"Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Broker oder Anlageberater." Wie Arzneimittel müssen auch Finanzprodukte einen Beipackzettel, das sogenannte Produktinformationsblatt, aufweisen – und laut Plänen der EU-Kommission soll dieser künftig aufgewertet werden und genaue Auskunft über anfallende Provisionen und deren Auswirkungen enthalten. Von ihrer ursprünglichen Forderung eines generellen Provisionsverbots ist Finanzkommissarin Mairead McGuinness wegen des Widerstands der Finanzindustrie abgerückt. Dieses kommt vorerst nur in abgespeckter Form, ist für die Zukunft aber nicht gänzlich vom Tisch. Warum die Kommission diesen Weg eingeschlagen hat und welche Ziele sie mit ihrer "Kleinanlegerstrategie", wie das neue Regelwerk heißen soll, verfolgt?

Bulle Bär Börse EU Kleinanlegerstrategie
Nur 17 Prozent der Ersparnisse stecken in der EU in Anlageprodukten. Den Wert will die Kommission mit neuen Regeln erhöhen.
IMAGO/Malte Ossowski/SVEN SIMON

Frage: Warum sieht die EU-Kommission Handlungsbedarf?

Antwort: Ziel ist die Weiterentwicklung des Anlegerschutzes. Es fehle an wichtigen und leicht verständlichen Informationen bei Geldanlagen. Kritisch sieht die Behörde auch, wenn Berater beim Verkauf von Finanzprodukten, etwa für die Altersvorsorge, Provisionen kassieren. "Unser Ziel ist es, das Vertrauen von Anlegern zu stärken", sagte ein EU-Beamter der Süddeutschen Zeitung. Dieses sei zu wenig ausgeprägt, bloß 17 Prozent der privaten Ersparnisse stecken in der EU in Anlageprodukten, Versicherungen nicht mitgerechnet.

Frage: Welche neuen Regeln will die Kommission einführen?

Antwort: Sie setzt an mehreren Punkten an. Wer sein Geld anlegt, soll einen besseren Überblick über Chancen, Risiken und Kosten der Finanzprodukte bekommen. Auch bei der Werbung werden die Zügel straffer gezogen, und Aufsichtsbehörden sollen auf der Grundlage von Richtwerten das Preis-Leistungs-Verhältnis von Finanzprodukten bewerten. Provisionen, die als versteckte Kosten in der Kritik stehen, werden aber nur für den Verkauf von Finanzprodukten ohne vorherige Beratung, etwa bei Direktbanken, verboten.

Frage: Warum ist die Kommission von einem generellen Provisionsverbot abgerückt?

Antwort: "Ein Verbot über Nacht wäre zu disruptiv gewesen", erklärte Finanzmarktkommissarin McGuinness. Vor allem Finanzberatern hätte dies die Geschäftsgrundlage erschwert, müssten sie ihre Beratungskosten ihrer Kundschaft extra verrechnen. Umsonst ist dies aber nie. "Machen Sie sich bewusst, dass eine Anlageberatung immer etwas kostet – entweder eine eingepreiste Provision oder ein Honorar", gibt die deutsche Finanzaufsicht Bafin zu bedenken.

Provisionsverbot light

Frage: Was kommt stattdessen?

Antwort: Wenn sie weiterhin Provisionen zahlt, soll die Kundschaft dies auf den ersten Blick erkennen. Anbieter müssen über Provisionen und deren Auswirkungen informieren sowie jährlich eine Übersicht über Kosten und ihre Erträge versenden, inklusive Provisionen. Das Produktinformationsblatt soll zudem übersichtlicher werden, mit einer Zusammenfassung von Kosten und Risiken. Künftig müssen darin auch Informationen zur Nachhaltigkeit des Produkts enthalten sein.

Frage: Was wird bei der Werbung geändert?

Antwort: Die Finanzbranche setzt auch zunehmend auf Influencer, die in sozialen Medien ihre Produkte anpreisen. Künftig sollen die Anbieter für diese Werbung haften. Diese muss wesentliche Produktinformationen liefern und eine passende Zielgruppe ansprechen.

Frage: Was ist noch geplant?

Antwort: Die Versicherungsaufsicht EIOPA und die Wertpapieraufsicht ESMA sollen Referenzwerte entwickeln, mit denen das Preis-Leistungs-Verhältnis von Finanzprodukten bewertet werden kann. Anbieter müssen der Aufsicht vor der Markteinführung dann das Kosten-Nutzen-Verhältnis offenlegen.

Frage: Wieso wird das Paket nach drei Jahren überprüft?

Antwort: Das Gesetzespaket soll, sobald nach Absprache mit dem Europaparlament und dem Ministerrat verabschiedet, nach drei Jahre überprüft werden. Dann will die Kommission die Auswirkungen bewerten und gegebenenfalls nachschärfen – wobei auch das generelle Provisionsverbot nicht vom Tisch ist. (Alexander Hahn, 4.6.2023)