Nehme ich die Biogurke, obwohl sie in Plastik eingepackt ist? Oder lieber jene ohne Folie, obwohl sie nicht bio ist? Wie gut oder schlecht sind Dosen im Vergleich zum Einwegglas? Soll ich im Winter lieber die Tomaten aus Italien kaufen? Umweltschutz ist mitunter eine komplizierte Angelegenheit, und das zeigt sich vor allem auch beim Einkaufen.

Wem es wichtig ist, dass möglichst klimafreundliche Produkte im Einkaufskorb landen, der hat es nicht leicht. Die Herstellung, der Transport, die Verpackung, all diese Faktoren fallen ins Gewicht. Wie ein Produkt tatsächlich abschneidet, lässt sich oft nur schwer einschätzen, wenn man vor dem Supermarktregal steht. Manches erscheint aber augenscheinlicher als anderes. Zum Beispiel dass Kaffeekapseln wie jene von Nespresso bestimmt nicht ökologisch sein können. Eine winzige Menge Kaffee aufwendig in Aluminium verpackt? Das muss eine Umweltsünde sein, sagt einem da der Hausverstand.

Kaffeekapseln; Aluminium; Nespresso
Damit hätte wohl kaum jemand gerechnet: Laut einer aktuellen Studie aus Kanada sind Kaffeekapseln ökologisch gesehen besser als ihr Ruf. Fachleute üben jedoch Kritik an der Studie.
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Doch mitunter werden solche Glaubenssätze auch herausgefordert. So haben etwa Forschende der Universität Quebec kürzlich eine Studie veröffentlicht, wonach die Kapseln gar nicht so umweltschädlich sein sollen wie ihr Ruf vermuten lässt. Ihre Argumentation: Es stecke weit weniger Kaffee in einer Kapsel als etwa bei einem traditionellen Filterkaffee gebraucht werde. Das soll deshalb positiv sein, weil schon bei der Herstellung des Kaffees an sich sehr viele Emissionen entstehen. Zudem würden Kaffeekapselmaschinen sehr effizient arbeiten, weil nicht mehr Wasser erhitzt werde als unbedingt notwendig. Anders ist das zum Beispiel beim Espressokocher, der häufig auf eine zu große Herdplatte gestellt wird, wodurch unnötige Energie verbraucht wird.

Falsche Annahmen?

Andere Expertinnen und Experten kritisieren, die Studie gehe von falschen Annahmen aus: Es sei etwa nicht gesagt, dass Menschen automatisch mehr Kaffeepulver verwenden, wenn es nicht dosiert ist. Außerdem sei die Müllproblematik durch die Kapseln nicht zu unterschätzen. Ein gebrauchter Kaffeefilter mit Kaffeesatz könne über den Biomüll kompostiert werden, die Kapseln jedoch nicht.

Wie soll man sich da auskennen, wenn sich selbst Fachleute streiten? Gibt es gewisse Faustregeln, an denen man sich beim Einkauf orientieren kann?

Gemüse; Supermarkt; Karotten; Kohl; Salat
Möglichst viel Gemüse, wenig Fleisch: Das dient Fachleuten zufolge sowohl der Umwelt als auchder Gesundheit des Menschen.
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Ja, die gibt es, sagt Michaela Knieli. Sie ist Expertin für Ernährung bei Die Umweltberatung. Den wohl größten Unterschied, erklärt sie, mache eine pflanzliche Ernährung. Wolle man ökologisch einkaufen, "bleibt man also am besten in der Gemüseabteilung". Das bedeute jedoch nicht unbedingt, sich komplett vegan zu ernähren. Bereits Fleisch nur in geringen Mengen zu essen habe einen positiven Effekt. Das gelte auch für andere tierische Produkte wie Käse. "Käse ist nicht getrennt von der Fleischproduktion zu sehen. Damit Käse produziert werden kann, muss ein Kalb auf die Welt kommen. Und nicht jedes Kalb ist weiblich und gibt wieder Milch."

