Bunte Zuckerstangen, die auf einem Regal hängen
In vielen Süßigkeiten ist der künstliche Süßstoff Aspartam enthalten. In der Liste der Inhaltsstoffe findet er sich unter dem Kürzel E 951. Er steht im Verdacht, in großen Mengen krebserregend zu sein.
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Kaugummi, Müsli, Coke light, Diätprodukte, kalorienarme Joghurts: Sie alle haben etwas gemeinsam: In ihnen ist der künstliche Süßstoff Aspartam enthalten. Und genau diesen will die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO nun als "möglicherweise krebserregend" einstufen, wie Insider berichten. Die Entscheidung wurde Anfang dieses Monats getroffen, nach einer Sitzung externer Experten der Gruppe, und soll im Juli bekanntgegeben werden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von zwei mit der Sache vertrauten Personen. Bei der Einstufung wird offensichtlich nicht berücksichtigt, wie viel von einem Produkt ein Mensch gefahrlos zu sich nehmen kann.

Die Ratschläge für Einzelpersonen stammen von einem separaten WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe, dem JECFA, sowie von den nationalen Regulierungsbehörden. Auch der JECFA prüft die Verwendung von Aspartam und will seine Ergebnisse am 14. Juli, am Tag der Veröffentlichung der IARC-Einschätzung, bekanntgeben.

Das kalorienarme Süßungsmittel Aspartam ist in Europa für die Verwendung als Tafelsüßstoff und als Lebensmittelzusatzstoff in Nahrungsmitteln zugelassen – etwa in Getränken, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi, kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle. Das Süßungsmittel wird seit Jahrzehnten umfassend untersucht. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gilt Aspartam aufgrund eingehender Sicherheitsbewertungen als unbedenklich für den menschlichen Verzehr.

Neue Studie revidiert Einschätzung

Doch im vergangenen Jahr erschien eine neue Studie. Die französische Untersuchung mit 100.000 Erwachsenen zeigte, dass Menschen, die größere Mengen an künstlichen Süßstoffen – einschließlich Aspartam – konsumierten, ein leicht erhöhtes Krebsrisiko hatten. Sie folgte auf eine Studie des Ramazzini-Instituts in Italien aus den frühen 2000er-Jahren, in der berichtet wurde, dass einige Krebsarten bei Mäusen und Ratten mit Aspartam in Verbindung gebracht wurden. Die erste Studie konnte jedoch nicht nachweisen, dass Aspartam das erhöhte Krebsrisiko verursacht. Außerdem wurde die Methodik der zweiten Studie infrage gestellt – auch von der EFSA, die die Studie bewertet hat. Die IARC erklärte, sie habe bei ihrer Überprüfung im Juni 1.300 Studien bewertet.

Der WHO-Ausschuss JECFA sieht den Verzehr von Aspartam innerhalb der akzeptierten Tagesmengen seit 1981 als sicher an. So müsste ein Erwachsener mit einem Gewicht von 60 Kilogramm jeden Tag zwischen zwölf und 36 Dosen Diätlimonade trinken – abhängig von der Aspartammenge im Getränk –, um gefährdet zu sein. Diese Einschätzung wird von nationalen Regulierungsbehörden weitgehend geteilt, auch in den USA und Europa. Ein IARC-Sprecher sagte, dass die Ergebnisse der IARC und des JECFA-Ausschusses bis Juli vertraulich seien.

Die Entscheidung der IARC könnte eine erneute Debatte über die Sicherheit von Süßstoffen, aber auch über die Rolle der Krebsforschungsagentur auslösen. Deren Einschätzungen können großen Einfluss haben, standen in der Vergangenheit aber auch als verwirrend für die Öffentlichkeit unter Kritik. In die Kategorie "möglicherweise krebserregend" stuft die IARC auch rotes Fleisch ein, ebenso wie heiße Getränke über 65 Grad oder Nachtarbeit. Die Folgen einer solchen Einstufung bekam etwa der deutsche Bayer-Konzern schwer zu spüren, der den Glyphosat-Entwicklung Monsanto übernahm und sich damit eine Klagewelle in den USA einhandelte. Behörden weltweit haben den Unkrautvernichter als nicht krebserregend eingestuft. Allein IARC bewertete ihn 2015 als "möglicherweise krebserregend". Auf diese Einschätzung beriefen sich die Kläger. (APA, red, 28.6.2023)