Für seine Anhänger ist es ein jährliches Spektakel, die Hauptversammlung von Warren Buffetts Anlagefirma Berkshire Hathaway. Tausende Aktionäre, von Privatpersonen bis zu Profis, versammeln sich in Omaha, der größten Stadt des US-Bundesstaats Nebraska, um den Worten, Einordnungen und Ankündigungen der US-Investmentlegende zu folgen – in der Hoffnung, selbst eines Tages ein ähnliches Vermögen anzuhäufen wie Buffett. Denn der Vorsitzende von Berkshire Hathaway ist derzeit etwa 121 Milliarden Dollar schwer, damit belegt der 93-Jährige im weltweiten Milliardärsranking von Bloomberg Billionaires Platz sieben.

Warren Buffett wird von TV-Reportern interviewt.
Mit einem Vermögen von 121 Milliarden Dollar ist US-Anlegerlegende Warren Buffett der siebentreichste Mensch der Welt.
REUTERS

Reich geworden ist der unter dem Spitznamen "Orakel von Omaha" bekannte Investor durch seine spezielle Anlagestrategie, die auf lange Sicht überdurchschnittliche Renditen abwirft. Der wesentliche Punkt bei diesem sogenannten Value-Investing klingt recht simpel: Der aktuelle Preis muss stets unter dem fairen Wert eines Unternehmens liegen, also die Aktie beim Kauf substanziell unterbewertet sein. Das ist allerdings leichter gesagt als getan – schließlich müsste man sich dazu durch Geschäftsberichte und Analysen von tausenden Unternehmen wühlen, um so auf die wirklich aussichtsreichen Kandidaten zu stoßen.

Man muss aber keineswegs Buffetts Anlagestil kopieren, um von dem Investmentguru lernen zu können, sagt der deutsche Profianleger Jens Rabe, der selbst seit 20 Jahren an der Börse tätig ist. Er bezeichnet sich als Buffett-Fan, denn man könne sich von dessen grundlegenden Einstellungen – mal geht es um das eigene Verhalten, mal um das anderer Personen – einiges abschauen und für sich selbst entsprechend umsetzen.

Rabe selbst investiert zwar anders als der US-Börsenguru, da ihm die Umsetzung seiner Strategie zu kompliziert sei. Dennoch betont der Börsenprofi: "Die meisten Investoren scheitern nicht an der Marktvolatilität, sondern an ihrem eigenen Mangel an Disziplin und Verständnis für den wahren Wert eines Unternehmens." Daher hat Rabe aus Buffetts Verhalten und Aussagen drei wesentliche Lehren extrahiert, die er anderen Anlegern als Leitfaden ans Herz legt – sowohl in der Börsenwelt als auch bei manchen anderen Entscheidungen, die das alltägliche Leben betreffen.

Permanenter Optimismus: Als Anleger sollte man stets einen Blick auf das Positive bewahren

Was Rabe besonders beeindruckt, ist die andauernde Zuversicht, die Buffett stets ausstrahle. "Er hat einen sehr positiven Blick auf Amerika, aber auch auf die ganze Welt", sagt der Deutsche über das "Orakel von Omaha". Derzeit lebe man in einer sehr krisenhaften Welt, beinahe täglich werde man mit negativen Nachrichten konfrontiert, was einem oft den Blick für positive Entwicklungen verstelle. Es ist dem Anleger Rabe zufolge aber auch wichtig, in solchen Zeiten jene Dinge im Blick zu haben, die sich in die richtige Richtung entwickeln.

"Es ist ein Faktum, dass wir in einer guten Zeit leben, in der sich auch vieles zum Positiven entwickelt", sagt Rabe. Wenn man die Dinge zu negativ sieht, verpasst man deshalb als Anleger gute Investmentchancen. Gerade in Zeiten negativer Nachrichten gibt es etliche Unternehmen, die an der Börse kurzfristig eher tief, womöglich sogar zu tief bewertet sind – also eigentlich Gelegenheiten für Investments in unterbewertete Firmen, die Buffett stets sucht. "Er hat einen sehr positiven Blick", fasst Rabe zusammen, "das schätze ich sehr."

Langfristiges Denken: Beim Investieren die Aussichten für viele Jahre im Blick behalten

Nicht der schnelle Reibach oder der nächste Quartalsbericht steht Rabe zufolge für Buffett im Mittelpunkt, sondern die langfristigen Aussichten eines Unternehmens. Es stehe also die Überlegung im Fokus, wo es in zehn oder 20 Jahren stehen kann. Dann kann ein gutes Investment auch auf Dauer entsprechend hohe Renditen einspielen. Dazu passt eine alte und oft zitierte Börsenweisheit, nämlich: "Viel Hin und Her macht Taschen leer." Soll heißen, häufig die Anlagepositionen zu wechseln, kostet auf jeden Fall bei jeder Transaktion Spesen, was den Anlageerfolg dauerhaft schmälern kann.

Eine Frau betrachtet Berkshire-Hathaway-Chairman Warren Buffet und seinen Stellvertreter Charlie Munger auf einem Bildschirm während der Hauptversammlung des Jahres 2022.
Eine Frau betrachtet Berkshire-Hathaway-Chairman Warren Buffet und seinen Stellvertreter Charlie Munger auf einem Bildschirm während der Hauptversammlung des Jahres 2022.
APA/AFP/CHANDAN KHANNA

Das bedeute aber nicht, dass sich Buffett nicht auch manchmal nach kurzer Zeit von einem Investment trennt – und das sollten Rabe zufolge auch Privatanleger so halten. Und zwar, wenn sie feststellen, dass sich bei einem Unternehmen etwas grundlegend geändert hat und die früheren Gründe für einen Kauf nicht mehr gegeben sind. Ansonst gehe es darum, nicht jedem Hype oder kurzfristigen Trend folgen zu wollen, sondern sich die Aussichten für fünf, zehn oder sogar 20 Jahre vor Augen zu halten.

Integrität bewahren: Ehrlich sein und seinen eigenen Vorlieben treu bleiben

Jeder darf Fehler machen, man darf aber nicht unaufrichtig sein. Das ist eine weitere Lehre, die Rabe von Buffett mitgenommen haben will. Denn für die US-Investmentlegende seien Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit beim Investieren und beim Management von Unternehmen ein sehr wesentlicher Punkt. Demnach soll er sich auch schon von Unternehmen getrennt haben, wenn das Management sich nicht ehrlich verhalten habe. Denn einen guten Ruf könne man in 20 Jahren langsam aufbauen, aber bei manchen Ereignissen in fünf Minuten wieder verlieren.

Für Rabe zählt dazu, auch den eigenen Einstellungen treu zu bleiben. Also etwa trotz langfristig guter Aussichten auf Tabakaktien oder Rüstungskonzerne zu verzichten, da man deren Produkte für unethisch hält. "Es ist wichtig, nur Dinge zu machen, bei denen man sich selber wohlfühlt", sagt Rabe. Das ist auch der Grund, warum Buffett in seiner langen Laufbahn stets davon abgesehen hat, aus dem beschaulichen Omaha in die Investmentmetropole New York zu übersiedeln – denn in Nebraska gefällt es dem Milliardär einfach besser. (Alexander Hahn, 11.9.2023)