Vor ein paar Jahren entwickelte ein internationales Team aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern eine Ernährungsweise, die sowohl für den Menschen als auch für den Planeten gesund sein soll: die sogenannte Planetary Health Diet. Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Nüsse bilden die Basis des Speiseplans, tierische Produkte kommen nur ergänzend dazu. Würden alle Menschen auf der Welt nach den empfohlenen Maßstäben essen, würde sich der Konsum von Obst und Gemüse sowie jener von Hülsenfrüchten und Nüssen verdoppeln. Der Zucker- und der Fleischverbrauch hingegen würden sich halbieren. Die Planetary Health Diet hätte zur Folge, dass jene Anbauflächen, die jetzt für Tierfutter verwendet werden, für Gemüse- und Hülsenfrüchteanbau verfügbar wären. Treibhausgasemissionen könnten reduziert, Wasser gespart und eine größere Artenvielfalt erhalten bleiben, versprechen die Forschenden.

Aus der Nähe

Außerdem wichtig ist bekanntermaßen, auf Regionalität und Saisonalität zu achten. Heimische Produkte seien meist die bessere Wahl, erinnert Knieli. Werden Produkte tausende Kilometer transportiert, führt das natürlich zu mehr Emissionen. Zudem würden in anderen Ländern in der Produktion manchmal weit schlechtere Energiequellen genutzt.

Entscheidend sei auch, möglichst auf Verpackungen zu verzichten. Die Abfallmengen in Österreich würden stetig steigen, und daran hätten Verpackungen eine Mitschuld, meint Knieli. Bei Kunststoffverpackungen funktionierten die Sammlung und die Sortierung noch nicht optimal, beim Recycling würden die Kapazitäten fehlen. "Wir kommen mit dem Recycling kaum nach." Es gibt jedoch auch das Argument, dass verpackte Lebensmittel länger halten würden und schlussendlich nachhaltiger seien. Das ist für Knieli nicht ganz von der Hand zu weisen, jedoch: Nicht alles verdirbt schnell und muss deshalb eingepackt werden. "Bei der Gurke braucht es das wirklich nicht."

Einwegglas: Unberechtigtes grünes Image

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) empfiehlt, möglichst oft zu losem Obst und Gemüse zu greifen. Eine Infografik auf der Webseite des Verbandes zeigt: Für 500 Gramm Trauben in einer Schale mit Deckel fallen fast achtmal mehr Plastikmüll an als für die gleiche Menge Trauben in einem Gemüsesackerl.

Frau im Supermarkt; Einkauf; Lebensmittel
Ein Einkauf nach ökologischen Gesichtspunkten ist eine echte Herausforderung. Schließlich entscheiden viele Faktoren, wie ein Produkt abschneidet.
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Schwieriger ist es da schon zu beurteilen, welche Verpackung die sinnvollste ist, wenn es ohne nicht geht. Was sich mit Sicherheit sagen lässt: Einwegglas ist nicht die ökologischste Wahl, sagt Knieli. Denn einmal benutzt, landet es im Glascontainer und muss erst eingeschmolzen werden, bevor es wiederverwendet werden kann. Dieser Prozess sei viel aufwendiger als bei Plastik. Zudem wiege Glas schwerer beim Transport. Einwegglas habe also völlig zu Unrecht ein ökologisches Image.

Papier ist nicht immer besser

Dass jedes Verpackungsmaterial seine ökologischen Vor- und Nachteile hat, zeigt auch eine Studie des deutschen Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu). Das Ifeu verglich im Auftrag des Nabu marktübliche Verpackungsalternativen für neun Lebensmittel. Das Ergebnis macht deutlich: Papier ist nicht immer ökologischer als Kunststoff. Papierverpackungen würden zwar aus nachwachsendem Holz hergestellt, die Schadstoffemissionen dagegen seien hoch. Ein Grund dafür sei etwa, dass die Papierproduktion das Abwasser stark belastet. Auch hätten Pappkartons, wie etwa für Nudeln, Müsli und Schokolade, eine vergleichsweise hohe Klimabelastung. Denn: Sie seien bis zu achtmal schwerer als die Konkurrenz aus Kunststoff. Nur eine dünnere Papiertüte schneidet letztlich besser ab als die Tüte aus Plastik.

