Rotwild ist unter den ersten Spezies, mit denen eine neue Methode zum Monitoring von Tierbeständen getestet wird. Ist die Technologie einmal ausgereift, könnten auch bedrohte Arten überwacht werden.
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Es gibt verschiedene Methoden, um die Anzahl von Exemplaren einer bestimmten Tierart in einem Gebiet zu erfassen. Dazu zählen etwa Kamerafallen, die im Gelände angebracht werden und automatisch Fotos aufnehmen, sobald ein Tier sich vorbeibewegt. Oder die Auswertung von Spuren und Kot. Eine dritte Variante ist es, auf bestimmten Linien durch das Gebiet zu gehen und alle beobachteten Tiere sowie ihren Abstand zur Linie zu notieren. Aus diesen Daten lässt sich die gesuchte Gesamtanzahl schätzen.

Forscher des Campus Hagenberg der Fachhochschule Oberösterreich erproben derzeit eine neue Methode, um Tiere im Wald zu zählen. In dem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG mit Mitteln des Klimaministeriums geförderten Projekt namens Biodiversity Airborne Monitoring based on Intelligent UAV Sampling (Bambi) setzen sie dabei auf Drohnen und Bildauswertung mittels Lernalgorithmen aus der künstlichen Intelligenz.

Daten durch Drohnenflüge

Dazu muss in einem ersten Schritt Datenmaterial gesammelt werden, also Luftbilder, die Tiere zeigen. Aus diesen Bildern und der Information, welchen Arten die darauf zu sehenden Tiere angehören, lässt sich dann ein Lernalgorithmus dafür trainieren, genau diese Tierarten künftig automatisch in Bilddaten zu erkennen. Ziel ist ein fertiges System, das in Luftbildern zuverlässig Tiere identifizieren und damit auch zählen kann. In Verbindung mit regelmäßigen Drohnenflügen könnte man auf diese Weise ein flächendeckendes Monitoring von Tierpopulationen realisieren.

"Man will den Tierbestand zum Beispiel messen, um Entscheidungen für die Waldgesundheit treffen zu können oder weil man rechtzeitig Überpopulationen entgegensteuern möchte", erklärt Projektleiter David Schedl von der FH Oberösterreich die Motivation für die Forschungsarbeit. "Grundsätzlich kann so ein Monitoring aber auch für den Artenschutz genutzt werden, etwa um den Bestand seltener Tierarten zu überwachen."

Im Projekt Bambi soll die Tauglichkeit dieser Technologie vorerst an Rotwild, Gams, Reh und Wildschwein getestet werden. Die eingesetzten Drohnen fliegen in etwa 30 bis 40 Meter Höhe und nehmen dabei Wärmebilder des Areals auf. Diese sowie die Farbinformationen der Bilder werden später zum Training der KI verwendet. "Im Farbbild erkennen wir auch Eigenschaften wie die Texturierung des Fells", so Schedl. "Auch die Größe eines Tieres und seine Umgebung sind wichtige Kriterien für die Erkennung."

Verschiedene Blickwinkel

Auf freiem Gelände ist dieses Verfahren recht einfach. Schwierig wird es aber im Wald, wo Tiere sich unter dichten Baumkronen befinden können. Ein rein vogelperspektivisch aufgenommenes Bild kann naturgemäß nicht zeigen, was unter Ästen und Blätterwerk vor sich geht. Die Oberösterreicher verwenden daher die sogenannte Lichtfeldtechnologie, um diese Hürde zu überwinden.

Ein Lichtfeld beinhaltet neben den üblichen Bildinformationen wie Helligkeit oder Farbe auch verschiedene Blickwinkel auf eine Szene. Das lässt sich durch mehrere Kameras oder – wie beim Drohnenflug über den Wald – durch eine bewegte Kamera erreichen. Dabei werden mehrere benachbarte Einzelbilder miteinander zu einem Lichtfeldbild verrechnet. Ist das Video eines Drohnenflugs in eine Sequenz von Lichtfeldbildern umgerechnet, kann man darin verschiedene nützliche Modifikationen vornehmen. So lassen sich etwa bestimmte Bildansichten fokussieren. Und noch mehr: "Wir können in dichten Waldgebieten Störquellen wie Bäume wegrechnen und damit auf den Boden schauen", erklärt Schedl. Anders ausgedrückt: Man kann Dinge sichtbar machen, die in keinem Einzelbild erkennbar sind.

Damit die Lichtfeldtechnologie anwendbar ist, muss jedes Einzelbild mit geografischen Koordinaten verknüpft sein. Dafür nutzen die Forscher GPS in Verbindung mit der wesentlich genaueren Realtime-Kinematic-Technik, die eine Positionserfassung im Zentimeterbereich erlaubt. Zusätzlich werden Höhenmodelle des Gebiets benötigt. Letzteres ist für Österreich fast flächendeckend verfügbar. "Wir brauchen für die Lichtfeldtechnologie eine möglichst genaue Verortung der Drohne während des Flugs", sagt Schedl. "Die Drohne fliegt mit bis zu fünf Metern pro Sekunde. Wir müssen für jedes Einzelbild wissen, wo die Drohne war, und die Ausrichtung der Kamera kennen, damit wir die Daten später verrechnen können."

Training für Algorithmus

Sequenzen solcher Lichtfelder sollen dann als Trainingsdaten für den Lernalgorithmus genutzt werden. Die Abschätzung für die Dichte der jeweiligen Population wird über ein statistisches Modell erfolgen. Man erhält also eine mathematische Abschätzung, wie viele Tiere einer Art sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Gebiet aufhalten.

Ein Drohnenflug dauert bis zu 20 Minuten. Bisher wurden mehrere Tierparks überflogen, darunter der Tierpark Stadt Haag und der Cumberland Wildpark Grünau. Das hat den Vorteil, dass bekannt ist, welche Tiere sich hier befinden, und dass sie sich in abgegrenzten Gebieten aufhalten. Künftig sollen auch die Aufnahmen von Rehkitzrettungen, die immer öfter mittels Drohnenunterstützung durchgeführt werden, herangezogen werden. (Raimund Lang, 19.5.2023)