Stefan H. hat erst vor einem Monat bei seinem neuen Arbeitgeber begonnen – und möchte eigentlich gerne wieder weg, in den Urlaub. Er hat sich seinen Campervan gemütlich eingerichtet und will nicht auf einen Trip nach Italien verzichten. Seine Lösung? Er arbeitet aus dem Homeoffice unterwegs und sagt es seinem Chef nicht. Bei Videomeetings dreht er die Kamera nicht auf oder stellt einen virtuellen Hintergrund ein.

So kann er reisen und den Spätsommer genießen, gleichzeitig arbeitet er wie immer im Geschäft mit Wärmepumpen und plant remote, wo welche Geräte eingebaut werden müssen. Weil er keine Probleme mit seinem Unternehmen bekommen möchte, will er anonym bleiben, Stefan H. heißt eigentlich anders. "Solange es die gleiche Zeitzone ist, sollte das niemand herausbekommen", verrät er dem STANDARD. "Ich mache natürlich ganz normal meine Arbeit."

Frau mit Sonnenhut sitzt mit Laptop auf einer Strandliege mit Blick aufs Meer
Virtueller Hintergrund oder echt? Beschäftigte, die einen sogenannten Hush-Trip unternehmen, wollen nicht erwischt werden.
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Genau genommen unternimmt H. einen Hush-Trip. So nennt man den Trend, auf Reisen zu gehen, während man angibt, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Die "Täterinnen und Täter" klären dies dabei nicht mit ihren Arbeitgebern ab. DER STANDARD hat noch mit weiteren Menschen gesprochen, die zugeben, im Homeoffice manchmal nicht wirklich zu Hause zu sein.

Da ist das Paar aus Wien, wo er und sie beide in IT-Unternehmen arbeiten, welches seinen Geburtstag in Kroatien feiern wollte und sich dort ein verlängertes Wochenende genommen hat. Beide erledigten ihre Arbeit remote auf dem Laptop. Ein Angestellter, ebenfalls aus Wien, machte hingegen einen Kurztrip nach Prag, einen Tag davon arbeitete er am Laptop und den anderen Tag nahm er spontan frei. Oder Tech-Arbeiterin Jana (Name geändert), die in Flügen oder bei privaten Terminen aus dem Home Office ein mobiles Office macht. "Mir ist es einfach unangenehm, immer öfter wegen kurzen Zeiten zu fragen, die ich frei bekommen möchte", erzählt sie. Die gesammelten Gründe der Beschäftigten sind nicht zuletzt: keine Urlaubstage verschwenden, spontan sein können, die Vorteile der flexiblen Arbeitsbedingungen nutzen.

Nicht getraut, etwas zu sagen

In Zeiten von Zoom, Teams, Google Meets und Co ist eine Schwindelei, was den Aufenthaltsort betrifft, gar nicht so schwer. Wie H. bereits erwähnte, lässt sich immer ein virtueller Hintergrund im Zoom-Meeting einstellen, und wer verlässlich arbeitet, wird vermutlich auch nicht gefragt, wo er gerade sitzt. Dafür können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt ins Vergnügen starten, sobald sie ihr Notebook zuklappen.

Manche testen dabei ihre Grenzen. Wie etwa Olga M. (Name geändert), die regelmäßig ihre Homeoffice-Zeiten nutzte, um lange Zugreisen zu ihrer Familie hinter sich zu bringen. "Natürlich ist die Internetverbindung nicht immer optimal", erzählt sie. "Einmal hat sich mein Teamleiter in unserem Meeting aufgeregt, dass er mich kaum verstehen kann. Ich habe mich aber nicht getraut zu sagen, dass ich meine Schicht gerade im Zug mache. Darum habe ich gelogen und gesagt, dass mein WLAN-Probleme hat, und habe mich stumm geschaltet."

Karriere-Blogger DeAndre Brown in einem scherzhaften Post über "Hush-Trips".
Tiktok, DeAndre Brown

In einer Umfrage von Resume Builder, einem Unternehmen für die Erstellung von Bewerbungsunterlagen, unter Arbeitnehmenden der Generation Z gaben 44 Prozent der 900 Befragten Büro- oder Hybrid-Arbeitenden an, bereits einen Hush-Trip unternommen zu haben. Auch auf Tiktok und Instagram sparen manche Hush-Tripper nicht mit sonnigen Fotos von ihren Reisen. Eine Arbeitnehmerin schreibt unter ihr Tiktok-Video von einem Ressort mit Palmen: "Die Arbeit wird trotzdem erledigt! Es geht um die Balance ..." "Eine kleine geheime 'Workation' hat noch niemandem geschadet", schreibt eine andere Tiktokerin.

Vertrauensproblem

Nun ja, solange niemand etwas davon erfährt. Die moralischen Konsequenzen der Lüge liegen auf der Hand: Die Mitarbeitenden könnten unglaubwürdig und nicht motiviert genug für die Arbeit wirken. Doch wie sollte eine Führungsperson damit umgehen, wenn sie von einem Hush-Trip erfährt? "Es gibt zwei verschiedene Fragen, die man sich stellen sollte, bevor man weiter entscheidet", sagt dazu Angelika Prattes, Expertin für agile Führung. "Geht es um Bedenken, dass an einem Urlaubsort nicht die gleiche Leistung erbracht werden kann, oder ist das Problem, dass einem als Führungskraft nicht vertraut wurde?"

Der wichtigste Faktor sei dann, das Gespräch zu suchen und zu klären, welche Erwartungshaltung man als Chefin oder Chef hat. "Gespräche sollten dabei ohne Vorwürfe stattfinden, aber man darf durchaus klarmachen, dass es nicht in Ordnung ist, etwas vorzutäuschen." Am besten wäre zu besprechen, was die Motivation des Mitarbeitenden war, woanders zu arbeiten, und zu definieren, was in Zukunft eine gute Zusammenarbeit ausmachen würde. Vor allem, wenn die Person grundsätzlich gute Arbeit leistet.

Rein rechtlich gesehen kommt es aber darauf an, ob die Beschäftigten eine Telearbeit- oder eine Homeoffice-Vereinbarung haben, erklärt Jasmin Haindl, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien."Eine Vereinbarung für Homeoffice bedeutet, der Arbeitsort ist das eigene Zuhause", sagt Haindl. "Diesen eigenmächtig zu verlegen ist nicht zu empfehlen, dafür braucht es eine eigene Vereinbarung mit dem Arbeitgeber." Dazu kämen auch versicherungstechnische Probleme, denn wer sich bei seiner geheimen Reise verletzt, ist freilich nicht versichert. Wenn die Vorgesetzten von dem Hush-Trip erfahren, könnte eine Kündigung folgen.

Wer aber eine Vereinbarung für Telearbeit eingegangen ist, darf und kann verreisen. Dabei ist nur wichtig, selbst dafür zu sorgen, dass die Internetverbindung und die restliche Infrastruktur für die Arbeit passen. Trotzdem empfehle es sich laut der Expertin, jede Reise und jeden Aufenthaltsort mit den Vorgesetzten zu besprechen, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Trotzdem können Führungskräfte in der Regel nicht verlangen, dass Mitarbeitende bei Videoanrufen ihre Umgebung zeigen, um zu "beweisen", dass sie zu Hause sind. (mera, 17.8.2023)