Zwei Menschen halten jeweils eine Kugel Eis in der Hand.
Die Kugel Eis, die kalte Limo – im Sommer greift man besonders gern zu Gezuckertem. Das ist an sich kein Problem. Trotzdem helfen ein paar einfache Tricks, den eigenen Zuckerkonsum zu reduzieren.
Getty Images/iStockphoto

Eine Kugel Eis, die gekühlte Limo zur Erfrischung, und nach dem Essen braucht man schon noch ein paar Kekse zum Kaffee, damit man sich so richtig wohlfühlt. Im Sommer, hat man den Eindruck, greift man tendenziell noch leichter zu süßen Erfrischungen als in der kühleren Jahreszeit – mit der Folge, dass der Zuckerkonsum aus dem Ruder geraten kann. Dazu kommt, dass sich das Süßungsmittel auch in vielen Produkten versteckt, in denen man es nicht vermuten würde – oder zumindest nicht in großer Menge. Doch fertig gekaufte Grillsaucen, Müsli und Frühstücksflocken oder auch ganz normale Fruchtsäfte können wahre Zuckerbomben sein. Wie schafft man es bei diesem üppigen Angebot, den eigenen Zuckerkonsum im Zaum zu halten?

Die Antwort scheint erst einmal simpel: Man verzichtet einfach auf all diese Zuckerfallen. Doch wer das schon einmal probiert hat, weiß aus Erfahrung: So einfach ist das nicht. Der Körper giert regelrecht nach dem süßen Geschmack. Und das ist – aus körperlicher Sicht – auch völlig verständlich. Drei Hauptgründe dürfte es für die große Zuckerlust geben: die Evolution, das Belohnungssystem und kulturelle bzw. soziale Faktoren.

Essenzieller Genuss

Der Geschmackssinn hat sich im Lauf der Evolution entwickelt, um jene Nahrungsmittel zu erkennen, die nicht gefährlich und für das Überleben wichtig sind – für die Gesundheit gefährliche Lebensmittel schmecken meist bitter oder sauer. "Süßes wie etwa Obst ist in aller Regel unbedenklich, außerdem versorgt es uns mit Kohlenhydraten in Form von Fruchtzucker, das bedeutet schnelle Energie", weiß Diätologin und Ernährungsexpertin Yasmin Eder. Auch die Muttermilch, die ja für Säuglinge überlebensnotwendig ist, schmeckt süß, was die Theorie der evolutionären Prägung unterstützt.

Ein weiterer Faktor ist das Belohnungszentrum im Gehirn. Durch Zucker wird Dopamin freigesetzt, das kann positive Emotionen und Glücksgefühle auslösen. Durch dieses Belohnungssystem kann eine Spirale entstehen, das Bedürfnis nach Süßem verstärkt sich. Schließlich sind süße Speisen und Desserts in vielen Kulturen als Genussmittel fix etabliert, sie gehören zu fröhlichen Anlässen und Festen automatisch dazu. Dadurch sind Süßspeisen automatisch positiv konnotiert.

Und ohne Zucker geht es auch gar nicht. Glukose, einer der Hauptbestandteile von Zucker, ist ein lebenswichtiger Inhaltsstoff. Manche Organe können Energie fast nur aus Zucker gewinnen. Die Glukose wird dafür abgespalten und gelangt in den Blutkreislauf. Der Blutzuckerspiegel steigt, das Hormon Insulin wird ausgeschüttet. Insulin wiederum ist der Schlüssel, der die "Zelltüren" öffnet, damit der Kraftstoff Zucker aus dem Blut in die Zellen gelangen kann. Je nach aktuellem Bedarf wird er dort verbrannt oder gespeichert.

Hat man diesen Ablauf verstanden, wird auch ein anderes Phänomen auf einmal völlig klar: die Vorliebe vieler für Kohlenhydrate. Und deren häufige Kategorisierung als grundsätzlich böses Lebensmittel. Diese bestehen nämlich im Wesentlichen aus mehr oder weniger kompliziert vernetzten Zuckermolekülen. Und isst man davon mehr, als der Stoffwechsel benötigt, werden die aufgespaltenen Zuckermoleküle eben in Form von Fett eingelagert.

Guter Zucker – böser Zucker

Dabei gilt: Je süßer und je weniger komplex, desto schneller werden die Carbs aufgespalten und gehen in den Blutkreislauf über. Weißbrot etwa enthält nur einfach vernetzte Zuckermoleküle, die sehr rasch aufgespaltet werden. Vollkornmehl, brauner Reis oder auch stärkehaltige Gemüse und Hülsenfrüchte dagegen bestehen aus wesentlich komplexeren Kohlenhydraten, sie gehen deutlich langsamer in den Blutkreislauf über. Weißbrot sorgt für ziemliche Insulinspitzen im Blutkreislauf, da in kurzer Zeit viel Glukose verarbeitet werden muss, dadurch kann es zu Heißhungerattacken kommen. Komplexere Kohlenhydrate werden langsamer aufgespalten und brauchen länger, bis sie in den Blutkreislauf übergehen. Dadurch braucht der Stoffwechsel nicht so viel Insulin, er kann sie länger und effizienter nutzen.