Besonders problematisch ist es laut der Studie, wenn Lebensmittel doppelt verpackt sind. Also etwa Schokolade, die in Alufolie gewickelt ist und zusätzlich in Karton. Eine Infografik soll einen Überblick darüber geben, welche Verpackung besser oder schlechter ist. Dort zeigt sich beispielsweise für die Schokolade, dass eine dünne Kunststoffverpackung die beste Wahl ist. Auf Platz zwei landete die Aluverpackung mit Papier und auf Platz drei die Aluverpackung mit Pappe. Bei den Nudeln gewinnt die dünne Papierverpackung, gefolgt von der Plastikfolie und vom Pappkarton. Der gute Rat also: Beim Einkaufen darauf achten, ob sich unter der Papierverpackung nicht doch noch eine Alufolie versteckt.

Nektarinen; Verpackung; Supermarkt
Eine Empfehlung lautet, möglichst kein vorverpacktes Obst oder Gemüse zu kaufen. Selbst die Einweggemüsesackerln sind offenbar ökologischer.
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Bei Getränken rät Knieli zu Mehrwegflaschen, die eine bessere Umweltbilanz hätten als Einwegflaschen. Eine Milchflasche aus Glas etwa kann theoretisch rund 15-mal wiederbefüllt werden, eine Bierflasche aus Glas rund 20-mal und eine PET-Mehrwegflasche für Mineralwasser etwa zwölfmal. Das zeigen Zahlen der Initiative Österreich isst informiert.

Nicht unproblematisch

Aber zurück zu den Kaffeekapseln. Dazu sagt Knieli, dass es "wirklich ärgerlich" sei, dass die Studie aus Kanada immer wieder zitiert werde. Tatsächlich seien die Kapseln nämlich alles andere als unproblematisch. "In der Studie werden nur die CO2-Werte berücksichtigt, aber beispielsweise nicht, wie drastisch die Folgen der Aluminiumproduktion sind." Dabei werde teilweise noch Regenwald abgeholzt, Aluminium werde mit Chemikalien energieaufwendig aus dem Gestein gelöst, der zurückbleibende Rotschlamm sei giftig.

Nehme man die Studie genauer unter die Lupe, werde deutlich, dass sie von falschen Annahmen ausgehe. Etwa werde angenommen, dass beim Filterkaffee 25 Gramm Kaffee verwendet würden, was sehr viel sei. Der Kaffee werde auch noch lange warm gehalten. "Natürlich ist das schlecht. Wenn ich mir aber einen Filterkaffee mache und ihn gleich trinke, verbessert das die CO2-Bilanz. In puncto Verpackung schneidet Pulver- oder Bohnenkaffee sehr gut ab." Zudem kommt es darauf an, ob der Strom für die Kaffeemaschine und auch für die Aluminiumerzeugung aus erneuerbaren Energien stammt.

Die Entsorgung der Kapseln sei ebenfalls ein Problem. Es werde "damit geworben, dass sie recycelt werden, allerdings landen sie dennoch häufig im Restmüll". Das bedeutet: Sie werden verbrannt. Selbst kompostierbare Kapseln sind laut der Expertin keine echte Alternative, weil sie im Kompost unbrauchbar seien. "Zu Hause im Kompost verrotten sie nicht, und in den Anlagen will man sie eigentlich auch nicht haben, weil sie keinen Mehrwert bieten, keine Nährstoffe enthalten." Man sieht also: Es ist und bleibt kompliziert. Aber womöglich ist der Hausverstand letztendlich doch kein so schlechter Hinweisgeber. (Lisa Breit, 5.9.2023)