Mehrere Windräder vor einem Sonnenuntergang.
Beim Ziel sind sich alle einig: Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energie müssen so rasch wie möglich ausgebaut werden. Auf dem Weg dorthin gibt es allerdings einige Hindernisse.
imago/Jochen Tack

Sechs bis zehn Jahre. So lange dauert es, bis in Österreich der Bau von Großanlagen bewilligt wird. Von Umweltschutzauswirkungen zu Lärmemissionen, von Anrainerbedenken zu Konsequenzen für die Verkehrssituation – es gibt jede Menge zu prüfen.

Dass Verfahren derart lange dauern, stellt ein Problem für Wirtschaftsentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit dar, denn expansionswilligen Unternehmen werden Steine in den Weg gelegt – das beklagen gerne Firmenvertreter wie Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKO). Aber nicht nur das ist ein Problem. Ein noch größeres betrifft die Energiewende: Um die Klimaziele zu erreichen und für mehr Unabhängigkeit von russischem Gas braucht es den forcierten Ausbau erneuerbarer Energien oder etwa leistungsstarker Stromleitungen – und ebendieser scheitert oft an den überlangen Verfahren.

Deshalb hat die EU-Kommission im Frühjahr im Rahmen ihres "Net Zero Industry Act" (NZIA) einen Vorschlag vorgelegt, die Dauer zu begrenzen. Stimmen Mitgliedsstaaten und Parlament zu, dann werden sie künftig in ausgewählten Green-Tech-Bereichen nur noch neun bis 18 Monate dauern. Der Vorschlag sieht vor, dass Prüfbehörden vor allem in zwei Bereichen in die Pflicht genommen werden: Einerseits sollen sie rasch das Einlangen von Prüfanträgen bestätigen; andererseits sollen sie schnell feststellen und mitteilen, dass alle erforderlichen Unterlagen eingereicht worden sind. Der Kommissionsvorschlag ist noch in Verhandlung; vieles ist offen.

"Er geht in die richtige Richtung, aber Fristen auf dem Papier gibt es auf nationaler Ebene ebenfalls", sagt IV-Expertin Judith Obermayr-Schreiber, "es müssen jedenfalls Konsequenzen festgelegt werden für den Fall, dass diese Fristen verletzt werden."

Der Blick auf Projekte zeigt: Die lange Verfahrensdauer liegt längst nicht nur daran, dass Behörden Anträge liegenlassen. Es ist eine komplizierte Gemengelage aus Anrainerbeschwerden, Bürgerprotesten, Umweltbedenken, Behördenfehlern und verspäteten Gesetzen, die zur langen Dauer führen. Zumindest bis Inkrafttreten der letzten UVP-Novelle im März bestand darüber hinaus das Problem, dass jeder Akteur im Verfahren zu jedem Zeitpunkt Einwände vorbringen konnte. Drei Fälle aus der Praxis:

Der Windpark Trumau

Blick auf den Windpark Trumau
Mittlerweile ist der Windpark Trumau in Betrieb. Bis dahin hat es aber Jahre gedauert.
Andreas Tischler / Vienna Press

Zwischen planen und umsetzen vergehen bei Grünstromprojekten meist Jahre, auch beim Windpark Trumau. Wien Energie hatte 2012 die Idee, vor den Toren der Bundeshauptstadt, auf dem Gemeindegebiet von Trumau in Niederösterreich, etliche Windräder aufzustellen. Zwei Jahre und viele Untersuchungen später konnte das Projekt zur Genehmigung eingereicht werden. Damit fingen die Probleme aber erst so richtig an.

2014 gab es erste Widerstände, es bildeten sich Bürgerinitiativen gegen das damals größer angelegte Projekt, auch in Nachbargemeinden von Trumau. Wien Energie als Projektwerber machte Abstriche bei Anzahl und Höhe der Anlagen. Sollten ursprünglich bis zu 21 Windräder aufgestellt werden, ging Wien Energie in der Folge auf zwölf und schließlich acht Anlagen zurück.

Damit und weil zugesichert wurde, dass die Windräder eine Nabenhöhe von 100 Metern nicht überschreiten würden, gelang es Wien Energie, die Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen von Trumau um sich zu scharen. In einer Volksbefragung stimmten 64 Prozent für die Errichtung des Windparks. In den benachbarten Gemeinden Münchendorf und Himberg hatten zuvor 66 beziehungsweise 63 Prozent gegen den Bau der damals noch im Gespräch gewesenen größeren Anzahl gestimmt.

Dann kam es zu weiteren Verzögerungen: Das Land Niederösterreich nahm sich zwei Jahre Zeit, um geeignete Zonen für die Windkraft auszuweisen. Über dem Windpark Trumau hing ein Damoklesschwert: Es hätte durchaus sein können, dass das für die Errichtung der Windräder ins Auge gefasste Areal nicht in die Widmungszone für Windkraft fällt. Das ist nicht passiert. Anschließend konnte das Widmungsverfahren beginnen.

2015 wurde das Projekt zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingereicht. Den rechtskräftigen Bescheid gab es im Oktober 2018. Die Förderzusage seitens der Abwicklungsstelle Oemag erfolgte im April 2020. Ein weiteres Jahr nahm dann die europaweite Ausschreibung in Anspruch. Erste Vorarbeiten erfolgten im Oktober 2021. Ende 2022 ging der Windpark zehn Jahre nach Planungsstart ans Netz.

