"Der frühe Vogel fängt den Wurm", heißt es, und da ist unbestreitbar etwas dran. Frühaufsteher haben schon einiges geschafft, wenn die Nachteulen sich noch immer den Schlaf aus den Augen reiben. Auch die Forschung unterstreicht die Vorteile eines frühen Tagesbeginns: Medizinische Studien bescheinigen Morgensport die besten Effekte (auch wenn zu frühe Betätigung wiederum schädlich sein kann).

Längeres Leben, weniger Handykommunikation

Eine andere Untersuchung könnte man mit "Frühaufsteher leben länger" zusammenfassen. Zumindest ergab die Studie mit 430.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass Nachtaktive während der Untersuchungszeit ein um zehn Prozent erhöhtes Sterberisiko hatten als die Morgenmenschen.

Andererseits, so die Resultate einer weiteren Arbeit aus Finnland, sind Frühaufsteher offenbar weniger sozial vernetzt, zumindest via Handy. Wahrscheinlicher Grund für dieses Ungleichgewicht: Nachteulen kommunizieren bevorzugt mit anderen Nachteulen, Frühaufsteher haben dagegen stärker durchmischte Kontakte.

Die Kirche Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe in Przemyśl im Südosten Polens.
REUTERS/Fabrizio Bensch

Nun hat ein Team von der Universität Warschau, Polen, eine weitere interessante Korrelation beobachtet, die indirekt mit der Chronologie des Lebenswandels zu tun haben könnte: Es zeigte sich, dass – salopp gesagt – die Vorliebe für einen frühen Tagesbeginn auch mit der Religiosität und der allgemeinen Zufriedenheit einer Person in Verbindung stehen könnte. Auch einen möglichen gemeinsamen Einflussfaktor glaubte die Gruppe um Joanna Gorgol gefunden zu haben: Der Grad der Gewissenhaftigkeit einer Person dürfte mit ausschlaggebend für diese Parallelität sein.

Viele Faktoren

Dass Morgenmuffel im Durchschnitt geringere Zufriedenheitswerte aufweisen, ist nicht neu. Bereits frühere Untersuchungen konnten diesen Zusammenhang feststellen, ebenso wie schlechtere Ergebnisse dieser Gruppe bei der Gewissenhaftigkeit. Die Religiosität an sich wiederum dürfte laut bisherigen Forschungen mit höherer Lebenszufriedenheit und Gewissenhaftigkeit in Verbindung stehen.

Diesen wechselseitigen Verflechtungen wollte das Team um Gorgol auf den Grund gehen und führte dafür zwei umfragebasierte Analysen durch, an denen 500 und 728 polnische Erwachsene teilnahmen. Den beiden Gruppen wurden Fragebögen vorgelegt, in denen sie ihre Schlafgewohnheiten, ihre allgemeine Zufriedenheit, Gewissenhaftigkeit und anderen Faktoren beurteilen sollten. Die Mitglieder einer der beiden Gruppe wurden dann zu ihrem konkreten Glauben an Gott befragt, die der anderen Gruppe sollten allgemeinere Fragen zur Religiosität beantworten.

Statistische Verbindungen

Die Auswertung der Befragung bestätigte zunächst frühere Resultate: Morgenmenschen waren im Durchschnitt tatsächlich zufriedener und gewissenhafter. Weitere Analysen der Daten lieferten auch konkretere statistische Zusammenhänge: Offenbar steigt das Maß an Religiosität bei einem Frühaufsteher mit der Lebenszufriedenheit. Diese Verbindung wiederum wird vom Grad der Gewissenhaftigkeit beeinflusst.

Auf der Grundlage dieser im Fachjournal "Plos One" veröffentlichten Ergebnisse vermuten Gorgol und ihre Kollegen folgende Zusammenhänge: Menschen, die morgens gern und leichter aus den Federn kommen, sind tendenziell gewissenhafter und daher mit höherer Wahrscheinlichkeit religiös. Religiosität schließlich würde zusätzlich mit höherer Wahrscheinlichkeit mit größerer Lebenszufriedenheit einhergehen.

"... wird von Gott belohnt"

Die Gruppe betont freilich, dass ihre Studie keineswegs direkte kausale Abhängigkeiten bestätigen würde. Darüber hinaus seien auch soziodemografische Merkmale der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht berücksichtigt worden, weshalb weitere Untersuchungen nötig seien. Dass der gewissenhafte frühe Vogel tatsächlich automatisch religiöser sei, lässt sich aus der Untersuchung jedenfalls nicht ableiten – auch wenn die polnische Variante des Sprichwortes "Kto rano wstaje, temu Pan Bóg daje" lautet, oder übersetzt: "Wer früh aufsteht, wird von Gott belohnt." Fest steht letztlich nur, dass der frühe Wurm viel eher Gefahr läuft, vom einem der Frühaufstehervögel geschnappt zu werden. (Thomas Bergmayr, 25.5.2023)