Ein Privatsammler aus Japan ersteigerte Gustav Klimts "Insel im Attersee" für 53,2 Millionen Dollar bei Sotheby's. Das Bild gehörte ursprünglich Paul und Irene Hellmann.

Foto: Sotheby's

Seinem posthumen Ruf als teuerster Künstler Österreichs wurde Gustav Klimt in der Nacht auf Mittwoch neuerlich gerecht: Für 53,2 Millionen Dollar wechselt sein Gemälde "Insel im Attersee" (1901/02) bei Sotheby's in New York in den Besitz eines japanischen Privatsammlers. Im Vorfeld hatte das Auktionshaus dem Verkäufer einen vom Verlauf der Versteigerung unabhängigen Erlös garantiert und die Erwartungen mit etwa 45 Millionen Dollar beziffert. Der Zuschlag erfolgte bei netto 46 Millionen Dollar.

Die Wasserlandschaft, in der Klimt in abstrahierender Weise die Oberfläche des Attersees in leuchtenden Farben verewigte, gilt als eines der Schlüsselwerke in der internationalen Vermarktung des Künstlers. Es war eines jener Bilder, die der vor dem NS-Regime aus Wien über die Schweiz und Frankreich schließlich in die USA geflüchtete Otto Kallir in seiner neu gegründeten Galerie St. Etienne in New York präsentierte: 1940 in der Schau "Saved from Europe", in der Kallir Kunst zum Verkauf anbot, die "der Zerstörung durch Luftangriffe, Feuer oder Wasser entgangen" seien, wie es in seiner damaligen Pressemitteilung hieß.

Im Auftrag des Bundeskanzleramts

Das über die Jahre nur selten für Ausstellungen in öffentlichen Museen (ausschließlich) in den USA verliehene Werk blieb im (familiären) Umfeld des 1978 verstorbenen Galeristen erhalten. Indirekte Schützenhilfe für den lukrativen Verkauf lieferte jetzt ein 2018 im Auftrag des Bundeskanzleramts (Kultursektion) und der Leopold-Museum-Privatstiftung verfasstes und publiziertes Dossier: Gegenstand war eigentlich Klimts Bildnis "Der Blinde" (um 1896) in der Sammlung des Leopold-Museums (LM).

Es gehörte einst Paul und Irene Hellmann, denen aber ursprünglich auch das nun versteigerte Bild gehörte. Deshalb befasste sich die bis Mitte 2020 für den LM-Bestand zuständige Provenienzforscherin Sonja Niederacher auch mit der Herkunftsgeschichte von "Insel im Attersee". Ihre Schlussfolgerungen wurden in relevanten Grundzügen von Sotheby’s übernommen. Allerdings: So untadelig die Herkunftsangaben samt begleitender Erzählung auch wirken, einige Fragen scheinen vorerst ungeklärt geblieben zu sein.

Paul und Irene Hellmann gehörten zu den wichtigsten Unterstützern der Salzburger Festspiele in den Gründungsjahren. Zu den Stammgästen in ihrer Villa in Altaussee gehörte auch Richard Strauss (hier mit Irene Hellmann).
Foto: Privatarchiv Paul Hellmann

Rekonstruktion oft schwierig

In der Fachliteratur, genauer: in den Werkverzeichnissen zu den Gemälden Gustav Klimts, wurde stets ein gewisser Josef Redlich als Erstbesitzer genannt. Redlich war Jurist, kurzzeitig Finanzminister (Juni bis Oktober 1931) und stand mit führenden Kulturschaffenden seiner Zeit in engem Kontakt (unter anderen Hermann Bahr).

Dass er dieses Klimt-Bild kannte, ist unbestritten: Es gehörte seiner Schwester Irene Hellmann, die am 6. Mai 1944 in Auschwitz ermordet wurde, und ihrem Ehemann Paul Hellmann, der im Dezember 1938 in Wien verstorben war.

