"Im Zentrum" zur Mitgliederabstimmung über die künftige SPÖ-Führung mit Claudia Reiterer, im Vordergrund eingeblendet die drei von der Zankstelle.

Foto: Im Zentrum ORF Screenshot

"Im Zentrum"-Moderatorin Claudia Reiterer vor Autor Robert Misik (links) und "Heute"-Chefredakteur Christian Nusser.

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Wenn man die Führungsdebatte der SPÖ gesamthaft auf den Punkt bringen will, dann war ein Satz unter vielen ähnlichen am Sonntagabend in der ORF-Diskussion "Im Zentrum" die passende Formel: "Wir diskutieren hier ins Blaue."

Dabei wollte der Autor und Blogger Robert Misik damit nur darauf hinweisen, dass es noch einige Stunden dauert, bis die SPÖ ihr Abstimmungsergebnis am Montagnachmittag kundtut. Die SPÖ diskutiert und streitet schon seit Monaten bis Jahren "ins Blaue", das fasst auch die Lage in den Umfragen zusammen. Da liegt derzeit gemeinhin die FPÖ vorne.

"Können sich nicht einmal selber managen"

Die SPÖ legt damit schon heute allen anderen Spitzenkandidaten ein Thema für Wahlkonfrontationen 2024 auf, konstatiert "Heute"-Chefredakteur Christian Nusser: "Die Partei gibt das Bild ab: Die können sich nicht einmal selber managen und wollen Verantwortung für das ganze Land übernehmen."

Die Gästerunde bei "Im Zentrum" analysierte Sonntagabend die Situation der SPÖ kurz vor Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung.
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"Sozialdemokratie steht mit dem Rücken zur Wand"

Klaus Luger, Bürgermeister der Stadt Linz, Mitglied des Bundesparteivorstands und erklärter Fan von Burgenlandeshauptmann Hans Peter Doskozil an der Parteispitze, konnte den eher vernichtenden Befunden über das Bild der SPÖ nicht widersprechen: "Die Sozialdemokratie steht mit dem Rücken zur Wand, weil wir uns seit geraumer Zeit mehr intern beschäftigen, als Optionen für das Land aufzuzeigen."

"Selbstbeschädigung mit Anlauf"

"Peinlich bis chaotisch" nannte Politologe Peter Filzmaier die Vorgänge um die Mitgliederbefragung schon in der "ZiB 2" davor. "Selbstbeschädigung mit Anlauf", befundet "Profil"-Vizechefredakteurin Eva Linsinger bei "Im Zentrum": Explodierende Mieten, Inflation – Themen, wie geschaffen für die Sozialdemokratie, aber "die bringt's nicht auf den Boden".

Politikwissenschafter Peter Filzmaier kommentierte den Führungsstreit innerhalb der SPÖ in der "ZiB 2" am Sonntagabend. Am Montag wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung verlautbart.
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SPÖ-Vorstandsmitglied Luger stimmt in regelmäßigen Abständen den Befunden zu, zum Beispiel mit: "Ich würde Ihnen so gerne widersprechen, aber Sie haben das Dilemma auf den Punkt gebracht."

"Einheitsfetischismus im Erodieren"

Luger schließt Abspaltungen nicht aus, und er sieht darin auch möglicherweise eine "Option im Parteienspektrum", auch wenn er sie nicht erhoffe. Aber: "Der Einheitsfetischismus in der SPÖ ist im Erodieren." Einheit als drängendstes Problem der SPÖ wäre nun wirklich neu.

"Die beste Person der Welt könnte Schwächen nicht übertünchen"

Massive inhaltliche und struktuelle Defizite der SPÖ werden nach Linsingers Beobachtung schon seit zwei Jahrzehnten "übertüncht mit der Suche nach dem geheimnisvollen Wunderwuzzi". Ergebnis: Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern, Pamela Rendi-Wagner. Aber, so Linsinger: "Selbst die beste Person der Welt könnte diese Schwächen nicht übertünchen." Wen bräuchte es dann erst, um solche Schwächen zu beseitigen, möchte man anfügen.

Linsingers nüchterne Prognose für das Ergebnis der Mitgliederbefragung am Montag: "Es kann jeder gewinnen, aber es wird der Streit danach weitergehen." Weiter ins Blaue, womöglich. (fid, 22.5.2023)