Hubert Aiwanger sitzt auf einem Stuhl.
Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und bayerischer Wirtschaftsminister, hörte am Donnerstag im Landtag bloß zu, sagte aber selbst nichts.
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Präsenz zeigen und erscheinen, all das aber schweigend: Das war die Strategie, mit der Hubert Aiwanger am Donnerstag im bayerischen Landtag erschien. Und das gleich vorab: Er hielt sie durch. Der bayerische Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister sagte zur Flugblatt-Affäre kein Wort. Ebenso verhielt sich sein Chef, Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Zusammengekommen war der Landtag auf Antrag der Oppositionsparteien SPD, Grüne und FDP. In einer Sondersitzung, dem sogenannten Zwischenausschuss, wollten diese Licht in die Flugblatt-Affäre bringen. Aiwanger steht ja im Verdacht, als Schüler vor 35 Jahren eine antisemitische Hetzschrift verfasst zu haben. Er bestreitet dies, als Verfasser hat sich sein Bruder Helmut bekannt. Daraufhin hatte Ministerpräsident Söder von einer Entlassung Aiwangers aus der bayerischen Regierung abgesehen.

Die Anspannung war Aiwanger durchaus anzusehen, als er im Landtag Platz nahm. So wie Söder wäre er nicht verpflichtet gewesen zu erscheinen. Doch die beiden kamen aus Respekt vor dem Landtag, wie es hieß.

Grüne haben viele Fragen

Gleich zu Anfang der Sitzung brachte der grüne Landtagsabgeordnete Tim Pargent den Antrag ein, sowohl Aiwanger als auch Söder persönlich zu befragen, da sie "zahlreiche Fragen offen gelassen" hatten. Doch der Antrag fand keine Mehrheit. Aiwanger und Söder blieben also stumm auf ihren Plätzen sitzen.

Vom grünen Fraktionschef Ludwig Hartmann kam erneut der Vorwurf, Aiwanger habe die 25 Fragen, die ihm das Kabinett gestellt habe, nur sehr dürftig beantwortet. "Bei 14 von 25 Fragen gab es Erinnerungslücken", so Hartmann. Daher stellte er dann jede Menge Fragen direkt an Aiwanger. "Herr Aiwanger, was verstehen Sie unter Reue und Demut? Finden Sie es unproblematisch, wenn Jugendliche heute Juden- und Holocaust-Witze machen? Wie sieht Bedauern aus?" – so lauteten einige. Antworten gab es allerdings nicht, auch nicht von Söder, von dem Hartmann wissen wollte: "Fühlen Sie sich wohl mit Ihrer Entscheidung in der Causa Aiwanger? Hat Ihre Entscheidung dem Ansehen in der Welt geholfen?"

Kritik kam auch von Tobias Reiß, dem parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Fraktion. Die Arbeit in der Koalition aus CSU und Freien Wählern sei von den Vorwürfen gegen Aiwanger "schwer belastet". Reiß gab dem Vizeministerpräsidenten auch einen Rat: "Aufrecht, mutig und direkt heraus sein muss man nicht nur im Bierzelt" – eine Anspielung auf die schleppende Aufklärung Aiwangers.

CSU will Thema beenden

Andererseits sei eine Urheberschaft Aiwangers beim Flugblatt nicht bewiesen. Daher habe Söder, als er entschied, Aiwanger nicht aus der Regierung zu entlassen, richtig entschieden. "Für uns als CSU-Fraktion ist das Thema beendet", erklärte Reiß und betonte, man wolle sich nun in der verbleibenden Zeit bis zur Landtagswahl am 8. Oktober lieber der Kritik an der Berliner Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP widmen.

Als "menschenverachtend, ekelerregend und abstoßend" bezeichnete Florian Streibl, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Landtag, das Flugblatt. "Wir distanzieren uns maximalst", sagte er, fügte aber hinzu: "Wenn wir Anlass hätten, an der demokratischen Gesinnung (Aiwangers, Anm.) zu zweifeln, hätten wir doch selbst Konsequenzen gezogen." Aiwanger habe innerhalb einer Woche aufgeklärt, das sei "sehr gut" gewesen. Außerdem sei er "auch ein Mensch".

Überraschend dauerte die Debatte nur eineinhalb Stunden und nicht drei, wie es auch möglich gewesen wäre. Sie verlief auch sehr ruhig. Der Antrag von SPD und Grünen, dass Söder Aiwanger entlassen solle, fand, wie erwartet, keine Mehrheit. Angenommen wurde jener der "Bayern-Koalition" aus CSU und Freien Wählern. Darin heißt es, die Abgeordneten verurteilten das Flugblatt als "widerwärtiges und zutiefst menschenverachtendes Pamphlet" und bekräftigten, dass "in Bayern Antisemitismus und Menschenverachtung keinen Platz haben".

Die Affäre scheint der CSU und Ministerpräsident Söder mehr zu schaden als Aiwanger und dessen Partei. Die Freien Wähler halten sich einen Monat vor der Bayern-Wahl laut einer Civey-Umfrage für die "Augsburger Allgemeine" und den "Spiegel" stabil bei zwölf Prozent, die CSU hingegen ist um zwei Punkte auf 36 Prozent gesunken. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.9.2023)