Doch selbst bei den einfachen und komplexen Zuckermolekülen ist die Einteilung in gut und böse nicht so einfach. Wie immer macht die Dosis das Gift. "Bewegen wir uns viel und sind insgesamt aktiv, braucht der Stoffwechsel mehr Energie. Kritisch wird es dann, wenn man einen inaktiven Lebensstil hat, den ganzen Tag im Büro sitzt und seine Wege nicht mehr zu Fuß zurücklegt. Dann legt sich der Zucker als Fettreserve an", erklärt Ursula Pabst, Ernährungswissenschafterin und Expertin fürs Abnehmen.

Pabst betont: "Ein bewusster Genuss von Süßigkeiten ist okay. Wer nach einer Rippe Schokolade stoppen kann oder mit einer Kugel Eis glücklich ist und auch das Süße nach dem Essen nicht zwingend braucht, muss sich keine Sorgen machen." Bis zu zehn Prozent der täglichen Kalorienzufuhr kann man ohne Bedenken mit Süßem abdecken. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 2.000 Kalorien pro Tag sind das etwa 200 Kalorien – ein Schokoriegel oder zwei Kugeln Eis. "Bei einer sonst ausgewogenen Ernährung spricht da nichts dagegen."

Unvermutete Quellen

Und genau hier kann es schwierig werden, und zwar für alle, egal ob man üblicherweise moderat süß ist oder auch einmal eine wahre Zucker-Heißhungerattacke hat. Denn Zucker befindet sich in viel mehr Produkten, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Viele vermeintlich gesunde Produkte sind wahre Zuckerbomben. Man greift etwa zu direkt gepresstem Apfelsaft, weil der gesünder sein soll als Cola oder Eistee. "Doch der Zuckergehalt von reinen Fruchtsäften ist oft sogar höher als der von vielen Limonaden, vor allem, wenn dann auch noch Zucker zugesetzt ist", weiß Pabst.

Und auch in vielen Nahrungsmitteln ist überraschend viel Zucker, ergänzt Yasmin Eder. Fruchtjoghurts, industriell hergestellte Marmeladen, Müsli- und Energieriegel sind voll mit dem Süßungsmittel. "Die werden als "gesund" vermarktet und als sinnvolles Angebot für einen Snack zwischendurch präsentiert. Aber das stimmt einfach nicht. Sie sollten besser als Naschereien wahrgenommen werden." Weitere unvermutete Quellen können fertige Pastasaucen, Salatdressings oder Grillsaucen sein. Und auch in hochverarbeiteten Fertigprodukten ist meistens viel Zucker drin. "Studiert man da die Zutatenliste genauer, kann es zu einigen Aha-Momenten kommen", weiß Eder.

Schritt für Schritt reduzieren

Wie schafft man es nun angesichts von Gewohnheit und verstecktem Zucker, den eigenen Konsum zu reduzieren? Das sollte man Schritt für Schritt angehen. "Wenn man abrupt alles ändert und massiv runterfährt, überfordert das vor allem die Psyche, man hält im Normalfall nicht lange durch und schmeißt alles hin", weiß Eder aus ihrer Praxis.

Als Erstes sollte man sich mit allen Zuckerformen, die einem im Alltag begegnen, vertraut machen: Maissirup, Fruktose, Saccharose, Dextrose und mehr sind alles Süßungsmittel, die verarbeitet werden. Eine große Zuckerquelle sind gesüßte Getränke. Deshalb sollte man darauf verzichten bzw. sie nur in Ausnahmefällen konsumieren. Ohnehin sind stark gezuckerte Getränke nicht dafür geeignet, den Durst zu löschen, durch den Zucker kann der Körper die Flüssigkeit nicht so gut aufnehmen. Das oft vorgebrachte Argument, dass Wasser fad schmecke, gilt so nicht, sagt Ursula Pabst: "Probieren Sie einmal Infused Water. Einfach Zitronen- oder Gurkenscheiben oder andere Früchte ins Wasser geben, dazu Minzeblätter, Thymian, Zitronenmelisse oder andere Kräuter, das bringt gerade im Sommer herrlichen Geschmack ins Wasser."

In weiterer Folge sollte man zum Koch oder zur Köchin werden. Diätologin Eder betont: "Bereitet man seine Mahlzeiten selbst zu, hat man die Kontrolle darüber, wie viel Zucker wirklich drin ist. Das geht natürlich nur, wenn man frische, unverarbeitete Produkte verwendet. Aber man kann ja auch eine Reise daraus machen, auf der man viel Neues über Essen lernt." Man muss übrigens nichts aufs Backen verzichten, um Zucker einzusparen. Aber man kann weniger Zucker verwenden. In den allermeisten Rezepten kann man bis zu einem Drittel der angegebenen Zuckermenge weglassen, und es schmeckt trotzdem süß. Am besten macht man das Schritt für Schritt. So können sich die auf süß gepolten Geschmacksknospen langsam daran gewöhnen und nehmen auch die nicht so stark gezuckerten Kuchen als wohlschmeckend war.

Und von der einen oder anderen Gewohnheit sollte man sich tatsächlich verabschieden. Ernährungswissenschafterin Pabst empfiehlt: "Verzichten Sie auf Süßes im Alltag. Nicht neben der Arbeit naschen oder neben dem Lernen, und auch nicht auf der Couch vorm Fernseher. Das sind reine Gewohnheiten und in den allerseltensten Fällen ein echter Bedarf an Zucker." Trotzdem: Die Kugel Eis im Freibad oder am See muss sein. Es sollte nur bei der einen bleiben. Die genießt man dafür mit allen Sinnen. (Pia Kruckenhauser, 1.7.2023)