Modernes Büro mit verschwommenen Personen in Bewegung
Stellt die Debatte rund um Leistung Unternehmen vor neue Herausforderungen?
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Viertagewoche, Quiet Quitting und Bare-Minimum-Monday: Immer wieder dominieren Trends mit Fokus auf weniger Arbeit die sozialen Medien. Auf der einen Seite wird vor allem der jungen Generation nun vorgeworfen, keine Leistung mehr bringen zu wollen. Auf der anderen Seite herrscht die Auffassung, diese würde sich ohnehin nicht mehr lohnen.

Stellt die Debatte rund um Leistung Unternehmen vor neue Herausforderungen? Darüber diskutieren im Rahmen eines Round Table im STANDARD Martin Hagleitner, Geschäftsführer des Herstellers von Warmwasser- und Heizsystemen Austria Email, Elke Berger, Bereichsleiterin Human Ressources bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, Sander Van de Rijdt, Co-Gründer der Immobilienplattform Planradar, Alfred Berger, CEO im Beraterhaus Kienbaum, und Andrea Domberger, Geschäftsführerin bei Miba Gleitlager.

Hohe Leistungsbereitschaft

Dass die Beschäftigten insgesamt weniger arbeiten möchten und nurmehr auf ihre Work-Life-Balance bedacht sind, könne Domberger nicht bestätigen. "Das Wachstum in den letzten beiden Jahren wäre ohne den Einsatz aller Beschäftigten nicht möglich gewesen", sagt sie. Vor allem unter den Arbeitern im Schichtbetrieb sei die Bereitschaft, Überstunden zu machen, in der Phase des Personalaufbaus besonders groß gewesen.

Fünf Unternehmensvertreter:innen sitzen an einem Tisch zur Diskussion
Im STANDARD diskutierten (von links) Martin Hagleitner (Austria Email AG), Elke Berger (Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien), Sander Van de Rijdt (Planradar), Alfred Berger (Kienbaum) und Andrea Domberger (Miba Gleitlager) mit Karriere-Redakteurin Anika Dang.
Regine Hendrich

Van de Rijdt berichtet zudem von einer hohen Leistungsbereitschaft unter den Jungen. In seiner Firma liege der Altersdurchschnitt unter 40 Jahren. "Bei uns haben alle einen All-in-Vertrag, weil wir keine Stunden zählen." Man begegne sich auf Augenhöhe, weil nur das Ergebnis – der Output – zähle. Statt ausschließlich auf monetäre Anreize setze seine Firma auf neue Arbeitsmodelle wie Workations oder die Möglichkeit, von jedem Unternehmensstandort aus auch langfristig zu arbeiten – von Stockholm bis Dubai. Ein gutes Gehalt sei ohnehin selbstverständlich.

"Ich möchte eine Lanze für alle Generationen brechen", sagt Elke Berger. Sie beobachte, dass Personen jeder Altersgruppe bereit seien, "Höchstleistungen zu erbringen", und sei überzeugt, "dass jeder Mensch nach einem erfolgreichen Tag zufrieden nach Hause gehen möchte". Was einen solchen Tag ausmache, unterscheide sich aber von Person zu Person: "Nicht jeder Deckel passt auf jeden Topf", ergänzt sie. Das berücksichtige die HR-Expertin vor allem in der Ansprache neuer Mitarbeitender. Alfred Berger ortet ebenfalls eine Abkehr vom Kollektiv hin zur Individualisierung im Job. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse im Team einzugehen sei aber nicht erst jetzt die Aufgabe von guter Führung.

Rechtlicher Rahmen

Laut Hagleitner ist eine der wichtigsten Aufgabe jedoch, sich zu überlegen, wie mehr geleistet werden könne, ohne den Druck zu steigern. Als zentral sieht er dafür mehr Flexibilität: "Nicht jedes Modell passt in jeder Lebensphase", sagt er. Außerhalb der Kernarbeitszeiten zu arbeiten könne beispielsweise Vorteile für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bringen. "Oder Überstunden könnten steuerfrei sein. Das sind lauter kleine Schrauben, an denen noch gedreht werden kann", erklärt er. Aktuell würden Beschäftigte, die mehr arbeiten wollen, gebremst werden.

Das bestätigt auch der Rest der Runde. Der gesetzliche Rahmen sei ihrer Ansicht nach vielfach nicht mehr mit der modernen Arbeitswelt vereinbar. "Das stammt noch aus einer Zeit als die Arbeitsbedingungen, die Lebensumstände und auch die Lebenserwartung ganz andere waren", sagt Hagleitner. Heute sei es beispielsweise nicht mehr notwendig, dass Beschäftigte rechtzeitig in Pension gehen, um Platz für die Jungen zu machen. Das "strenge Korsett" Arbeitsrecht würde Individualität einschränken und den Beschäftigten mehr schaden als nutzen. Ein weiteres Beispiel für gesetzlich beschlossene Leistungsfeindlichkeit sei der Teuerungsbonus: "Dass alle im Unternehmen einen Bonus in gleicher Höhe bekommen – unabhängig von der Leistung –, ist absurd", sagt Van de Rijdt.

Sinn im Job

Ein Problem mit der Leistungsbereitschaft verorte man unter den Beschäftigten also nicht. Man müsse die Mitarbeitenden jedoch anders ansprechen und motivieren. Entscheidend sei die Sinnvermittlung – der Purpose – im Job. "Wenn man weiß, was mit der eigenen Arbeit bewirkt werden kann, ändert sich auch die Einstellung zum Beruf", ist Domberger überzeugt.

Leere Versprechen darf man laut Alfred Berger aber keine machen: "Wichtig ist eine gewisse Ernsthaftigkeit des Unternehmenszwecks. Denn nur dann kann man die richtigen Leute anziehen." Manchmal sind Firmen laut ihm auch zu zaghaft, sich von Beschäftigten zu trennen, die nicht "in das neue Narrativ passen". Ohne motivierte Mitarbeitende komme eine Firma nicht weit – darüber herrscht nicht nur Einigkeit in der Runde, auch viele Arbeitende wissen das. Und das zeigt sich immer öfter an den Forderungen, die sie nun an die Unternehmen stellen. (Anika Dang, 29.7.2023)