Birgit Baumann aus Berlin

Tino Chrupalla, Maximilian Krah und Alice Weidel stehen auf der Bühne des Parteitages.
Maximilian Krah (Mitte) ist jetzt auch Nummer eins. Der Sachse wurde zum AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl gekürt. Den Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel gefällt das.
EPA/CLEMENS BILAN

"Jeder dritte junge Mann hatte noch nie eine Freundin." So beginnt das Tiktok-Video von Maximilian Krah. Dann fragt der neue Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl: "Du gehörst dazu?"

Doch es muss nun niemand aus der Zielgruppe traurig sein. Denn Krah hat ein paar gute Tipps, wie das Singledasein beendet werden kann. "Schau keine Pornos. Wähl nicht die Grünen. Geh raus an die frische Luft. (…) Und vor allem, lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft und schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts", trägt er stakkatoartig vor.

Die Häme in den sozialen Medien ist groß. So meint jemand bei Twitter: "Wenn 30 Prozent der Nazis keinen Sex haben, vermehren die sich wenigstens nicht." Ein anderer fragt: "Mensch Herzchen, kann man dir irgendwie helfen?"

Das Video gibt es schon seit einigen Wochen, doch erst jetzt wurde es einem größeren Kreis bekannt, ebenso wie Krah selbst, der übrigens acht Kinder mit drei Frauen hat. Am Wochenende ist er beim Parteitag der AfD in Magdeburg zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl im Juni 2024 gewählt worden. Ein Freund der EU ist der Jurist aus Sachsen, der derzeit schon im EU-Parlament sitzt, nicht. Er will lieber einen "Bund der Vaterländer".

Video: AfD zeigt vermeintliches Bild von ihr vererbtem Goldschatz
AFP

EU-Abschaffung ein "Versehen"

Im Leitantrag zum EU-Programm, über das erst am kommenden Wochenende abgestimmt werden soll, heißt es überhaupt gleich: "Unsere Geduld mit der EU ist erschöpft. Wir streben daher die geordnete Auflösung der EU an und wollen statt ihrer eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen." Doch nun erklärt die Programmkommission, der auch die beiden Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla angehörten, es handle sich um ein "redaktionelles Versehen", man wolle die EU nicht abschaffen.

Weidel betonte auf dem Parteitag, die EU sei schon noch nötig. Denn: "Wir brauchen die Festung Europa zum Schutz unserer Heimat, und das machen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern." Björn Höcke, der Thüringer AfD-Chef und Galionsfigur des ganz rechten Flügels, sagte: "Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann." Höcke kann mit der Listenaufstellung zufrieden sei.

Besorgt ist allerdings nach dem ersten Wochenende des fünftägigen EU-Wahlparteitags der Chef des Amts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Er sagte, das einst noch gemäßigtere Lager innerhalb der AfD spiele auf der Liste so gut wie keine Rolle mehr.

Haldenwang weist auf "rechtsextremistische Verschwörungstheorien" hin, die in Magdeburg verbreitet worden seien, "wie beispielsweise die vom sogenannten Großen Austausch".

Ja zu Pushbacks

So hatte Irmhild Boßdorf, die auf den neunten Listenplatz gewählt wurde, eine "millionenfache Remigration" gefordert und erklärt, mehr als den menschengemachten Klimawandel müssten die Deutschen den "menschengemachten Bevölkerungswandel" fürchten. Ihre Forderung: "Was wir brauchen, sind Pushbacks, egal was der Europäische Gerichtshof dazu sagt."

Die AfD hatte bei der EU-Wahl 2019 elf Prozent erhalten, bei der Bundestagswahl 2021 waren es 10,3 Prozent. In Umfragen liegt sie derzeit bundesweit mit rund 20 Prozent auf Platz zwei hinter der Union – und noch vor der SPD.

Rechtsextremistischer Verdachtsfall

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die gesamte AfD seit März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Amtschef Haldenwang sagt über den Magdeburger Parteitag: "Die bisherige Europawahlversammlung belegt einmal mehr unsere Einschätzung, dass innerhalb der Partei starke verfassungsfeindliche Strömungen bestehen, deren Einfluss weiter zunimmt."

EU-Spitzenkandidat Krah fällt nicht nur mit Dating-Tipps auf. In einem anderen Video fordert er eine "Reservepolizei". Menschen aus Schützenvereinen sollten eine "Polizeiuniform in den Schrank bekommen" und aktiviert werden, "wenn Not am Mann ist". (Birgit Baumann, 31.7.2023)