Einsatzkräfte der Polizei am Tatort.

Foto: Reuters / Benjamin Westhoff

Ratingen/Düsseldorf – Der Verdächtige, der die Explosion in einem Ratinger Hochhaus verursacht haben soll, war für Polizei und Justiz kein Unbekannter. Wegen eines nicht gezahlten Geldbetrags habe ein Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn vorgelegen, sagte Laura Neumann, Sprecherin der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, am Freitag. Er habe auch Voreintragungen, "aber nichts Einschlägiges, nichts Vergleichbares", sagte sie.

Der 57-jährige Ratinger soll noch an diesem Freitag einem Haftrichter vorgeführt werden. Ob der Haftbefehl auf versuchten Mord oder versuchten Totschlag lauten wird, sei noch nicht abschließend entschieden. Weitere Einzelheiten zum Stand der Ermittlungen wollten Polizei und Staatsanwaltschaft bei einer für Freitagnachmittag angekündigten Pressekonferenz mitteilen.

Bisher kein Hinweis auf terroristischen Hintergrund

Ob der Mann inzwischen vernommen werden konnte und Angaben zu seinem Motiv gemacht hat, wollten die Behörden zunächst nicht mitteilen. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Tat gibt es bisher nicht: Man stehe mit den örtlichen Behörden in Kontakt, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Derzeit lägen aber keine Anhaltspunkte für eine Übernahme der Ermittlungen vor.

Ein Polizeisprecher sagte, die Wohnung, in der sich die Explosion ereignete, habe erst am Freitag von Tatort-Spezialisten betreten werden können. "Da gab es ja Löscharbeiten und viel Löschwasser, das erst beseitigt werden musste." Inzwischen habe die Spurensicherung vor Ort begonnen.

Mehr als 30 Verletzte

Die schwerstverletzten Feuerwehrleute und Polizisten kämpften am Freitag weiterhin um ihr Leben. Die Ermittler untersuchen nun, ob sie in einen Hinterhalt gelockt wurden. Nach Behördenangaben waren am Donnerstag in Ratingen mehr als 30 Menschen verletzt worden, davon mehrere lebensgefährlich, als es im zehnten Stock eines Hochhauses zu der Explosion kam. Ob sie alle infolge der Explosion verletzt wurden, war zunächst unklar.

Zu dem Einsatz war es laut den Angaben gekommen, weil es Sorgen um die Bewohner in der Wohnung gab, in der neben dem 57-jährigen Deutschen auch dessen Mutter lebte. Der Briefkasten quoll über, und niemand öffnete, wenn man klingelte.

Als Polizei und Feuerwehr am Donnerstag vor der Wohnungstür im zehnten Stock standen, sei diese von dem 57-Jährigen plötzlich aufgerissen worden, hatte Polizeisprecher Raimund Dockter berichtet. "Es kam sofort zu einer Explosion, unmittelbar, also ein Feuerball kam auf die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr und Polizei zu."

Dadurch wurden eine 25-jährige Polizistin und ein 29-jähriger Polizist lebensgefährlich verletzt. "22 weitere trugen leichte Verletzungen davon", teilte die Polizei am späteren Abend mit. Außerdem seien sieben Einsatzkräfte der Feuerwehr schwer verletzt worden, drei davon lebensgefährlich. Die Zahl der Verletzten könne aber noch variieren.

Leiche einer Frau gefunden

Nach der Explosion soll der Verdächtige einen Brand gelegt haben. Er war schließlich von Spezialkräften überwältigt und festgenommen worden, als diese die Wohnung stürmten.

In der Wohnung waren sie auf die Leiche einer Frau gestoßen. Dass es sich dabei um die Mutter des 57-Jährigen handelt, gilt als wahrscheinlich, muss aber noch abschließend geklärt werden. Die Frau sei schon länger tot gewesen, hieß es. Die Einsatzkräfte hätten einen deutlichen Verwesungsgeruch wahrgenommen.

Dutzende Rettungswagen, Notärzte, Feuerwehrwehrautos und Polizeifahrzeuge waren zum Einsatzort geeilt. Auf den Balkonen der gegenüberliegenden Wohnungen waren Scharfschützen in Stellung gegangen. Eingehüllt in eine Rettungsdecke und mit einer Atemmaske wurde der Verdächtige schließlich verletzt zu einem Krankenwagen gebracht und festgenommen. (APA, 12.5.2023)