Colalimonade wird in  Gläser mit Eis eingefüllt
Der Süßstoff Aspartam findet sich vor allem in Light-Limonaden. Gegen den Durst sollte man aber ohnehin Wasser oder ungesüßten Tee trinken. Gesüßte Getränke sollten die Ausnahme sein.
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Ein Aufschrei ging durch die Medien- und die Konsumentenwelt: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will den Süßstoff Aspartam als "möglicherweise krebserregend" einstufen. Nun wurde diese Neubewertung offiziell kommuniziert. Gleichzeitig wurde die zulässige Tagesdosis Aspartam mit 40 Milligramm pro Kilo Körpergewicht vom WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) bestätigt. Was bedeutet das konkret?

Aspartam, das bei der Angabe der Inhaltsstoffe zumeist als Zusatzstoff E951 zu finden ist, ist in unzähligen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten, vor allem in Light-Limonaden. Aber auch in Süßspeisen und sogar in Medikamenten ist es zu finden.

Dass der Süßstoff krebserregend wirken soll, wird schon seit Jahrzehnten diskutiert. Die Studienlage ist jedoch alles andere als eindeutig. Es gibt mehrere Übersichtsstudien zum Krebsrisiko von künstlichen Süßstoffen. Davon konnten viele keinen signifikanten Zusammenhang herstellen. Doch in einer 2022 publizierten französischen Studie, für die über 100.000 Erwachsene zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt worden waren, ergab sich ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Konsum von künstlichen Süßungsmitteln, einschließlich Aspartam, und einem leicht erhöhten Krebsrisiko.

Korrelation, keine Kausalität

Aber auch diese Studie konnte keinen direkten kausalen Zusammenhang zwischen dem Konsum künstlicher Süßungsmittel und Krebs nachweisen. "Es ist zum Beispiel nicht klar, ob ein erhöhter Süßstoffkonsum im Zusammenhang steht mit einer insgesamt ungesünderen Lebensweise. Die gleiche Studiengruppe kommt im Übrigen bei der untersuchten Kohorte zu einem erhöhten Krebsrisiko im Zusammenhang mit Zuckerkonsum", sagen Bettina Wölnerhanssen und Anne Christin Meyer-Gerspach vom St.-Clara-Spital in der Schweiz. Die Klinik hat eine metabole Forschungsabteilung, die Wissenschafterinnen leiten sie gemeinsam.

Für Jürgen König, Leiter des Departements für Ernährungswissenschaften an der Uni Wien, kam die Neubewertung von Aspartam daher sehr überraschend. "Aufgrund der Studienlage halte ich die derzeit festgelegten Tageshöchstdosen weiter für gerechtfertigt." Um diese zu erreichen, muss ein erwachsener Mensch immerhin zumindest neun Dosen Diätlimo täglich trinken – für viele unrealistisch. Und König betont: "Sieht man sich andere ähnliche Einschätzungen durch die WHO und deren Auswirkungen an, gehe ich davon aus, dass sich das Konsumverhalten der Menschen deshalb eher minimal ändern wird."

Strategische Einschätzung

"Wahrscheinlich möchte die WHO ein Zeichen setzen und Menschen animieren, möglichst Wasser und ungesüßte Tees statt gesüßter Getränke zu trinken", sagen Wölnerhanssen und Meyer-Gerspach. "Die neue Klassifikation soll zudem motivieren, mehr Studien zu dieser Substanz durchzuführen." Das beurteilen die Expertinnen positiv. Gleichzeitig könne so eine Klassifikation durchaus auch problematisch sein. Sie könnte Konsumentinnen und Konsumenten unnötigerweise dazu verleiten, mehr Zucker zu konsumieren, anstatt zuckerfreie oder zuckerarme Alternativen zu wählen.

Der Internationale Süßstoffverband (ISA), Lobby der Hersteller, geht jedenfalls in Stellung. In einem Statement teilt der Verband mit, "ernsthaft darüber besorgt zu sein", dass die Spekulationen die Verbraucher über die Sicherheit von Aspartam täuschen könnten.

Verwunderlich ist das nicht. Laut aktuellen Statistiken soll der Umsatz der Süßstoffindustrie 2023 rund 163 Milliarden Euro betragen. Bis 2028 sollte das Marktvolumen auf 248,40 Milliarden Euro gesteigert werden. "Kommt es zu einer Einschränkung, können diese Ziele wohl nicht erreicht werden", sagt Ernährungswissenschafterin Yasmin Eder dazu. Und sie setzt nach: "Unserer Gesundheit würde es aber sicher guttun." (Pia Kruckenhauser, 15.7.2023)