Digitale Nomaden in einem Café mit Blick über Mexico City
Mexico City ist zu einem Hotspot für digitale Nomaden aus den USA geworden.
APA/REUTERS/Raquel Cunha

Ob in den Bergen oder am Strand: Nicht nur in den eigenen vier Wänden wird seit der Pandemie vermehrt gearbeitet. Immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen Homeoffice und Urlaube verbinden oder gar für längere Zeit im Ausland arbeiten.

Das belegt auch die "Flexible Working"-Studie von Deloitte Österreich aus dem Vorjahr. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Wien und Graz analysierte das Beratungsunternehmen die Verbreitung flexibler Arbeitsmodelle in der heimischen Unternehmenslandschaft. Im vergangenen Jahr nahmen knapp 600 Firmen teil. In 73 Prozent der befragten Unternehmen werden sogenannte Workations – aus dem englischen "work" für Arbeit und "vacation" für Urlaub – von Kandidatinnen und Bewerbern verstärkt nachgefragt.

Viele Firmen, die sich mit Remote Work angefreundet haben, wollen deshalb den Wünschen ihrer Belegschaft entsprechen und bieten dies nun auch abseits von Homeoffice an. Was für einige Beschäftigte neue Welten eröffnet, machen andere schon lange, reisen und arbeiten als sogenannte digitale Nomaden rund um den Globus. Obwohl die technischen Voraussetzungen für Fernarbeit schon länger vorhanden sind, brachte erst Corona den Boom. Mittlerweile gibt es schätzungsweise 35 Millionen digitale Nomaden auf der ganzen Welt.

Ab in den Süden

Besonders beliebt sind südliche Länder, denn viele locken nicht nur mit angenehmem Klima, sondern auch mit günstigen Lebenshaltungskosten. Weit oben auf der Liste der beliebtesten Destinationen zum Leben und Arbeiten im Ausland ist Mexiko. Im aktuellen Expat-Ranking des Netzwerks Internations konnte sich der Staat zwischen den USA und Mittelamerika sogar den ersten Platz unter 53 Ländern weltweit sichern.

Die Hauptstadt Mexiko-Stadt wird von US-amerikanischen Remote Workern regelrecht überflutet. In angesagten Stadtvierteln wie Condesa oder Roma müssen die kleinen Geschäfte der Einheimischen nun immer öfter hippen Cafés und Yogastudios weichen, Wohnungen werden teurer über Buchungsportale wie Airbnb vermietet. Dagegen regt sich Widerstand: Im Vorjahr kam es zu Protesten von Einheimischen. Ein Symbol dafür ist die weiß gekleidete Statue mit betenden Händen und Cowboyhut, Santa Mari La Juaricua – die Schutzpatronin gegen Gentrifizierung.

Die Künstlerin Sandra Valenzuela trägt die Statue Santa Mari La Juaricua – die Schutzpatronin gegen Gentrifizierung.
Die Heilige Santa Mari La Juaricua soll die Mieterinnen und Mieter vor hohen Preisen schützen.
APA/REUTERS/Edgard Garrido

Als Hotspot in Europa hat sich seit der Pandemie Lissabon entwickelt, bis zu 19.000 Remote Worker sollen dort inzwischen leben. Im spanischen Malaga soll bald ein zweites Silicon Valley an der Costa del Sol entstehen. Im Expat-Ranking liegt Portugal heuer auf Rang zehn, auf der Nomad-List – einem Städte-Ranking für digitale Nomaden – belegte die portugiesische Hauptstadt im Vorjahr sogar den ersten Platz. Doch mit den mobilen Fachkräften kommt auch einkommensstarke Kundschaft ins Land, die die Preise in die Höhe treibt. Im Frühjahr kam es in Portugal zu Massenprotesten gegen die steigenden Mietenkosten.

Rechtliche Lage

Schuld seien vor allem laxe Visa-Regelungen und Steuererleichterungen für Expats, die den Ansturm auf die Städte begünstigen. Die Regierungen erhoffen sich dadurch mehr ausländische Direktinvestitionen – zum Ärger der weniger zahlungskräftigen Bevölkerung. Hinzu kommt die Sorge, dass mit der Verbreitung der "Work from everywhere"-Kultur neokoloniale Verhältnisse entstehen könnten – wenn etwa ausländische Fachkräfte im Coworking-Space auf Bali arbeiten, während die Einheimischen schlecht bezahlten Servicejobs nachgehen. Zudem wurde auch der Vorwurf laut, dass sich Remote Worker häufig der lokalen Kultur und Bevölkerung gegenüber ignorant verhielten – Hauptsache, das Leben im Ausland ist Instagram-tauglich.

Einem vermehrten Remote-Arbeiten dürfte der Unmut der Einheimischen so bald aber nicht entgegenstehen. Die Autorinnen und Autoren der Deloitte-Studie gehen sogar davon aus, dass dies durch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeit weiter wachsen und an Bedeutung gewinnen wird. Neben den Vorteilen für Unternehmen zur Steigerung der Attraktivität und der Arbeitsmotivation der Mitarbeitenden, sorgt die noch unklare rechtliche Situation für mobiles Arbeiten außerhalb der eigenen vier Wände aber noch für Unsicherheit. Das könnte den Trend zumindest hierzulande noch etwas verlangsamen. (dang, 15.7.2023)