Mädchen springt lachend zwischen bunten Luftballons
Viele Eltern wünschen sich ein perfektes Fest für ihre Kinder, haben aber keine Zeit und Nerven für die Organisation. Für das nötige Kleingeld kann man das einer Agentur überlassen.
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Alice ist dieses Mal zwar nicht im Wunderland, sondern in einem Schloss hoch in den Tiroler Bergen, aber sonst passt alles ziemlich gut – der große weiße Hase etwa, der gleich am Eingang wartet und die Gäste begrüßt. Er führt die Gruppe hinein in eine fast unwirkliche Welt, zu einer langen Tafel, gedeckt mit feinem Porzellan, mit Törtchen und Obst. Wie im Original baumeln von der Decke überdimensional große Teetassen. Wie im Original stehen entlang der Wände Kellner mit übergroßen Tablets, sie stecken in Kartenkostümen und haben Fläschchen, auf denen "Drink me" steht, und Fingerfood mit "Eat me"-Schildern. "Welcome to the Wonderland", sagt ein Mann, er trägt ein Uhrmacherkostüm und sieht ein bisschen aus wie Johnny Depp – der im Alice-Film. Gleich neben ihm steht die Grinsekatze, rechts die Herzkönigin. Und während die Gäste, 20 Kinder, noch mit großen Augen im Raum stehen, haben ihre Eltern schon die Smartphones gezückt und schießen Fotos in alle Richtungen.

Es ist der Geburtstag der achtjährigen Elena, sie feiert hier mit 20 Freundinnen, die Kinder und deren Eltern wurden extra mit Shuttleservice aus Salzburg und Wien angekarrt. Und die Anreise sollte sich für sie auf jeden Fall lohnen. In den nächsten sechs Stunden gibt es: einen Zauberer, eine Seifenblasenkünstlerin, sogar ein Pyrotechniker sowie Schauspielerinnen und Animateure sind angereist. Während die Herzkönigin mit den Eltern Cricket spielt, krabbeln die jüngeren Gäste durch Miniaturtüren in kleine Indoor-Spielplatzanlagen. Am Ende der Feier schießt die Fotografin noch einmal ein Gruppenbild im Foyer. Alle sehen müde aus, aber das war wohl auch der Sinn der Sache. Als Abschiedsgeschenk überreicht Elena, die eigentlich anders heißt, ihren Freunden ein individualisiertes Buch: Die Geschichte von Elena im Wunderland.

Elenas Eltern sind dafür um einen mittleren fünfstelligen Betrag leichter. Aber sie können sicher sein, ihrer Tochter einen einzigartigen Geburtstag geschenkt zu haben.

50.000 Euro und mehr

Genau darum geht es mittlerweile vielen Eltern, die es sich leisten können. Auch wenn Irrwitzigkeiten wie jenes Alice im Wunderland-Remake für eine Achtjährige in Österreich noch die Ausnahme sind, ist ein Trend zu aufwendigen, von Profis organisierten Partys zu beobachten. Kindergeburtstag? Das war gestern. Heute eher Megaevent, das sich auch kostenmäßig nicht vor einer Hochzeit verstecken muss. Und es sind längst nicht mehr nur die Kardashians dieser Welt, die bei den Kindern in Sachen Party alles geben: aufwendige Dekos, riesige Hüpfburgen, Kinderanimation, dreistöckige Torten oder Lichtershows gehören auch in Wien bei manchen Eltern schon zum Standard.

Kim Kardashian ist für viele auch in Sachen Kinderpartys ein Vorbild.
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"Die Leute sehen die bombastischen Kindergeburtstagsfeiern auf Social Media und wollen das auch", sagt eine Partyplanerin, die lieber anonym bleiben will und von genau solchen Inszenierungen lebt. Wer sie bucht, sollte früh wissen, wann die Feier sein soll. Der Terminkalender der Partyplanerin ist ziemlich voll. An jedem ihrer Events sind mehrere Dienstleister beteiligt. Manche Eltern fragen nur einen Zauberer für zwei Stunden an, andere lassen alles planen: Location, Dekoration, Shows, Essen. Ihr Beratungshonorar beginnt bei 175 Euro. Die Kindergeburtstage, die sie organisiert, kosten teilweise 50.000 Euro, einige sogar mehr. Manche dieser Feiern sind riesig mit hunderten Gästen, andere feiern nur zu dritt – die Eltern und das Kind. Das muss nicht heißen, dass die Party deswegen billiger ist.

