klar. Das haben mittlerweile viele Autobauer realisiert. Sie rüsten sich für den Massenmarkt. Dabei geht es naturgemäß auch um den Preis, denn noch sind die Stromer in der Anschaffung deutlich teurer als die vergleichbaren Verbrennermodelle, ein Modell für Gutbetuchte. Das könnte sich nun ändern – und einmal mehr gibt Tesla den Takt vor. Der kalifornische Autobauer hatte im Jänner seine Preise auf allen Märkten um bis zu 20 Prozent gesenkt und jüngst erneut nachgelegt. Das Model 3 Performance wird etwa in Österreich jetzt ab 54.570 Euro angeboten, um 5.400 Euro günstiger als noch vor kurzem. Das billigste Modell ist um 43.570 Euro zu haben – macht abzüglich der E-Autoförderung von insgesamt 5.000 Euro (3.000 vom Bund, 2.000 von den Automobilimporteuren) unterm Strich knapp 39.000. Es ist nicht lange aus, da mussten Interessierte um gut 14.000 Euro mehr hinblättern.

Foto: STANDARD

Tesla-Chef Elon Musk hatte auf einem Investorentag Anfang März vom "NexGen"-Fahrzeug gesprochen – interpretiert wird das als Massenmodell. Fachleute erwarten, dass ein solches 2026 anrollen könnte – zu einem Preis von 27.000 Dollar oder gut 25.000 Euro. Das verhallt auch bei der Konkurrenz nicht ungehört. "Tesla setzt als Elektro-Marktführer die Wettbewerber in Deutschland und in anderen wichtigen Automobilmärkten durch die Preissenkungen unter enormen Druck", analysierte jüngst der deutsche Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Die Konkurrenz müsste wohl auf breiter Front nachziehen.

Guerillamethoden

Und wie machen die das? Der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht das so: Während die meisten Autobauer bei Batterie-elektrischen Autos eher Verluste oder "hauchdünne" Gewinne erwirtschaften, könne Tesla mit seiner Gewinnmarge "den Preiskrieg ausrufen". Elon Musk sei dabei, mit "Guerillamethoden beim Pricing von Elektroautos die Wettbewerber auszutricksen". Nicht umsonst denkt man bei VW in Wolfsburg darüber nach, Modelle mit kleineren Akkupacks auszurüsten. Man will den Zeitraum bis zur Markteinführung des Kleinwagens ID.2all 2025 überbrücken – 25.000 Euro sind auch hier die angepeilte magische Grenze.

Tesla treibe die Konkurrenz vor sich her, meinen Fachleute aus der Branche.
Foto: IMAGO/Christoph Hardt

Eine gute Nachricht für all jene, die mit der Anschaffung eines Stromers liebäugeln. VW hat die Zeichen erkannt, bis 2030 sollen 80 Prozent aller neuen VW-Modelle elektrisch sein, 2033 will man in Europa nur noch Stromer verkaufen. Marken-Vertriebschefin Imelda Labbé sagte dem "Handelsblatt" jüngst, VW wolle "Elektromobilität weiter in die Breite tragen, dafür sind attraktive Einstiegspreise ein wichtiger Hebel". Der ID.3 soll wie einst der VW Golf zum Verkaufsschlager werden.

Noch ist die Kluft bei so manchen Preisen groß. Auch wenn die Modelle wenig gemeinsam haben: Der wiederauferstandene Golf Rabbit startet bei rund 27.000 Euro, der Einstiegspreis für den VW ID.3 liegt bei knapp unter 40.000 Euro. Der Wolfsburger Konzern verlagert seine Investitionen hin zur Senkung der Kosten von Elektrofahrzeugen. Bis 2026 dürfte Europas größer Autobauer zehn neue E-Auto-Modelle an den Start schicken. Vor Ende des Jahrzehnts plant VW ein E-Modell für weniger als 20.000 Euro, das ID.1 heißen könnte, wie Markenchef Thomas Schäfer dem deutschen Branchenblatt "Automobilwoche" sagte.

