In der Türkei öffnen die Wahllokale erst am kommenden Sonntag. Im Ausland hingegen hat die Stimmabgabe für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen schon zwei Wochen früher begonnen: Seit dem 27. April haben Türkinnen und Türken, die im Ausland leben, aber wahlberechtigt sind, die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Das sind rund drei Millionen Menschen in Europa, davon über eine Million allein in Deutschland. In Österreich sind es 108.000. Sie können noch bis Dienstag über den Kurs in ihrer alten Heimat mitentscheiden.

Die Wahl gilt als richtungsweisend. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Recep Tayyip Erdoğan und seinem Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu ab. Amtsinhaber Erdoğan von der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) hat das Land ab 2003 als Ministerpräsident regiert, seit 2014 ist er Staatspräsident.

Kampf um Stimmen

Der türkische Botschafter Ozan Ceyhun wählte in Wien-Hietzing.
Foto: APA /Eva Manhart

Gegenkandidat Kılıçdaroğlu steht der sozialdemokratischen Partei CHP vor. Er hat ein Sechs-Parteien-Bündnis hinter sich und führt in den Umfragen. Erdoğan kämpft nach 20 Jahren an der Macht um sein politisches Überleben. In der Türkei ist der Ton im Wahlkampf daher rau. Und auch im Ausland wird heftig um Stimmen gebuhlt. Die türkische Community gilt in Österreich als Bastion von Erdoğan. Zumindest gilt das für jene, die wählen dürfen und bisher auch tatsächlich wählen gegangen sind.

Die gesamte türkische Community besteht freilich aus mehr Menschen: An die 300.000 seien es, von denen die Mehrheit nicht die türkische, sondern die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, schätzt man in der türkischen Botschaft. Bei der Präsidentenwahl im Juni 2018 stimmten die Auslandstürken in der EU mit rund 60 Prozent für die stark religiös geprägte, konservative AKP.

Geringe Wahlbeteiligung

Erdoğan schnitt dabei im Ausland teilweise sogar besser ab als in der Türkei: Dort entschieden sich knapp 53 Prozent für ihn. In Österreich waren es über 72 Prozent – nur in Belgien und den Niederlanden waren es in Europa mehr. In Deutschland waren 65 Prozent pro Erdoğan.

Die Wahlbeteiligung fiel hierzulande allerdings unterdurchschnittlich aus: Nur knapp 49 Prozent der in Österreich lebenden Türkinnen und Türken gaben vor fünf Jahren ihre Stimme ab. Ihre Unterstützung ist bei der Wahl 2023 umso wichtiger. Sechs Lokale haben diesmal zwischen Wien und Bregenz für die Türkei-Wahl geöffnet – drei mehr als 2018. In Wien, Salzburg und Bregenz wird der Urnengang in den Generalkonsulaten bestritten. In Innsbruck, Linz und Graz wurden Wahllokale bereitgestellt. Die Union der Internationalen Demokraten (UID) kontaktiere gezielt Stimmberechtigte und fahre sie zu den Wahllokalen, berichtet das Profil. Die UID ist ein der AKP nahestehender Verein, der laut eigener Darstellung in 33 Ländern vertreten ist und sich als "Brücke zwischen der Türkei und Auslandstürken in aller Welt" versteht.

Liveschaltung in Wien

Der türkische Botschafter in Österreich, Ozan Ceyhun, gab bereits am 27. April am Wiener Konsulat in Hietzing seine Wahlkarte ab. Er sagte vor Ort, dass er an eine "Rekordbeteiligung" von über 55 Prozent glaube. Ceyhun ist Ex-Politiker, er saß für die deutschen Sozialdemokraten als Abgeordneter im EU-Parlament. Später trat er in der Türkei für die AKP an. Seit Februar 2020 ist er Botschafter in Österreich.

In der Türkei hat die AKP die Stimmabgabe im Ausland ermöglichen, aber auch exterritoriale Wahlpropaganda verbieten lassen, was in der Praxis nicht sanktioniert wird. In Österreich sind wahlkämpfende Auftritte rechtlich per se nicht verboten, aber politisch auch nicht erwünscht, wie Regierungen immer wieder betont haben. Auftritte türkischer Politiker fanden zuletzt zumeist im Rahmen von Gedenk- und Kulturveranstaltungen statt statt.

Mitte April machte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu im Zuge eines offiziellen Besuchs in Wien auch beim Fastenbrechen der UID in Liesing halt. Live zugeschaltet war Präsident Erdoğan. (Anna Giulia Fink, 8.5.2023)