Ob jedoch Redlich oder seine Erben das Bild je ihr Eigen nannten, ist ein völlig anderes Kapitel. Ein Nachweis dafür fehlt bis heute, vielmehr stützt sich die Forschung auf Auskünfte von Otto Kallir aus dem Jahr 1965. Demnach habe er das Werk "direkt von den Erben nach dem Minister Josef Redlich, vor ca. 35 oder mehr Jahren", erworben. All jene Beteiligten, die das bestätigen oder Angaben über Details liefern könnten, leben nicht mehr.

Diente das Bild zur Tilgung von Schulden?

Ob die Transaktion in einen Zeitraum fiel, der eventuell Rückschlüsse auf einen verfolgungsbedingten Notverkauf ergeben könnte, ist hier eine Kernfrage. Die Rekonstruktion historischer Besitzerwechsel gestaltet sich oft schwierig. Wo Fakten fehlen, behilft sich die Forschung mit Annahmen. So auch in diesem Fall.

Die Hellmanns waren in der Zwischenkriegszeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten, und Josef Redlich half mit einem Darlehen aus. Sonja Niederachers Theorie zufolge soll Klimts "Insel im Attersee" zur Tilgung dieser Schulden beigetragen haben. Belegt ist das bis heute nicht, aber es macht Kallirs spätere Angaben nachvollziehbar.

Warum die Hellmanns dieses Bild, wie auch andere, nicht selbst verkauft oder einem Kunsthändler in Kommission überlassen haben sollen, bleibt dabei ungeklärt. Sotheby’s schloss sich nach einer Überprüfung Niederachers Ansichten jedenfalls an.

Auf Anfrage verweist das Auktionshaus außerdem auf ein Dokument, das Kallirs Eigentum an dem Bild seit 1937 belegen soll: Es befindet sich im "Archiv der Neuen Galerie", einem Aktenbestand, der 1976 für das Belvedere angekauft wurde.

Vermeintlicher Eigentumsnachweis

Bei dem Zettel handelt es sich um ein Formular für drei Leihgaben, die damals für eine Ausstellung im Ausland (Paris, Bern) übernommen wurden. Im Feld "Eigentümer" war "Neue Galerie" eingetragen: aus organisatorischen Gründen für den Rücktransport der Bilder.

Das dort als "Atterseelandschaft" ausgewiesene wurde nach der Ausstellung demnach an die "Galerie Würthle, Weihburggasse 9" geliefert. Warum Kallir sein Bild einem Konkurrenten überlassen haben soll, ist nur eine der ungeklärten Fragen.

Das Formular mit Angaben zum Rücktransport von Leihgaben Otto Kallirs für eine Ausstellung in Paris (und später Bern), darunter das als "Atterseelandschaft" jetzt versteigerte Bild.
Foto: Belvedere, Archiv der Neuen Galerie

Aus einem solchen Formblatt rückwirkend rechtliche Schlüsse zu ziehen birgt jedenfalls gewisse Tücken, wie ein anderes dort genanntes Bild belegt: "Hoffnung" gehörte Kallir nicht, vielmehr hatte der Kunsthändler das Gemälde in Kommission übernommen, wie die zugehörige Korrespondenz im Archiv dokumentiert. Der damalige Eigentümer, ein gewisser Hugo Bernatzik, hatte auf einen Verkauf im Ausland gehofft. Vergeblich.

Dem STANDARD vorliegenden Informationen zufolge befand sich das 1907/08 von Klimt gemalte Bild noch 1967 im Besitz der Familie Bernatzik. 1978 gelangte es über einen Ankauf bei der Galerie Beyeler (Basel) in den Bestand des Museum of Modern Art (Moma) in New York. Entgegen den über die Website des Museums abrufbaren Angaben haben jedoch weder Otto Kallir noch Vita Künstler, die 1938 die "Neue Galerie" in Wien übernommen hatte, dieses Bild je gehandelt. Die Provenienz harrt folglich einer Überarbeitung. Seit 2021 ist Sonja Niederacher als Senior Provenance Specialist am Moma tätig. (Olga Kronsteiner, 17.5.2023)