TikTok-Stars zu Gast

Zum Geburtstag des Nachwuchses werden alle Wünsche erfüllt. "Es gibt Eltern, die lassen Tiktok-Stars einfliegen oder die Lieblingsband der Kinder auftreten", sagt die Partyplanerin. Andere wollen einen Freizeitpark mitten im Garten, eine Show mit Akrobaten, ein Feuerwerk.

Natürlich muss es immer ein Thema geben. "Am beliebtesten sind derzeit Alice im Wunderland, Paw Patrol, Super Mario und weiterhin Elsa." Es gibt aber auch Eltern, die ganz eigene Ideen haben. Die etwa ein Buch als Vorlage für die Party verwenden. Die Unternehmerin kümmert sich dann um die Location, sie bucht Schauspieler, plant Shows, engagiert eine Dekorateurin und Profifotografin, lässt die passende Torte backen. Sie selbst ist häufig vor Ort. Passend zum Motto verkleidet, begleitet sie die Kinder durch den Tag, passt auf, dass alles glattläuft.

Doch nicht nur Superreiche engagieren Profis für den Kindergeburtstag. Erst vergangenen Monat hat Leon seinen siebten Geburtstag in Wien gefeiert. Die Party fand wie immer zu Hause im Garten statt. Das Motto: Harry Potter. Eingeladen waren 80 Gäste, darunter 42 Kinder. Leons Mama kümmerte sich um die Dekoration und das Essen (Würstel, Minipizza, Salat), die Animateure für die Feier kamen von einer Agentur. "Ich bin nicht bereit, hunderte oder tausende Euros für Deko auszugeben. Aber ich zahle gerne für Profis, die tagsüber die Kinder bespaßen", sagt Leons Mutter, eine 34-jährige Wienerin. Dieses Jahr gab es eine professionelle Zaubershow, Experimente, Papierdisco. "Papierdisco ist bei den Kindern gerade der absolute Renner", sagt die Mutter. Dabei werden bunte Papierschnipsel in unterschiedlichen Größen in einen Raum gepustet. Die Kinder können damit spielen, sich darin eingraben, damit werfen. "Total populär", bestätigt auch die Wiener Partyplanerin. Sie bekommt laufend Anfragen dazu. Kostenpunkt: 300 Euro. Inkludiert sind Konfetti, Musik, Luftmaschine. Nach etwa dreißig Minuten ist der Spaß vorbei.

Bei Leons Geburtstag ist alles genau geplant, sogar der zeitliche Ablauf. Den hat der Vater penibel in einer Excel-Tabelle eingetragen. Die Grobfassung: 15 Uhr Zaubershow, 15.30 Uhr Torte, 16.00 Uhr Geschenke, 17.00 Harry-Potter-Experimente, 18.00 Lagerfeuer und Essen, 19.00 Papierdisco, 19.30 Uhr Abschied und Goodie-Bags. Weil: "Goodie-Bags sind natürlich ein Must." Das sagt jedenfalls Leons Mutter. Jedes Kind bekommt zum Abschied einen Schlüsselanhänger, einen Stift, einige Tattoos, Süßigkeiten – hübsch eingepackt in Harry-Potter-Säckchen.

Kleines Mädchen in einem Prinzessinnenkostüm steht vor einer Fotowand mit pinken Luftballons.
Heute muss es bei einer Kindergeburtstagsparty natürlich einen eindrucksvollen Fotostand geben, für die Bilder auf Instagram.
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Origineller, sensationeller, teurer

Fast alle Freunde von Leon feiern ihre Geburtstage so wie er. Manche zu Hause, manche im Zoo, im Museum oder in der Indoor-Spielhalle. Jedenfalls gibt es immer Animateure. Können die Kinder nicht alleine spielen? "Absolute Katastrophe", sagt Leons Mutter. "Dann laufen die Kinder wild durcheinander, machen, was sie wollen, und die Eltern sind total gestresst."

