Nach Jahren sinkender Zinsen und steigender Inflation hat die türkische Zentralbank am Donnerstag eine Zinswende eingeleitet. Der Leitzins wurde von 8,5 auf 15 Prozent erhöht. Das ist zwar eine deutliche Steigerung, bleibt aber dennoch hinter den Erwartungen zurück. Internationale Finanzanalysten hatten mit mindestens 20 Prozent gerechnet.

Fischhändler an einem Markt in Istanbul bereiten ihr Angebot vor.
Vor allem die stark gestiegenen Lebensmittelpreise – die offizielle Inflationsrate liegt bei fast 40 Prozent – machen der Bevölkerung schwer zu schaffen.
AP

Die Zinswende ist das Ergebnis eines indirekten Schuldeingeständnisses des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der jahrelang behauptet hatte, die Inflation in der Türkei ließe sich durch niedrige Zinssätze bekämpfen. Während weltweit die Zentralbanken ihre Zinsen erhöhten, um die Inflation in den Griff zu bekommen, zwang Erdoğan seine wechselnden Zentralbankchefs zu immer weiteren Zinssenkungen. Dadurch wuchs die Inflation in der Türkei zu einer der höchsten der Welt. Seit der Wiederwahl Erdoğans am 28. Mai dieses Jahres zeichnete sich allerdings ein Wechsel in der Wirtschaftspolitik ab. Erdoğan holte den liberalen Banker Mehmet Simsek, den er 2018 im Streit um die richtige Wirtschaftspolitik gefeuert hatte, zurück ins Kabinett und ernannte kurz darauf die Wallstreet-Bankerin Hafize Gaye Erkan zur neuen Zentralbankchefin.

"Unorthodoxe" Zinspolitik

Beide Personalien deuteten an, dass mit Erdoğans "unorthodoxer" Geldpolitik nun erst einmal Schluss ist. Als Folge dieser angeblichen Wachstumspolitik mit immerzu billigen Krediten stieg die Inflation auf mehr als 100 Prozent, obwohl die Zentralbank durch ständige Stützungskäufe zur Stabilisierung der Lira ihre letzten Dollar verpulverte. Schon seit Monaten wird das Land nur noch durch immer neue Notkredite aus Katar vor der Staatspleite gerettet – Erdoğan musste deshalb zähneknirschend einem Wechsel in der Wirtschaftspolitik zustimmen.

Die Zentralbank hat am Donnerstag angekündigt, dass sie die Zinsen auch in den kommenden Monaten Schritt für Schritt erhöhen wird, bis die Inflation spürbar zurückgeht. Offiziell soll sie bereits unter 40 Prozent gefallen sein, doch niemand glaubt diesen Zahlen, weil jede Türkin und jeder Türke beim Einkaufen im Supermarkt feststellen muss, dass vor allem Lebensmittelpreise nach wie vor rapide anziehen. Kein Wunder, denn Importe werden immer teurer, weil die Lira nach wie vor dramatisch an Wert verliert.

Fallende Lira

Allein seit der Wahl ist der Preis für einen Euro von 22 auf 26 Lira gestiegen. Nach der Zinserhöhung gab es einen weiteren Kursschub auf 27 Lira pro Euro.

Während Devlet Bahçeli, der Vorsitzende des rechtsradikalen Koalitionspartners von Erdoğan, schon vor Tagen angekündigt hatte, dass die Regierung bei der Zinspolitik "schmerzhafte" Entscheidungen vornehmen müsse, meinte Erdoğan, er sei nach wie vor ein "Zinsfeind", füge sich aber erst einmal ins Unvermeidliche. Die Frage ist nun, wie lange Erdoğan sein neues Wirtschaftsteam machen lässt. Dass die Zinsen statt auf 20 Prozent nur auf 15 Prozent erhöht wurden, könnte mit dem anhaltenden Widerstand Erdoğans zusammenhängen. Im kommenden Monat werden die Renten und Beamtengehälter erhöht, und auch der Mindestlohn soll steigen, was erneut zu einem Inflationsschub führen könnte.

Unabhängige Experten gehen davon aus, dass die Inflation bei Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs nach wie vor bei mehr als 100 Prozent liegt. Um dagegen wirksam vorzugehen, müssten noch etliche drastische Zinsschritte folgen.