Birgit Baumann aus Berlin

Die vergangene Woche war für Friedrich Merz nicht schön. Und das Wochenende brachte auch nicht unbedingt Erhellung. Zu verdanken allerdings hat sich das der CDU-Partei- und -Fraktionschef zunächst selbst.

Schließlich hatte er mit seiner Aussage, dass die CDU auf kommunaler Ebene Kooperationen mit der AfD nicht ausschließen könne, für enormen Wirbel in der eigenen Partei gesorgt. Viele distanzierten sich so laut und deutlich, dass Merz bereits einen Tag später wieder zurückrudern musste und klarstellte, dass nach wie vor der Beschluss des CDU-Parteitages aus dem Jahr 2018 gelte: Die CDU kooperiert auf keiner Ebene mit der AfD.

Friedrich Merz und Markus Söder
Friedrich Merz (links) beim Handschlag mit Markus Söder. Der sieht seinen Platz in Bayern. Aber wenn die CSU bei der Landtagswahl im Oktober gut abscheidet, dann könnte Söder noch einmal an Berlin denken.
IMAGO/Chris Emil Janßen

Jetzt veröffentlichte die Bild am Sonntag (BamS) eine neue Insa-Umfrage. Diese sieht Merz im Rennen um die Kanzlerkandidatur weit abgeschlagen. Nur 14 Prozent der Deutschen halten ihn für geeignet.

Besser fänden sie es, wenn der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), antritt. Für ihn sprechen sich 26 Prozent aus. Zwar nur knapp davor, aber mit 27 Prozent Zustimmung auf Platz eins: Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.

Noch deutlicher ist der Abstand innerhalb der Union. Laut Befragung von Wählerinnen und Wählern erhielt Söder 38 Prozent Zustimmung, gefolgt von Wüst mit 29 Prozent. Merz schaffte auch hier nur Platz drei, und zwar mit 20 Prozent.

Erstes Zugriffsrecht, aber...

Noch hat Merz ja seinen Hut nicht in den Ring geworfen. Zwar hat er als Chef der größeren Schwesterpartei CDU das erste Zugriffsrecht. Doch er will die Angelegenheit ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl mit Söder klären. Das wäre dann 2024. Regulär findet die nächste Bundestagswahl im Herbst des Jahres 2025 statt.

Doch nach dem Debakel mit den AfD-Aussagen wird Merz’ Eignung innerhalb der Union bereits jetzt infrage gestellt. Nach dem gewaltigen AfD-Fauxpas sind sich viele nicht mehr sicher, ob Merz daran denken soll, ins Rennen zu gehen. So mancher sagt das auch offen.

So etwa erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Christian Gräff, im Tagesspiegel: "Für mich ist Friedrich Merz eine fast schon tragische Figur. Er hat, bei allen Talenten, leider oft kein Gespür für die richtigen Themen, schon gar nicht den richtigen Zeitpunkt. Doch genau dieses Gespür wird die CDU brauchen. Deshalb ist Merz nicht als Kanzlerkandidat der Union geeignet."

Auch vom ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes, Tobias Hans (CDU), kommt kein freundlicher Befund. Er meint im Stern: "Mittlerweile muss man vor jedem Sommerinterview zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt. Ich möchte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein von der CDU gestellter Bundeskanzler solche Sorgen hervorruft."

Nicht der erste Schnitzer

Doch es ist nicht nur der jüngste Versuch der Annäherung an die AfD, der viele an Merz zweifeln lässt. Ihm sind seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden im Jänner 2022 ein paar Schnitzer unterlaufen, die in seiner Partei durchaus als schwere Fehler klassifiziert werden.

Er bezeichnete Buben aus Familien mit Migrationshintergrund als "kleine Paschas" und sprach im Zusammenhang mit Geflüchteten aus der Ukraine von "Sozialtourismus". Das bedauerte er später. Aber viele meinten, er hätte den Begriff lieber gar nicht erst verwenden sollen, da Stimmungsmache auf dem Rücken von Ukrainerinnen und Ukrainern nicht gerade anständig sei.

Nicht gut kam vor allem bei Wüst und beim Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), Merz’ Ansage an, dass die Grünen die Hauptgegner der Union seien. Wüst und Günther koalieren in ihren Ländern mit den Grünen.

"In Schleswig-Holstein arbeiten wir hervorragend mit unserem grünen Koalitionspartner zusammen", konterte Günther prompt.

Grüne als Hauptgegner

Auch andere schüttelten den Kopf. Denn die CDU sitzt auch noch in Hessen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg mit der Ökopartei in einer Regierung. Viele sehen eigentlich die AfD als Hauptgegner – und nicht die Grünen.

Dass Merz zudem die Rede der bekannten deutschen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein bei einem CDU-Konvent als "brillant" bezeichnete, gefiel auch vielen nicht. Sie hatte ihre Rede in Polizeiuniform gehalten und erklärt, eine härtere Gangart in der Asylpolitik sei wichtiger als "Debatten" oder "Gendersternchen". Außerdem solle eine Familie aus "Mama und Papa" bestehen.

Eine Kanzlerkandidatur und noch viel mehr dann natürlich der Einzug ins Kanzleramt gilt als Lebenstraum von Friedrich Merz. Skeptiker und Skeptikerinnen führen allerdings auch parteiintern an, dass der heute 67-Jährige bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 dann mit 69 Jahren eigentlich zu alt wäre.

Wüst und Söder warten ab

Zudem hatte Merz noch nie ein Regierungsamt inne, weder in der Bundesregierung noch in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, wo seine politische Heimat ist. Dort ist der deutlich jüngere Wüst nun Ministerpräsident.

Der 48-Jährige wird immer wieder gefragt, ob er Kanzlerkandidat der Union werden wolle. Ein klares Dementi gab es bisher nicht. Unlängst meinte Wüst, seine Aufgabe sei "aktuell" in Nordrhein-Westfalen.

Auch Markus Söder sieht seinen Platz in Bayern. Er hatte ja bei der Kanzlerkandidatur 2021 gegen Armin Laschet den Kürzeren gezogen und danach erklärt: nie wieder Berlin. Aber das nehmen ihm viele nicht ab, die Karten könnten nach der Bayern-Wahl im Herbst neu gemischt werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 31.7.2023)