Künstlerische Darstellung des Sterns HD 45166, der zu einem Magnetar werden dürfte
Eine künstlerische Darstellung des Sterns HD 45166, der über ein starkes Magnetfeld von 43.000 Gauß verfügt. Nach seinem Ende als Supernova wird ein Neutronenstern mit extremen magnetischen Eigenschaften zurückbleiben: ein Magnetar. Im Hintergrund ist sein ferner Partnerstern HD 45166 zu sehen.
ESO/L. Calçada

Magnetare sind eine relativ neue Entdeckung in der Astronomie. Es handelt sich um Neutronensterne mit äußerst starken Magnetfeldern, die immer wieder enorme Strahlungsausbrüche verursachen. Bei etwa zehn Prozent aller Neutronensterne dürfte es sich um Magnetare handeln, doch wie sie entstehen, ist Gegenstand aktueller Forschung. Ein mögliches Szenario besagt, dass sie durch die Supernova-Explosion eines Sterns mit sehr starkem Magnetfeld gebildet werden, der bei einer Sternenkollision entstanden ist. Ein Beispiel für einen solchen Vorläuferstern eines Magnetars fehlte aber.

Doch nun berichtet eine internationale Forschungskooperation in einer neuen Studie im Fachjournal "Science" von der Entdeckung eines Objekts, das die richtigen Eigenschaften besitzt, um sich am Ende seines Lebens in einen Magnetar zu verwandeln. Es handelt sich um den bereits seit mehr als 100 Jahren bekannten Stern HD 45166, einen sogenannten Heliumstern, der seine Wasserstoffhülle verlor. HD 45166 machte durch sein ungewöhnliches Spektrum auf sich aufmerksam, das in der Astronomie beispiellos war.

Erstautor Tomer Shena vom Zentrum für Astrobiologie in Madrid in Spanien erzählt, wie besessen er von dem Objekt gewesen sei. "Tomer und ich nennen HD 45166 den 'Zombie-Stern'", sagt seine Kollegin, die Astronomin Julia Bodensteiner. "Das liegt nicht nur daran, dass dieser Stern so einzigartig ist, sondern auch daran, dass ich scherzhaft gesagt habe, dass er Tomer in einen Zombie verwandelt." Shena erinnert sich an einen "Heureka-Moment", als er sich ganz plötzlich gefragt habe: "Was, wenn der Stern magnetisch ist?"

La-Silla-Observatorium der europäischen Südsternwarte in der Atacama-Wüste in Chile
Eine dieser Anlagen auf einem Berggipfel in der chilenischen Atacama-Wüste ist das La-Silla-Observatorium der europäischen Südsternwarte, das half, die magnetischen Eigenschaften des Heliumsterns zu bestätigen.
ENEL

Bestätigung mit verschiedenen Teleskopen

Shena, der seit vielen Jahren an Heliumsternen forscht, machte sich mit einem internationalen Team auf die Suche nach dem Magnetfeld. Dabei kam das Canada-France-Hawaii Telescope zum Einsatz, das im Jahr 2022 den "Zombie-Stern" ins Visier nahm. Auch Daten des La-Silla-Observatoriums in Chile wurden herangezogen. Auf diese Weise wurde das Objekt, das Teil eines Doppelsternsystems ist, seiner bisher genauesten Untersuchung unterzogen.

Die Daten bestätigten den Verdacht: "Die gesamte Oberfläche des Heliumsterns ist so magnetisch wie die stärksten von Menschen hergestellten Magneten", sagt Studienautor Pablo Marchant von der Katholieke Universiteit Leuven in Belgien. Der Stern erwies sich dabei als kleiner als bisher angenommen. Doch entscheidend ist, dass seine Masse über der sogenannten Chandrasekhar-Grenze liegt. Ab dieser Massengrenze entsteht beim Tod des Sterns als Supernova ein Neutronenstern. Schon zuvor waren Heliumsterne mit starken Magnetfeldern gefunden worden, doch noch nie einer mit dieser Eigenschaft. Berechnungen des Teams zeigten, dass bei der Umwandlung in einen Neutronenstern das Magnetfeld die bei Magnetaren beobachtete Stärke erreichen würde.

1979 erstmals beobachtet

Die Entdeckung von Magnetaren geht auf das Jahr 1979 zurück. Im Jänner des Jahres wurde ein Objekt entdeckt, das Gammastrahlen mit niedriger Energie aussandte und wieder verblasste. Am 5. März folgte einer der hellsten Gammastrahlenblitze, die bisher gemessen wurden. Ein drittes, weniger helles Objekt erschien kurz darauf. Diese drei neuen Objekte flammten mehrmals hell auf, bevor sie für Monate oder Jahre wieder erloschen. Erst um 1986 setzte sich die Erkenntnis durch, dass es sich um ein neuartiges Objekt handelt. Die Ausbrüche wiederholten sich, folgten aber keinem regelmäßigen Muster.

Als mögliche Erklärung wurden Neutronensterne ins Spiel gebracht. Durch ihre enorme Dichte kommt es in ihrer Nähe zu extremen Phänomenen. Berechnungen ergaben allerdings, dass es enorm starke Magnetfelder brauchte, um die Ausbrüche zu erklären. Robert Duncan von der University of Texas in Austin, USA, und Christopher Thompson von der Universität Toronto, Kanada, führten 1992 den Begriff "Magnetar" ein. 1998 ließ sich die Existenz der extremen Magnetfelder tatsächlich bestätigen. Nun dürfte eine weitere Lücke im Verständnis dieser faszinierenden Objekte geschlossen worden sein. (Reinhard Kleindl, 20.8.2023)