Mittlerweile haben viele Anbieter erkannt, dass sich mit Kindergeburtstagen gutes Geld verdienen lässt. Wer im Netz danach sucht, wird von der Fülle an Angeboten fast erschlagen. Eventagenturen, Freizeitparks, Kinos, Kinderbauernhöfe: Sie alle bieten organisierte Geburtstagsfeiern für Kinder. Inklusive Dekoration, thematisch passender Torte und Animation.

Ein Kindercafé in Wien ist am Wochenende fast immer zu, weil dort eine geschlossene Gesellschaft Geburtstag feiert. Die Partys sind das Kerngeschäft des Cafés geworden. Drei Stunden für maximal 15 Kinder kosten 230 Euro, Himbeersaft inklusive. Die Eltern zahlen ihre Getränke extra, den Kuchen muss man selbst mitbringen. Dafür können sich die Kleinen im Bällebad mit Rutsche, mit Puppen, Bausteinen und Kinderküche austoben, während die Eltern an Tischen sitzen und plaudern.

Klingt eigentlich nett, oder? Und ganz neu ist es auch nicht: Früher saß man schließlich auch bei McDonald’s, das Geburtstagskind hatte eine Papierkrone auf, es gab Happy Meal für alle und eine Ronald-McDonald-Torte. Heute sind Eltern allerdings anspruchsvoller geworden. Jedes Jahr das Gleiche? Und vor allem das Gleiche wie alle anderen Kids? Das geht nicht. Spätestens ab der ersten Klasse Volksschule kommen Eltern in die Bredouille. Dann wird das eigene Kind zu einer spektakulären Party eingeladen, und die weckt Bedürfnisse: "Mama, kriege ich auch eine Elsa zum Geburtstag? Krieg ich auch eine Hüpfburg?"

Gerade am Geburtstag wollen Mama und Papa das Kind nicht enttäuschen, schon gar nicht in ein trauriges Gesicht blicken, während "Happy Birthday" gesungen wird. Am Ende, so meinen viele Eltern, bleibe ihnen nichts anderes übrig. Sie machen den Wahnsinn um Kindergeburtstage mit – wie alle anderen Eltern auch.

Eltern entlasten

Lisa Funacian weiß, wie stressig das für Eltern sein kann. Wie sehr es Eltern unter Druck setzt. Sind sie berufstätig, bleibt oft nicht die Zeit, ein Wahnsinnsfest auf die Beine zu stellen. Sie hat das vor einigen Jahren bei ihrer Schwester mitbekommen: "Meine Neffen haben sich eine Feier gewünscht, aber keiner hatte Zeit, etwas zu organisieren." Ihre berufstätige Schwester plagte das schlechte Gewissen, doch sie hatte Glück. Lisa sprang für sie ein. Sie mietete einen Raum, bastelte Dekorationen, organisierte eine Torte und spielte vor Ort mit den Kindern. Auf der Party wurde sie von verzweifelten Eltern angesprochen.

Paw Patrol ist bei den Kindergeburtstagen, die Lisa Funacian plant, ein sehr beliebtes Motto.
instagram/kinderpartystressfrei

Mittlerweile organisiert die gelernte Kindergartenpädagogin unter dem Namen "Kinderparty stressfrei" etwa 40 Geburtstage pro Jahr. Wenn sie als Animateurin für Geburtstagsfeiern engagiert wird, sind es zumeist die einfachen Spiele, die die Kinder begeistern: "Kinder brauchen keine aufwendigen Escape-Games, keine Feuershow oder Hüpfburg. Sie lieben nach wie vor Topfschlagen, Stopptanz oder Schnitzeljagd."

Ein Motto muss aber immer her: Dinosaurier, Piraten, Einhorn oder Superhelden. Funacian hat eine große Auswahl an Themen, die Pakete kosten zwischen 295 und 420 Euro. Das nehmen viele Eltern in Kauf, wenn sie dafür keine zusätzliche Arbeit haben. Meist sind es die Mütter, die organisieren, die alles vorbereiten und die Kinder vor Ort bespaßen. Einen Teil dieser Mental Load von einem Profi abnehmen lassen? Die Mütter zumindest hier entlasten? Warum eigentlich nicht.