Heidi Horten im Jahr 2018 bei der Finissage der Ausstellung "Wow!", als sie im Leopold-Museum Einblick in ihre Kunstsammlung gewährte. Das Perlencollier mit dem Saphir wechselte bei Christie's am Mittwoch für 280.000 CHF den Besitzer.

Foto: ViennaPress / Andreas TISCHLER

Von den Beanstandungen internationaler Organisationen völlig unbeeindruckt versteigerte Christie's in Genf – parallel zur Ende vergangener Woche angelaufenen Online-Auktion – Mittwochnachmittag die ersten rund 100 von insgesamt 700 zum Verkauf stehenden Juwelen Heidi Hortens. Nach dem 4,5 Stunden dauernden Marathon meldete das Auktionshaus einen Umsatz von 156 Millionen Dollar (inklusive Aufgeld).

DER STANDARD

Wie viel davon, abzüglich einer Prämie des Auktionshauses, an die 2020 von Heidi Horten gegründete HGH-Vermögen-Stiftung mit Sitz in Vaduz fließen wird, ist unbekannt. Der Erlös soll diversen "philanthropischen Projekten" der im Juni vergangenen Jahres verstorbenen Milliardärin zugutekommen. Profitieren soll aber auch das von ihrer langjährigen Freundin Agnes Husslein geleitete Privatmuseum in Wien.

Hortens Geschäftspraktiken in der NS-Zeit

Bereits im Vorfeld der diese Woche anberaumte Versteigerungen hatten, wie berichtet, Medien wie die "New York Times" oder "El País" die Geschäftspraktiken ihres ersten Ehemanns Helmut Horten thematisiert, der ab 1936 gezielt die "Übernahme" von Kaufhäusern betrieb, die jüdische Unternehmer aufgrund der Verfolgung durch die Nazis zu verkaufen gezwungen waren. Damit legte Horten den Grundstein seines Imperiums und seines späteren Kapitals und damit auch jenes Vermögens, das Heidi Horten nach seinem Tod 1987 erbte.

Auf der Website der 1971 in der Schweiz von ihm gegründeten Helmut Horten Stiftung ist von diesem Aspekt in der Berufslaufbahn der "Unternehmerpersönlichkeit", die neben anderen "die Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit zur wirtschaftlichen Blüte gebracht habe", bis heute nur beiläufig die Rede.

Proteste jüdischer Organisationen

Zu den "Verdachtsmomenten um den Aufbau seines Vermögens", die sich ranken würden, empfiehlt man dort ein Gutachten, mit dem der deutsche Historiker Peter Hoeres 2020 von Heidi Horten beauftragt wurde. Anfang 2022 wurde es veröffentlicht und bestätigte die Rolle Hortens als NS-Profiteur.

Seine Witwe äußerte sich dazu zu Lebzeiten öffentlich nie. Der Autor des Gutachtens arbeitet derzeit an einer Biografie des "stets elegant gekleideten Geschäftsmannes", die nächstes Jahr erscheinen soll.

In einer öffentlichen Erklärung forderte das American Jewish Committe die vorläufige Aussetzung der Versteigerungen, "bis ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um festzustellen, welcher Teil" des Horten-Reichtums "von Nazi-Opfern stammt". Denn "es reicht nicht aus, dass dieser Verkauf einer gemeinnützigen Stiftung zugutekommt oder dass Christie's eine nicht näher bezeichnete Spende für die Holocaust-Aufklärung leistet".

Der Dachverband der jüdischen Organisationen in Frankreich nannte die Auktion schlicht "unanständig", zumal der Erlös in eine Stiftung fließe, "deren Aufgabe es ist, den Namen eines ehemaligen Nazis für die Nachwelt zu bewahren".

Einzelne Zuschläge unter den Erwartungen

Inwieweit diese Kritik auch den Verkaufserfolg beeinflusst, ist nicht zweifelsfrei feststellbar. Die im Anschluss an die Auktion am Mittwoch von Christie's verschickte Pressemitteilung fiel unüblich knapp aus und reduzierte sich nur auf die Bekanntgabe des Umsatzes, der mit 138 Millionen Schweizer Franken (CHF) über der Summe der unteren Schätzwerte von 124 Millionen CHF gelegen sei.

Manche Schmuckstücke waren allerdings sehr deutlich unter den Erwartungen des Auktionshauses geblieben: Etwa die Diamantkette mit dem "Briolette of India"-Diamanten aus dem Hause Harry Winston, die mit einem Hammerpreis (exklusive Aufgeld) von 5,2 Millionen CHF nur einen Bruchteil der erwarteten neun bis 14 Millionen CHF einspielte.

Ein dreireihiges Perlenkollier mit einem Saphir, das Horten etwa zur Finissage der Ausstellung von Teilen ihrer Kunstsammlung 2018 im Leopold-Museum trug, wechselte für nur 280.000 CHF den Besitzer. Der ursprüngliche Schätzwert hatte sich auf 1,3 bis 1,8 Millionen CHF belaufen, wurde jedoch kurzfristig reduziert: Ein aktuelles Gutachten hatte dem Saphir (80.66 ct) eine etwas mindere Qualität bescheinigt, da er einem Verfahren unterzogen worden war, um die Farbe und Reinheit zu beeinflussen.

Nächste Versteigerung am Freitag

Den höchsten Zuschlag erteilte Christie's ebenfalls unter dem angesetzten Schätzwert (14 bis 18 Millionen CHF, exklusive Aufgeld) und weit entfernt von einem Rekord: Der legendäre Rubinring, bei dem Cartier den sogenannten Sunrise Ruby (25,59 Karat) verarbeitete, wurde einem Telefonbieter für nur elf Millionen CHF (exklusive Aufgeld) zugeschlagen.

Heidi Horten hatte für diesen Ring, den sie zur Verleihung des Kärntner Landesordens in Gold trug, bei Sotheby's 2015 dagegen stattliche 28,25 Millionen CHF (inklusive Aufgeld) bezahlt: ein Liebhaberpreis, den sie sich leisten konnte und wollte. Am Freitag gelangt mit weiteren 154 Schmuckstücken die nächste Tranche aus der Sammlung zur Versteigerung. (Olga Kronsteiner, 10.5.2023)