China-Autos kommen

Preiswerte E-Autos mit praktikabler Reichweite sind eine Herausforderung für die gesamte Branche. Derzeit tummeln sich auf diesem Feld eher die asiatischen Hersteller. Verdient wird an den großen, teuren Modellen. Noch ist das Angebot an Elektroautos im Kleinwagensegment und in der Kompaktklasse verhältnismäßig überschaubar. Der Renault Twingo Electric oder der Dacia Spring – zu haben rund um 25.000 Euro oder Zweiterer darunter – sind eher Stadtautos. Auch vergleichsweise kleine Modelle wie der Renault Zoe liegen preismäßig nahe an den 40.000 Euro.

Byd will im Juli mit seinem kompakten Dolphin in Österreich an den Start gehen.
Foto: Jaime SAINZ DE LA MAZA

Auch der chinesische Autobauer Byd will im Juli mit seinem salopp China-Golf genannten kompakten Dolphin in Österreich an den Start gehen. Der Bruttopreis soll bei rund 30.000 Euro liegen – wären abzüglich der Förderungen schon jetzt rund 25.000 Euro. Geringere Entwicklungskosten, höhere Stückzahl, niedrigere Lohnkosten: Chinesische Hersteller kommen heute nach Einschätzung von Fachleuten bei kleinen E-Autos auf einen Kostenvorteil von 10.000 Euro. Den will man offenbar im Kampf um Marktanteile auch weitergeben.

Wachsender Markt

Zion Market Research geht davon aus, dass der Markt für elektrische Kleinwagen bis 2028 mehr als 700 Milliarden Euro schwer sein wird. 2021 lagen die Umsätze in dem Segment bei mageren 155 Milliarden Euro. Vorerst heißt es aber auch bei E-Autos, wie bei allen Pkws, die saftige Teuerung zu schlucken. Die Kosten für die Anschaffung eines Pkw, egal ob Gebraucht- oder Neuwagen, zogen im Vorjahr mit plus 21,5 bzw. plus 7,9 Prozent gegenüber 2021 massiv an, heißt es beim Autofahrerclub ÖAMTC. Einzelne Modelle wie der VW ID.3 Pro Performance (58 kWh) wurde um fast ein Fünftel (7.700 Euro) teurer. Da kommen günstige Einstiegsmodelle auch aus China wohl wie gerufen.

Auch das Ladestellennetz wird dichter

Von Ende 2021 bis März 2023 stieg die Zahl der öffentlichen Ladestellen von 10.400 auf über 17.700. Aus Sicht des Bundesverbands Elektromobilität (BEÖ) könne man auf erfolgreiche Jahre zurückblicken, sagt Vorsitzender Andreas Reinhardt. Österreich liege bei der Anzahl an Ladestellen pro E-Auto im europäischen Spitzenfeld und erfülle damit "im Wesentlichen" bereits jetzt die geplanten EU-Ziele. Bis 2025 sollen demnach entlang der wichtigsten Autobahnen im Abstand von 60 Kilometern Ladepunkte zur Verfügung stehen. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat für dieses Jahr ein Ziel von 62 Kilometer ausgerufen.

Experten orten bei der Ladeinfrastruktur teilweise Engpässe und sprechen von längeren Wartezeiten an den Stationen.
Foto: imago/Martin Bäuml

Kritischer sieht die Situation der ÖAMTC. Derzeit sei die Ladeinfrastruktur noch "ganz gut ausgebaut", sagt E-Mobilitätsexperte Markus Kaiser. Allerdings gebe es je nach Standort schon teilweise jetzt Engpässe und längere Wartezeiten an den Stationen, vor allem entlang der wichtigsten Verkehrsrouten. "Die Anzahl an elektrischen Bestandsfahrzeugen steigt rasant an, der Ausbau der Ladeinfrastruktur gerät dabei immer mehr ins Hintertreffen", sagt Kaiser.

Stau vor den Ladestellen

Aufholbedarf hat Österreich laut Erich Groiss, Technischer Koordinator beim ARBÖ, vor allem beim Ausbau von Schnellladestationen bis 300 kW. An diesen Ladestellen bilde sich tagsüber oftmals Stau vor den Ladestellen, weil es zu wenige Ladepunkte gibt. Was den Ausbau mitunter bremst, seien "Limitierungen im Bereich der Netzinfrastruktur" und ein Mangel an Fachkräften, betont Reinhardt vom BEÖ. Auch bei der Ausstattung des Wohnbaus mit intelligenten Ladelösungen liege "noch ein langer Weg vor uns". (Regina Bruckner, Jakob Pflügl, 5.5.2023)