Für die einen ist es träumerische Sozialromantik, für andere die Zukunft des Sozialstaats – das bedingungslose Grundeinkommen spaltet die Gemüter. Fast 70.000 Unterschriften erhielt 2019 hierzulande ein Volksbegehren, das allen volljährigen Personen mit Staatsbürgerschaft eine monatliche Zahlung von 1.200 Euro pro Monat als Grundeinkommen zufließen lassen wollte. Bei einer Umfrage im Jahr 2021 standen 38,2 Prozent der Menschen in Österreich dieser Idee positiv gegenüber, während 31,8 diese ablehnten.

Ein einzelnes Kind auf einem Spielplatz in einer ärmeren Wohngegend.
Die Zahl armutsgefährdeter Menschen würde durch ein Grundeinkommen, in dessen Rahmen Kinder den halben Betrag erhalten, deutlich sinken.
IMAGO/Thomas Eisenhuth

Denn die Idee, jedem Menschen ohne Gegenleistung einen ausreichend hohen Geldbetrag zum Auskommen zukommen zu lassen, behagt nicht jedem. Dann würden viele aufhören zu arbeiten, lautet ein Argument der Kritiker, außerdem sei ein Grundeinkommen für alle unfinanzierbar. Aber was ist da dran? Ist für ein Grundeinkommen tatsächlich nicht genug Geld da?

Positive Wirkung

Keineswegs, sagt Michael Bohmayer. Der Berliner gründete 2014 den Verein Mein Grundeinkommen, der seither mehr als 1.400-mal ein spendenfinanziertes Grundeinkommen verlost hat. Dass dies auch auf staatlicher Ebene finanzierbar sei, will er auf der Basis eines Modells mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt haben – ebenso die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Demnach würden bei einem monatlichen Grundeinkommen über 1.200 Euro 83 Prozent der Menschen finanziell besser aussteigen und nur die reichsten zehn Prozent schlechter. Das Einkommensplus von Männern gegenüber Frauen würde von 61 auf 33 Prozent schmelzen, dafür die Mittelschicht von derzeit 56 auf 74 Prozent anwachsen. Und die Zahl armutsgefährdeter Menschen in Deutschland könnte von 13 Millionen auf vier Millionen verringert werden – von denen keiner weniger als 1.200 Euro netto im Monat hätte, betont Bohmayer.

Steuerfreier Sockelbetrag

Denn dieser Sockelbetrag soll jeder Person steuerfrei zustehen. Der Großteil des Grundeinkommens, nämlich etwa drei Viertel, finanziert sich ohnedies von selbst – da Sozialleistungen wie das Bürgergeld sowie einige Steuerprivilegien durch das Grundeinkommen ersetzt würden und der Verwaltungsaufwand für die Sozialleistungen entfiele.

Der Rest entfällt auf Umverteilung. Alle Einkommen über 1.200 Euro sollen mit einer fixen Rate von 50 Prozent besteuert werden. Dadurch zahlen jene, die das Grundeinkommen nicht benötigen, es gewissermaßen teilweise oder gänzlich zurück an den Staat. Erst ab 5.500 Euro brutto im Monat zahle man mehr Steuern als bisher, rechnet Bohmayer vor und sagt: "Bis in die gehobene Mittelschicht profitieren die Menschen."

Die restliche Finanzierungslücke von zehn Prozent soll durch mehr Steuern auf Unternehmen, Erbschaften oder Konsum – etwa eine CO2-Steuer – aufgebracht werden.

Weniger Erwerbsarbeit

Würde das Grundeinkommen zu weniger Erwerbsarbeit führen, also viele Leute lieber auf der faulen Haut liegen? "Es gibt dazu wenig Empirie, aber viele Mutmaßungen", sagt Bohmayer. "Das muss erst wissenschaftlich überprüft werden."

Aber ist das deutsche Zahlenspiel zur Finanzierung auf Österreich umlegbar? Ja, sagt Helmo Pape, Obmann des Wiener Vereins Generation Grundeinkommen, unter Verweis auf Ähnlichkeiten im Steuer- und Sozialsystem. Zudem betont er, dass hierzulande der Klimabonus wie ein kleines Grundeinkommen wirke. Jeder bekomme ihn, finanziert werde er aber über den CO2-Preis vor allem von reichen Haushalten durch deren höheren Energieverbrauch.

Warum greift keine große Partei in Österreich das Thema auf? Diese hätten das Thema zwar auf dem Radar, sagt Pape, jedoch weiche das Grundeinkommen sehr stark von deren traditionellen Positionen ab. "Die Parteien beobachten, ab wann man damit Wahlen gewinnen kann. Momentan ist es noch nicht so weit." (Alexander Hahn, 29.8.2023)