Österreich wird die Grenzkontrollen zu Ungarn wieder verschärfen.

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Die frühzeitige Freilassung von verurteilten Schleppern in Ungarn sorgt für diplomatische Spannungen zwischen Wien und Budapest. "Wir wollen volle Aufklärung, denn wir halten das für ein völlig falsches Signal", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag. Ungarns Botschafter in Wien wurde zu einem dringenden Gespräch ins Außenministerium geholt. Schallenberg hat darüber nach eigenen Angaben bereits am Sonntag mit seinem ungarischen Amtskollegen Péter Szijjártó gesprochen.

VIDEO: Außenminister Schallenberg (ÖVP) sieht in den geplanten Freilassungen in Ungarn einen "diametralen Widerspruch zu scheinbar klaren Linien" im Umgang mit Schleppern
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In den vergangenen Tagen habe es "beunruhigende" Medienberichte gegeben, dass Ungarn scheinbar hunderte verurteilte Menschenschlepper freilassen wolle, erklärte Schallenberg. Das "scheinbare" Argument Budapests, Ausländer in den Gefängnissen zu haben sei zu teuer, stehe im Widerspruch zur bisher "scheinbar klaren Linie" Ungarns gegenüber Menschenschlepperei.

Gegenüber dem ungarischen Botschafter wurde laut Außenministerium große Beunruhigung über die Freilassung Hunderter strafrechtlich verurteilter Menschenschlepper in Ungarn zum Ausdruck gebracht. Die ungarische Regierungsverordnung stehe im diametralen Widerspruch zur bisherigen harten Linie Ungarns im Kampf gegen Schlepperei. Des Weiteren sei von österreichischer Seite in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden, dass die Vorgehensweise Ungarns "für uns als Nachbarland unmittelbare Auswirkungen auf unsere Sicherheit hat".

Ungarn: Inhaftierung von Ausländern zu teuer

Gemäß einer Verordnung, die die rechtsnationale Regierung von Viktor Orbán Ende April erlassen hat, werden inhaftierte Schlepper aus dem Ausland freigelassen, wenn sie Ungarn innerhalb von 72 Stunden verlassen. Das ungarische Strafrecht sieht an sich langjährige Haftstrafen von zwei bis 20 Jahren für Menschenschmuggel vor. Kanzleramtsminister Gergely Gulyás begründete den Schritt damit, dass die Inhaftierung ausländischer Straftäter zu teuer komme.

Am Nachmittag telefonierte auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit seinem Amtskollegen Sándor Pintér. Karner habe "die Irritation und das Unverständnis Österreichs deutlich zum Ausdruck gebracht", teilte das Innenministerium am Montagnachmittag mit. Karner bekräftigte, dass Österreich an seinen "Grenzpunkt- und Grenzraumkontrollen festhalten" werde. Es habe auch "die Kontrollen an den wichtigsten Grenzübergängen intensiviert", sagte der Innenminister.

Diesbezüglich übte der ungarische Außenminister deutliche Kritik am Nachbarland. "Entgegen dem Geist des Schengen-Abkommens sehen wir seit Monaten, ja sogar seit Jahren, dass die Österreicher den Ungarn und anderen Staatsbürgern die Einreise nach Österreich erschweren, während die Österreicher ohne Wartezeiten frei nach Ungarn einreisen können", sagte Szijjártó.

SPÖ sieht sich bestätigt

"Wir haben jahrelang davor gewarnt, dass Viktor Orbán kein Vorbild und kein Partner in Asylfragen ist", gab SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner Montagnachmittag dazu per Aussendung bekannt. Seit Jahren halte sich Ungarn nicht an europarechtliche Vorgaben und das europäische Asylsystem. Es sei somit nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Orbán eine Entscheidung trifft, "die den Interessen Österreichs so offensichtlich zuwiderläuft, dass nun beide rechte Parteien in Erklärungsnot geraten".

Einwallner plädiert für eine "konstruktive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene": Man brauche eine "tiefgreifende Änderung des Migrationssystems auf EU-Ebene", so Einwallner. "Dazu gehört ein gemeinsames europäisches Asylverfahren, das mit Verfahrenszentren an den Außengrenzen der EU beginnt. Das rettet Menschenleben und zerstört die Grundlage des mörderischen Schleppergeschäfts."

FPÖ-Chef Kickl unterstützt Regierungsposition

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht sich unterdessen durch die Freilassungen in seiner Position bestärkt, "dass der Schutz der eigenen Bevölkerung vor den negativen Folgen einer 'neuen Völkerwanderung' primär eine nationale Aufgabe sein muss". Die umstrittene Maßnahme sei "aus österreichischer Sicht unverständlich und inakzeptabel und steht in Widerspruch zu unserem Konzept zum Schutz Österreichs vor Asylmissbrauch", teilte Kickl am Montag auf Anfrage mit.

"Eine politisch-diplomatische Ablehnung der Schlepperfreilassung durch Österreich ist logisch, weil diese Maßnahme kontraproduktiv für die Schutzinteressen Österreichs ist", ließ der Ex-Innenminister Unterstützung für die bisherige Reaktion der türkis-grünen Bundesregierung erkennen. Die von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) infrage gestellte Polizeikooperation mit Ungarn solle jedoch aufrechterhalten werden.

Kickl jüngst Redner bei rechter Konferenz in Budapest

"Hilfreich" wäre auch, wenn sich Österreich auf EU-Ebene für eine Wertschätzung der "Bemühungen Ungarns zum Schutz der eigenen Grenzen und der eigenen Bevölkerung" stark machen würde, "anstatt sie als Angriff auf humanitäre Grundwerte und EU-Regeln zu verurteilen und mit Sanktionen in Form von Mittelkürzungen zu reagieren". Kickl bekräftigte zugleich, dass er "innerösterreichische Maßnahmen" wie den Zugang von Asylbewerberinnen und Asylwerbern zum Sozialsystem, das Nichtabschieben in Länder wie Syrien, das Nichtüberprüfen der Schutzbedürftigkeit in regelmäßigen Zeitabständen oder den "leichten" Übergang zur Staatsbürgerschaft als "die viel größere Gefährdung unserer Sicherheit" ansehe. "Ohne großzügige Angebote für Geschleppte gibt es auch kein Geschäftsmodell für Schlepper. Dass hier nichts geändert wird, ist der politische Wille unserer Regierung und hat natürlich Schlepperaktivitäten zur Folge, unter denen zum Beispiel auch Ungarn leidet – genauso wie andere Transitstaaten", argumentierte der FPÖ-Chef.

Kickl hatte die ungarische Asylpolitik mehrmals gelobt, jüngst auch bei einer internationalen Konferenz von konservativen Politikern in Budapest. Die "Vorbildfunktion Ungarns" beziehe sich "auf das Nichtannehmen von Asylanträgen und den Ausschluss von Geld- und Sozialleistungen für Personen, die illegal die ungarische Grenze überschritten haben, sowie auf den effektiven Schutz der EU-Außengrenze auch durch bauliche Maßnahmen", betonte Kickl nun. Insbesondere "die völlige Abkehr von Geldleistungen" sei der Hauptgrund für die niedrigen Asylantragszahlen in Ungarn. (APA, 22.5.2023)