Der Name des Gremiums ist nicht rasend sexy und eher sperrig, seine Aufgaben sind, dessen ungeachtet, von einiger Bedeutung. Und in jüngster Zeit war das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) rund um die Debatten über die Vergabe von Wohnimmokrediten immer wieder Thema, wenn auch meist indirekt.

Das FMSG wurde 2014 beim Finanzministerium zur Stärkung der Finanzmarktstabilität eingerichtet. Seine zentrale Aufgabe ist, herandräuende Unebenheiten und Risiken auf dem Finanzmarkt zu erkennen und Empfehlungen und Aufforderungen auszusprechen, die Gefahren entgegenwirken sollen. Auch Gutachten erstellen die zwölf Mitglieder (inklusive Vorsitzendem) des Gremiums, zudem berät es, wie mit Vorgaben und Empfehlungen umzugehen ist, die Österreich vom Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board; ESRB) bekommt. FMSG-Empfehlungen sind bindend, die Aufsichtsbehörde FMA ist dazu verpflichtet, sie in Verordnungen zu gießen.

Eine Illustration zeigt ein aufgebrochenes Sicherheitsschloss und die Zahl 12
Von zwölf Personen, die im Gremium Sitz und Stimme haben, fehlen derzeit neun. Beschlussfähig ist das FMSG nicht.
Foto: Getty/I-Stock, Illustration: Fatih Aydogdu

Protest gegen Verschärfungen

So geschehen bei der KIM-Verordnung (KIM-VO), in deren Rahmen den Banken strengere Vorgaben bei der Vergabe von Wohnimmokrediten vorgeschrieben wurden. Unterschrieben hat diese Verordnung, die auch einen Begutachtungsprozess durchlaufen hat, letztlich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

Banken und auch ÖVP-Politikerinnen wie Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) laufen Sturm gegen die Vorgaben, auch der Finanzminister plädiert für eine erneute Aufweichung; im April war es bereits zu einer solchen gekommen. Dem weisungsfreien FMSG könne er dabei aber nicht dreinreden, meinte er jüngst. Brunner im Kurier: "In dem entscheidenden Finanzmarktstabilitätsgremium sitzen unabhängige Experten und nicht weisungsgebundene Beamte. Ich kann da also keinen Druck ausüben."

Neun von zwölf Mitgliedern fehlen

Was er nicht dazugesagt hat: Das Gremium ist derzeit nur in Spurenelementen vorhanden – und vor allem: gar nicht beschlussfähig. Nur die Mandate des Vizegouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Gottfried Haber, des FMA-Vorstandsmitglieds Eduard Müller und des Vorsitzenden des Fiskalrats, Christoph Badelt, sind aufrecht – alle anderen Mandate sind am 6. Juli ausgelaufen.

Wer dafür verantwortlich ist? Die Regierung, die die FMSG-Mitglieder auf Vorschlag des Finanzministeriums für je drei Jahre zu bestellen hat, wie im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) fixiert.

Der Finanzminister und die schwarz-grüne Koalitionsregierung haben es aber verabsäumt, rechtzeitig vor der Sommerpause des Parlaments aktiv zu werden – und so kam es, dass das Gremium seit 7. Juli nur mit drei einfachen Mitgliedern statt mit einem Vorsitzenden und elf einfachen Mitgliedern ausgestattet ist. Haber und Müller wurden im März vom Ministerrat bestellt, ihre Mandate liefen unterjährig aus. Und der Vorsitzende des Fiskalrats ist gemäß Gesetz automatisch Mitglied des FMSG, Badelts Mandat läuft bis Herbst 2025.

Finanzminister Magnus Brunner von der ÖVP auf einem Porträtfoto
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) muss neun Personen vorschlagen, damit das Stabilitätsgremium wieder komplett ist.
APA/Georg Hochmuth

OeNB und FMA entsenden jeweils ein Mitglied und einen Stellvertreter, das Finanzministerium stellt den Vorsitzenden, seinen Vize und zwei Mitglieder, der Fiskalrat vier Mitglieder. FMSG-Vorsitzender war bis vor kurzem Alfred Lejsek, der im Finanzministerium die Gruppe "Finanzmärkte" leitet und auch dem FMA-Aufsichtsrat vorsitzt. Sein Vize ist der Leiter der Abteilung Allgemeine Wirtschaftspolitik. Von der FMA war Vorstandsmitglied Helmut Ettl stellvertretendes Mitglied und für die OeNB der Direktor der Hauptabteilung Finanzmarktstabilität und Bankenprüfung.

Badelt ortet "populistisches Theater"

Mindestens viermal pro Jahr müssen die Stabilitätswächter tagen, heuer gab’s drei Sitzungen. Bei jener am 13. Februar kam es zur bereits erwähnten Aufweichung der Vorgaben für Wohnimmokredite. Das Gremium sah die Notwendigkeit der KIM-VO zwar als "bestätigt" an, ihre "Weiterentwicklung" sei aber sinnvoll – weswegen es der FMA eine "Anpassung" empfahl, die dann in der Novellierung der Verordnung mündete.

Auch in der Sitzung am 28. Juni waren die Wohnimmobilienfinanzierungen wieder Thema. Von einer etwaigen weiteren Aufweichung der KIM-Verordnung war da aber nicht die Rede: Die Maßnahmen seien "notwendig, um die nachhaltigen VergabeStandards bei den Banken sicherzustellen", zudem erinnerte das Gremium angesichts der steigenden Vergabe von Krediten mit variablen Zinsen an seine bisherigen Leitlinien. Nach einer erneuten "Lockerung der strengen Verordnung", wie sie sich Brunner wünscht, klingt das nicht. FMSG-Mitglied und Fiskalratschef Badelt ordnet die derzeitige Debatte als "ärgerliches populistisches Theater ein", die KIM-VO sei "grundvernünftig".

Blockade bis auf weiteres

Der Weg, über das FMSG zu einer neuen Verordnung zu kommen, ist nun mangels Beschlussfähigkeit des rudimentär vorhandenen Gremiums aber sowieso blockiert. Der Minister muss erst Vorschläge für die Bestellung durch den Ministerrat machen, und der tritt nach dem Sommerministerrat erst wieder nach den Ferien zusammen. Und das FMSG hat seine nächste Sitzung erst für den 2. Oktober anberaumt.

Und was sagt das Finanzministerium zur Vakanz? "Ziel der Bundesregierung ist, bis zu diesem Termin alle notwendigen Nachbesetzungen vorzunehmen." (Renate Graber, 24.7.2023)