Die Preise für Lebensmittel sind in Deutschland stark gestiegen, dennoch ist die Inflation niedriger.

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Ein paar Tomaten für vier Euro! Nee, echt nicht." Derlei Frust in der Obst- und Gemüseabteilung ist auch in Berlin oft zu hören. Wie in Österreich stöhnt man auch in Deutschland über die Inflation.

Allerdings geht es den Deutschen noch ein bisschen besser. In ihrem Land nämlich liegt die Inflationsrate nicht wie in Österreich bei 9,8 Prozent, sondern bei 7,2 Prozent und damit nur knapp über dem EU-Durchschnitt von sieben Prozent.

Vor allem die Teuerung der Energiepreise hat sich in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt deutlich verlangsamt. In diesem Sektor beträgt die Steigerung nur noch bei 6,8 Prozent. Im Februar waren es noch 19,1, im Jänner 23,1 Prozent gewesen.

Dazu, so das Amt in Wiesbaden, würden auch die Maßnahmen des dritten Entlastungspakets der deutschen Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP beitragen. "In Deutschland wirkt die Strom- und Gaspreisbremse, in Österreich hingegen gab es nur eine Bremse für den Strompreis, aber keinen für das Gas", weist Josef Baumgartner, Inflationsexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in Wien auf Unterschiede zwischen den beiden Ländern hin.

Der Tankrabatt half

Zudem habe die Regierung in Deutschland im Sommer 2021 den Autofahrerinnen und Autofahrern einen Tankrabatt gewährt, in Österreich kam es hingegen nicht zur Umsetzung einer solchen Maßnahme. Baumgartner: "Das hat für den Inflationsunterschied schon etwas ausgemacht, aber wir haben die Förderung eines fossilen Energieträgers in Deutschland durchaus kritisch gesehen."

Im Juni, Juli und August wurden in Deutschland die Energiesteuersätze für Benzin um 29,55 Cent pro Liter gesenkt, für Diesel um 14,04 Prozent. Es war ein Anliegen der FDP, die in Deutschland als Partei der Autofahrer gilt und auch ein Tempolimit auf Autobahnen ablehnt. Wenig begeistert vom ökologischen Signal waren die Grünen.

Aber diese konnten dafür für den gleichen Zeitraum die Einführung des Neun-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr verkünden. Es war ein voller Erfolg und wurde 52 Millionen Mal verkauft.

"Dies wirkte sich nicht nur preisdämpfend auf die Verbraucherpreisindizes für Personenbeförderungsdienstleistungen aus, sondern auch deutlich auf den Verbraucherpreisindex insgesamt", betont das Statistische Bundesamt in Wiesbaden.

Baumgartner sieht noch einen weiteren Unterschied zwischen Österreich und Deutschland. "Im österreichischen Warenkorb schlagen die Preise für Dienstleistungen – vor allem in Gastronomie und Hotellerie – höher zu Buche", sagt der Wifo-Experte. Denn: "In Österreich hatte 2022 dieser touristische Bereich ein fast dreimal so hohes Gewicht im Warenkorb des harmonisierten Verbraucherpreises (HVPI) als in Deutschland."

Unterschiedliche Steuer

Während in Deutschland mit der im ersten Pandemiesommer 2020 in Kraft getretenen Mehrwertsteuersenkung Ende Dezember 2020 wieder Schluss war, dauerte sie in Österreich noch bis Ende 2021.

Die Entlastung in Österreich war mit durchschnittlich acht Prozentpunkten in ausgewählten, von der Pandemie stark betroffenen Wirtschaftsbereichen (Gastro, Kultur, Tourismus) zwar höher als in Deutschland mit zwei bis drei Punkten, dafür wurde in Deutschland fast der gesamte Warenkorb des VPI einbezogen, es gab also eine breite Absenkung. So belief sich in jener Zeit der reguläre Steuersatz auf 16 statt wie vorher auf 19 Prozent. Der ermäßigte Satz sank von sieben auf fünf Prozent.

"Im Jänner 2022, als die Mehrwertsteuersenkung in Österreich zurückgenommen wurde, war der Preisanstieg in den Bereichen Gastronomie und Hotellerie damit auch deutlich höher als jener in Deutschland", sagt Baumgartner. Im Jahr 2023 würden Dienstleistungen in Österreich außerdem auch durch höhere Lohnabschlüsse verteuert.

Lebensmittel generell günstiger

Weniger stark – aber immer noch deutlich spürbar – sind in Österreich zuletzt die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke gestiegen, nämlich im Schnitt um 14,6 Prozent. In Deutschland waren es 22,9 Prozent. Allerdings sind die gleichen Lebensmittel in Österreich um 13 Prozent teurer als in Deutschland, wie Expertinnen und Experten für die Europäische Zentralbank (EZB) herausfanden.

Gründe sieht Baumgartner dafür folgende: In Österreich sei die Dichte an Lebensmitteleinzelhandelsfilialen höher, aber die Geschäfte kleiner, das treibe daher auch Kosten in die Höhe. Außerdem würden Hersteller mancher Produkte in Deutschland einfach weniger verlangen – "weil ihnen der große deutsche Markt wichtiger ist als der kleine österreichische". Und in Österreich gebe es auch nicht so viele Diskonter wie in Deutschland. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.5.2023)