Die Salzburgleitung

Blick auf eine Hochspannungsleitung.
Entlang der Salzburgleitung haben zahlreiche Anrainerinnen und Anrainer ein Wörtchen mitzureden.
imago stock&people

Noch bevor die Austrian Power Grid (APG) im Jahr 2012 ihren offiziellen Antrag stellte, regte sich gegen die 380-kV-Starkstromleitung in Oberösterreich und Salzburg bereits kräftiger Widerstand. Die geplante Leitung, die im Endausbau 174 Kilometer lang sein soll, ist Teil eines Hochspannungsrings durch Österreich und aus Sicht von Expertinnen und Experten für den Ausbau erneuerbarer Energien essenziell: Mehr Windräder, Wasserkraftwerke und Solaranlagen benötigen mittelfristig weitaus größere Kapazitäten im Stromnetz.

Die zahlreichen Anrainerinnen und Anrainer, die an der Trasse wohnen und arbeiten, sind über das Projekt aber alles andere als glücklich: Sie wehrten sich in Einsprüchen nicht nur gegen eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, sondern beschwerten sich auch über die prognostizierte Lärmentwicklung und forderten, dass die Leitung unterirdisch verlegt wird. Die APG, eine Tochter des Stromkonzerns Verbund, lehnte das ab: Eine unterirdische Leitung sei zum Teil technisch nicht möglich und wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Salzburger Landesregierung sah das ähnlich – und erteilte dem Projekt im Dezember 2015 eine Bewilligung.

Von einem Baubeginn konnte damals allerdings noch keine Rede sein: Die Anrainer legten abermals Beschwerde ein; das Verfahren wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) fortgeführt. Erst im Jahr 2019 bestätigte das Gericht die Umweltverträglichkeit des Projekts. Auch eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) konnte daran nichts mehr ändern: Im Herbst 2020 bestätigte das Höchstgericht die Entscheidung, dass eine unterirdische Verkabelung keine geeignete Alternative wäre. An der Hochspannungsleitung bestehe zudem ein besonderes öffentliches Interesse.

Mehr als zehn Jahre nach Antragstellung ist der Bau der Leitung nun in vollem Gang; im Jahr 2025 soll der Strom fließen. Der Fall aus Salzburg zeigt exemplarisch, wie schwierig es ist, den Bau von Hochspannungsleitungen voranzutreiben: Aufgrund der großen örtlichen Ausdehnung der Projekte haben zahllose Anrainerinnen und Anrainer das Recht, sich darüber zu beschweren.

Das Koralm-Kraftwerk

Speicherkraftwerk in Vorarlberg am Lünersee.
Ein Speicherkraftwerk wie hier in Vorarlberg am Lünersee sollte nach den Plänen der Projektwerber längst auch auf der Koralm stehen. Ob es jemals dazu kommt, ist ungewiss.
imago images/CHROMORANGE

Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, sinkt auch die Produktion erneuerbarer Energien. Um Leistungsabfälle auszugleichen, braucht es daher Speicherkraftwerke. Der Bau eines der größten geplanten Vorhaben, des Pumpspeicherkraftwerks an der Koralm, muss aber weiter warten. Das Kraftwerk, das in den österreichischen Hochspannungsring eingegliedert werden soll, darf nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vorerst nicht gebaut werden.

Die Betreiberfirma war bereits im Jahr 2012 gegründet worden. Bei Stromüberschuss soll Wasser nach oben gepumpt und bei Strombedarf über eine Turbine wieder abgelassen werden. Doch mehrere Anrainer und Umweltorganisationen zogen gegen das Projekt ins Feld: Sie befürchten negative Auswirkungen auf Natur und Gewässer. Zudem habe die Europäische Union den geplanten Standort als mögliches Naturschutzgebiet nominiert.

In den letzten zehn Jahren war das Projekt im Zuge der Streitigkeiten bereits mehrfach vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG): Zunächst hatte das Land Steiermark im Jahr 2016 entschieden, dass für das Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich sei. Das BVwG sah das anders und ordnete ein tiefgehendes inhaltliches Verfahren an. Doch auch in diesem inhaltlichen Verfahren erteilte das Gericht den Projektwerbern Anfang Juli 2023 eine Absage.

Gescheitert ist das Projekt laut dem aktuellen Erkenntnis des BVwG aber weniger an Umweltbedenken, sondern eher an einer mangelhaften Prüfung durch Sachverständige der steirischen Landesregierung. So wurde das Gebiet, das von den Umweltauswirkungen betroffen ist, etwa unvollständig gemeldet. Auch die "Erhaltungsziele" sind laut dem BVwG unvollständig definiert worden.

Zwar haben die Projektwerber noch die Möglichkeit, mit einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu ziehen. Dort stehen die Chancen aber eher schlecht. Soll das Pumpspeicherkraftwerk doch noch gebaut werden, müssen sie mit einem neuen Antrag zurück an den Start. (Joseph Gepp, Jakob Pflügl, Günther Strobl, 10.8.2023)