Regenbogenfahne
Queere Jugendarbeit ist ein Querschnittsthema. Handlungsfelder gibt es viele.
EPA/CLEMENS BILAN

Wer bin ich, wie soll es weitergehen, welcher Beruf interessiert mich, was macht mein Freundeskreis? Fragen, die während der Pubertät für viele herausfordernd sind. Darin unterscheiden sich queere Jugendliche nicht von anderen Jugendlichen. Bei queeren Jugendlichen kommen aber oftmals Mobbing- und Diskriminierungserfahrungen – nicht nur durch Gleichaltrige – dazu, sagt Mäx Lauscher, seit 20 Jahren in der offenen (außerschulischen) Jugendarbeit tätig. Das führe beispielsweise auch dazu, dass die Jugendlichen seltener zum Arzt gehen und dadurch Krankheiten später erkannt werden.

"Wenn wir mit queeren Jugendlichen sprechen, sagen die meisten, dass sie selbst damit kein Problem haben, wen sie begehren oder welche Genderidentität sie haben. Was es zum Problem macht, ist, wie die Gesellschaft Identitäten jenseits von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität verhandelt", ergänzt Lauscher. Gerade in der Jugendarbeit könne da noch viel entgegengewirkt werden. So habe auch eine Langzeitstudie zu offener Jugendarbeit gezeigt, dass je älter Jugendliche werden, desto mehr nehmen die Vorurteile gegenüber bestimmten sozialen Gruppen ab, wenn daran gearbeitet werde.

Ganzheitlicher Blick

Punktuelle Fortbildungen zu queerer Jugendarbeit gibt es bereits, im November startet am Wienxtra Institut für Freizeitpädagogik nun der erste Lehrgang. "Die Idee dazu gab es schon länger. Wenn man aber nur einen Teilbereich in der Fortbildung behandelt, kommt man nicht weiter", sagt Aldo Perez, Lehrgangsleiter am Wienxtra Insitut für Freizeitpädagogik. Queere Jugendarbeit sei eine Querschnittsmaterie, und mit diesem Bildungsangebot werde nun ein gesamtheitliches Bild von queerer Jugendarbeit gezeichnet. Die inhaltliche Leitung des Lehrgangs liegt bei Lauscher.

Neben der Tätigkeit in der Jugendarbeit hält Lauscher auch regelmäßige Fortbildungen zu queerer Jugendarbeit. Wie stark Queersein bei der Jugendarbeit zum Thema werde, hänge auch davon ab, wen man frage. "Gelegentlich höre ich die Aussage: 'Wir haben keine queeren Jugendlichen bei uns.' Rein statistisch kann das aber nicht sein, antworte ich darauf. Dann habt ihr dafür den Raum nicht geschaffen", ergänzt Lauscher.

Denn bei queerer Jugendarbeit gehe es auch viel um Atmosphäre – sowohl räumlich als auch sozial. "Wenn die ganze Zeit homofeindliche Sprüche laufen und von den Betreuenden nicht dagegengehalten wird, dann werde ich mich als queerer Jugendlicher niemandem anvertrauen. Wenn dort aber diese Sprüche thematisiert werden, dann gibt es auch für queere Jugendliche in der Jugendeinrichtung eine Ansprechperson. Und das passiert heute viel häufiger als früher", sagt Lauscher. Als Querschnittsthema sollte queere Jugendarbeit ganz selbstverständlich mitgedacht werden. "Das soll sich auch in der Zusammensetzung der Teams zeigen."

Sichere Räume schaffen

Queere Jugendliche dürfen aber nicht als Sonderfall betrachtet werden. Nur: Die Gesellschaft mache sie zu einem. Hier mehr Selbstverständnis und weniger Emotion herzustellen sei ein langsamer Prozess. "Wir begleiten junge Menschen ja über viele Jahre. Und wir sehen Veränderungen." Jugendräume sind nicht per se sichere Räume. Jugendeinrichtungen in Wien sind nach wie vor sehr männlich dominiert, der Anteil von Personen mit Migrationsbiografie ist hoch. Eine Bedarfsanalyse des IHS zur queeren Jugendarbeit in Wien vom Sommer letzten Jahres zeigte Handlungsbedarf in diesem Bereich auf.

Im Gegensatz zu anderen europäischen Städten gibt es in Wien kein Jugendzentrum speziell für queere Jugendliche. Das soll sich nun ändern. Im April dieses Jahres wurde die Anstoßfinanzierung in der Höhe von 55.000 Euro für das erste queere Jugendzentrum Österreichs beschlossen. Die Eröffnung ist 2024 geplant. "Queere Jugendliche wissen heute oft gut über ihre Identität, über ihr Begehren Bescheid. Was sie brauchen, sind sichere Räume, Kontakte zu Peers und eine positive Bestärkung, dass sie gut sind, so wie sie sind", merkt Lauscher an. (Gudrun Ostermann, 12.9.2023)