Kempten – Bei einem Besuch des Schlosses Neuschwanstein in Bayern sind zwei junge Touristinnen Opfer einer Gewalttat geworden. Eine der beiden, eine 21-Jährige, sei im Zuge dessen gestorben, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Hörmann am Donnerstag. Zu der Tat war es bereits am Mittwochnachmittag gekommen, die Tat hatte einen Großeinsatz der Polizei rund um das Schloss ausgelöst.

Zufallsbekanntschaft

Die junge Frau war den ersten Ermittlungen zufolge mit ihrer ein Jahr älteren Freundin unweit der Marienbrücke in Schwangau unterwegs. Die historische Brücke ist ein beliebter Treffpunkt von Urlaubern, weil es von dort einen guten Blick auf das Schloss gibt. Dabei sollen die Frauen auf einen 30 Jahre alten Besucher aus den USA getroffen sein. Es sei eine Zufallsbegegnung gewesen, erläuterte Hörmann. In der Folge ging das Trio gemeinsam weiter. "Der Mann lotste die beiden dann unter einem Vorwand auf einen schwer einsehbaren Trampelpfad, welcher zu einem Aussichtspunkt führt", berichteten die Ermittler.

Dort soll der Mann die 21-Jährige angegriffen haben. Als ihre 22 Jahre alte Freundin einschreiten wollte, würgte der Täter nach den bisherigen Erkenntnissen diese und stieß die 22-Jährige dann einen steilen Abhang in Richtung der Pöllat hinab. Die Pöllat ist ein Wildbach und verläuft in einer Schlucht unterhalb von Neuschwanstein.

Dann soll es zu einem versuchten Sexualdelikt an der 21-Jährigen gekommen sein. "Das ist aber noch nicht belastbar", sagte Hörmann. Auch die 21-Jährige soll der Amerikaner dann den Abhang hinabgestoßen haben. Etwa 50 Meter tiefer kamen beide Opfer nebeneinander zum Liegen. Die Bergwacht musste gerufen werden, um die beiden verletzten Frauen zu bergen.

Die 22-Jährige war ansprechbar und kam in ein Krankenhaus. Die Jüngere musste schwer verletzt mit einem Hubschrauber in eine Klinik gebracht werden. Sie starb in der Nacht auf Donnerstag. Angaben zur Herkunft der Frauen machten die Ermittler nicht.

Das Schloss Neuschwanstein in Bayern.
Das Schloss Neuschwanstein in Bayern.
AP/Matthias Schrader

Der mutmaßliche Täter konnte zunächst flüchten. Die Polizei leitete eine umfangreiche Fahndung rund um das Schloss ein. Beamte aus mehreren Orten fuhren zum Einsatzort, ein Spürhund und ein Polizeihubschrauber unterstützten die Suche. Der 30-Jährige konnte kurze Zeit später in der Nähe festgenommen werden. Er blieb einen Tag in Gewahrsam, ehe am Donnerstag Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde. Die Ermittlungen laufen wegen Mordes und versuchten Mordes sowie wegen eines Sexualdelikts.

Polizei sucht Augenzeugen

Die Kriminalpolizei hat mittlerweile die Untersuchung übernommen. Bei der Arbeit am Tatort wurde sie wegen des steilen Geländes von speziellen Kräften der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei unterstützt. Laut Hörmann steht weiterhin die Spurensicherung im Vordergrund. "Wir sind am Anfang der Ermittlungen." Es müsse noch genau herausgefunden werden, was geschehen ist.

Die Polizei hofft nun darauf, dass andere Besucher des Schlosses Hinweise geben können, um die Tat rekonstruieren zu können. Zeugen, welche die Tat beobachtet oder im Vorfeld etwas gesehen haben, sollen sich melden. Zudem können Fotos oder Videos, die am Mittwoch im Umfeld des Schlosses gemacht wurden, über eine Internetseite an die Polizei geschickt werden. Die Beamten wollen dann prüfen, ob auf den Bildern die Frauen oder der US-Amerikaner zu sehen sind.

Schloss Neuschwanstein zählt zu den berühmtesten und meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. In der Vergangenheit kamen mitunter fast eineinhalb Millionen Besucher pro Jahr zum Allgäuer Schloss des Bayernkönigs Ludwig II. Im Sommer würden sich im Durchschnitt täglich mehr als 6.000 Besucher durch die Räume des Schlosses drängen, berichtet die Bayerische Schlösserverwaltung. (APA, red, 15.6.2023)