Beziehungsexpertin Natascha Ditha Berger zeigt im Gastblog, wie in einer Beziehung kommuniziert werden kann, wenn der Wunsch nach einem nichtmonogamen Modell aufkommt.

Glücklicherweise leben wir in einer Zeit und an einem Ort, wo wir unser Beziehungsleben nach unseren Bedürfnissen gestalten können. Also, wie macht man das mit so einer Beziehungsöffnung? Darf ich das überhaupt wollen? Wie spreche ich das an? Und wie geht es dann weiter? Der erste Schritt, die Beziehungsperson darauf anzusprechen, ist sicher der schwierigste. Im besten Fall war schon beim Kennenlernen klar, dass Nicht-Monogamie ein Thema ist.

Falls Sie das Bedürfnis haben, Ihre Beziehung zu öffnen, und Sie Bedenken haben, wie Ihre Beziehungsperson diese Information aufnehmen wird, kann ich Sie nur darin bestätigen: Ja, das wird Konsequenzen haben. Sie müssen für sich selbst wissen, ob Ihnen das die möglichen Konsequenzen wert ist oder ob Sie Ihr Leben doch lieber wie bisher weiterleben wollen.

Ein Gespräch über offene Beziehung wird Konsequenzen haben. Daher ist es essenziell, darauf zu achten, wie Bedürfnisse kommuniziert werden.
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Jedenfalls empfehle ich: Baby-Steps und auch Testballons. Es gibt viele verschiedene Formen, wie Nicht-Monogamie gelebt werden kann. Eventuell gibt es schon eine Idee dazu für das eigene Leben, oder es muss auch das erst erkundet werden. Mit dem Darüber-Sprechen beginnt ein Reflexionsprozess, denn vielleicht hat die Beziehungsperson ganz andere Vorstellungen – oder auch die gleichen.

Die Krux liegt oft auch im Detail: "Was bedeutet 'Beziehung öffnen' für mich?". Mein Blog-Beitrag über Liebesbeziehungskonzepte kann auch als Testballon dienen, etwa mit der Fragestellung: "Was ist denn deine Meinung dazu?"

Offene Beziehung als Kompliment

Ich möchte einen Gedanken jedenfalls mitgeben: Wenn die Beziehungsperson die Beziehung öffnen möchte, dann heißt das nicht, dass etwas mit der Beziehung nicht stimmt oder man selbst nicht gut genug ist. Auch Esther Perel, eine bekannte in den USA lebende Psychotherapeutin, die die Spannung zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit (Liebe, Zugehörigkeit und Nähe) und dem Bedürfnis nach Freiheit (erotisches Verlangen, Abenteuer und Distanz) in menschlichen Beziehungen erforscht, sagt, dass Menschen für sich selbst fremdgehen. Mit einem anderen Menschen macht man einfach andere Erfahrungen – fremde Haut ist nun mal fremde Haut. Und manche zieht es dort einfach hin. Andere nicht. Beides ist okay.

Ich empfinde es sogar als riesiges Kompliment, wenn jemand "tun und machen kann, was er oder sie will", und eben gerne immer wieder zurückkommt. Die Auswahl zu haben und sich bewusst für jemanden zu entscheiden, hat für mich einen viel größeren Mehrwert, als bei jemanden "bleiben zu müssen" aus Mangel an Optionen, oder "weil es sich so gehört". Keine Liebesbeziehung haben zu wollen, ist natürlich genauso legitim.

Genaugenommen kann eine Beziehungsperson uns nichts verbieten. Es ist für uns selbst nur eine Frage der möglichen Konsequenzen und auch eine, mit welcher Gewichtung ich Aktion und mögliche Konsequenzen für mein eigenes Leben sehe. "Konkurrenz belebt das Geschäft", heißt es in der Marktwirtschaft. Selbstwert ist gefragt. Meine Beziehungsperson kommt bisher immer "zu mir zurück", und was braucht es, damit das so bleibt?

Das Gespräch suchen

Über die eigenen Vorstellungen zu reden und diese gemeinsam zu evaluieren und zu reflektieren ist schon ein Riesenschritt! Und dann empfehle ich ein langsames An-das-Thema-Annähern. Wie geht es mir und meiner Beziehungsperson, wenn mit einer anderen Person zum Beispiel Folgendes stattfindet:

  • attraktiv finden
  • Händchen halten
  • intime Gespräche führen
  • küssen
  • Massagen
  • intime Berührungen
  • Orgasmen haben
  • Penetration.

Und dies kann noch einmal differenziert werden in "nur ich" oder "wir beide gemeinsam" und die dritte Person. Mit diesen Gedankenexperimente offenbart sich schon viel.

Tempo und Schritte können immer angepasst werden. Ich empfehle immer: nicht gleich an Sex mit anderen denken – ein Start mit Küssen reicht. Damit kommt schon ein riesiger Prozess in Gang. Und vielleicht bemerkt man dann, dass die Kluft zwischen Fantasie und Realität den ganzen Aufwand an Gesprächen und aufgekommenen Emotionen gar nicht wert ist. Dann ist man eine Erfahrung und eine bewusste Entscheidung reicher.

Oder es wurde "Blut geleckt", und man schreitet bewusst durch die offenen Tore, die Zutritt zu einer Welt abseits der Mono-Normativität bedeuten. (Natascha Ditha Berger, 12.5.2023)