Obwohl eigentlich schon recht gut erforscht, ist die turbulente Sonnenoberfläche immer noch für spektakuläre Überraschungen gut: Ein internationales Astronomenteam hat nun auf unserem Muttergestirn regelrechte "Sternschnuppen" entdeckt. Die Beobachtungen mithilfe des Solar Orbiter (SolO) der Europäischen Weltraumorganisation Esa enthüllten die bisher unbekannten meteorähnlichen Feuerbälle, die Teil eines Phänomens namens "koronaler Regen" sind. 

Sonne, Korona, Feuerbälle
Die Aufnahme des Solar Orbiter vom 30. März 2022 zeigt einen Teil der Sonnenoberfläche mit Millionen Grad heißem Plasma. In dieser Region kann es "regnen" und auch zu "Sternschnuppen" kommen, wie sich nun gezeigt hat.
Foto: ESA/Solar Orbiter EUI/HRI

Koronaler Regen zeigt durchaus Parallelen zu terrestrischen Niederschlägen, auch wenn diese auf unserem Planeten aus Wasser bestehen, während in der äußeren solaren Atmosphäre Plasma niederprasselt. Im Grunde handelt es sich um einen Kondensationsprozess, bei dem ein Teil des von der Sonne fortgeschleuderten heißen Materials abkühlt, dabei verklumpt und in Form von dichten Plasmabrocken entlang koronaler Schleifen zur Sonnenoberfläche zurückfällt.

Hunderte Kilometer groß

Im Verlauf dieser Niederschläge kommt es in der mehrere Millionen Grad heißen Korona auch zu schnellen Temperaturstürzen, bei denen superdichte Plasmaklumpen mit bis zu 250 Kilometer Durchmesser entstehen. Diese "Feuerbälle" konnte nun eine Gruppe um Patrick Antolin von der University of Northumbria in Newcastle (Großbritannien) auf Bildern des Solar Orbiters erstmals beobachten. Das Team stellte seine Funde im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" vor.

Im Frühjahr 2022 näherte sich SolO auf seinem Orbit um die Sonne ihrer Oberfläche bis auf 49 Millionen Kilometer. Dabei gelangen Aufnahmen mit der bislang höchsten räumlichen Auflösung, die je von der Sonnenkorona erzielt wurde. Neben den detailgenauen Bildern des koronalen Regens fing SolO auch jene Prozesse unmittelbar unter dem "Regen" ein, die zur Entstehung der ungewöhnlichen Klumpen führen. Die Messungen zeigten, dass das Gas dort während des Sturzes Richtung Oberfläche auf bis zu eine Million Grad aufgeheizt wird.

Koronale Schauer auf der Sonne: Die roten Linien illustrieren die Fallbahnen der Niederschläge und kondensierten Klumpen.
Foto/Grafik: Patrick Antolin, ESA/Solar Orbiter EUI/HRI

Während bei terrestrischen "Sternschnuppen" Meteoroiden mit hoher Geschwindigkeit in unsere Atmosphäre eindringen und dort verglühen, läuft dies in der Sonnenatmosphäre etwas anders ab. Da die Korona eine vergleichsweise geringe Dichte aufweist, gehen die Forschenden davon aus, dass die meisten "Feuerbälle" unversehrt auf der Sonnenoberfläche ankommen. Die Beobachtungen durch SolO zeigten, dass es bei diesem Prozess zu einem kurzen, extremen Aufblitzen kommt und Material und Schockwellen sich nach oben hin ausbreiten, wo es Plasma erneut aufheizt.

Neue Einblicke

Beim Herabstürzen der gewaltigen Plasmabälle wird das Gas teilweise ionisiert, wodurch es den Magnetfeldlinien der Sonne folgt. Die Verdichtung und die Hitze darunter verhindern, dass die Klumpen Schweife bilden – dies ist letztlich auch einer der Gründe, warum das Phänomen bisher noch nicht erfasst worden war.

"Die innere Sonnenkorona ist so heiß, dass wir sie wahrscheinlich nie mit einer Raumsonde vor Ort untersuchen können", sagte Antolin. "SolO umkreist die Sonne jedoch nahe genug, um kleinräumige oberflächennahe Phänomene zu erfassen, darunter auch die Auswirkungen des 'Regens' auf die Korona. Das liefert uns wertvolle indirekte Einblicke in die koronale Umgebung und damit ein neues Verständnis über ihrer Zusammensetzung und Thermodynamik." (Thomas Bergmayr, 10.7.2023)