Gastbeitrag: Petra Eggenhofer-Rehart, Wolfgang Mayrhofer

Frau sitzt gelangweilt vor ihrem PC.
Wie soll es weitergehen? Gerade in Krisenzeiten wird auch auf individueller Ebene vieles infrage gestellt.
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Teuerungskrise, Energiekrise, Klimakrise – die Liste, unlängst noch angeführt von der Corona-Krise, ließe sich noch fortsetzen. Selten zuvor waren so viele Krisen gleichzeitig in aller Munde, das drückt auf die Stimmung. Krisen verursachen auch Disruptionen im Berufsleben, in der Wissenschaft als Karriereschocks bezeichnet. Wie gehen wir kognitiv und emotional mit krisenbedingten Karriereschocks um? Was hilft uns, sie zu bewältigen? Antworten geben uns Studien zu zwei Krisen mit unterschiedlichen Herausforderungen und Auswirkungen: die Wirtschafts- und Finanzkrise und die Covid-Pandemie.

Wir alle besitzen Karrierekapital. Dazu gehören Wissen, Fähigkeiten, Erfahrungen und soziale Kontakte, die uns helfen, Jobs zu finden, darin erfolgreich zu sein und uns weiterzuentwickeln. Karrierekapital ist ein Motor für unsere Chancen am Arbeitsmarkt. Aber auch die Wirtschaftslage ist entscheidend: Während der aktuelle Arbeitskräftemangel unsere Möglichkeiten verbessert, lassen Wirtschaftskrisen die Arbeitslosigkeit steigen und die Chancen für Jobsuchende sinken.

Von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009 (Great Recession) waren nicht bloß, wie sonst in Rezessionen üblich, weniger gut Ausgebildete von Jobverlust betroffen. In der Langzeitstudie Vienna Career Panel Project (ViCaPP) haben wir untersucht, wie selbst gut ausgebildete Wirtschaftsakademikerinnen und -akadmiker darauf reagiert haben. Die Analyse ihrer subjektiv empfundenen Jobchancen in den Jahren vor und während der Krise und der Zusammenhänge mit Karrierekapital zeigt: Wer leistungsorientierter oder teamorientierter ist, weiß offenbar, was das wert ist und schätzt seine Jobchancen höher ein als andere Personen. Dasselbe gilt für jene, die aus ihrem höheren Einkommen schließen können, dass der Markt ihre Leistungen honoriert. Durch die Wirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit gerät dieses Weltbild aber gehörig ins Wanken.

Team vs. Wettbewerb

Während der Krisenjahre 2009 bis 2016 büßen diese Indikatoren von Karrierekapital signifikant an Wirkung auf die subjektiven Jobchancen ein: Der Eindruck, dass die eigene Karriere nicht nur vom persönlichen Karrierekapital, sondern auch von externen Faktoren abhängig ist, tritt stärker hervor. Wer teamorientierter ist, sieht sich im Vergleich zu jenen, die weniger kooperativ eingestellt sind, nun tendenziell sogar als schlechter gestellt. Und vermutet (nicht ganz zu Unrecht), dass Kooperationsbereitschaft in Krisen, also bei einem stärkeren Verdrängungswettbewerb unter Jobsuchenden, weniger geschätzt wird als Wettbewerbsorientierung.

Nach der längst überwundenen Great Recession beschäftigt uns eine gänzlich andere, für uns persönlich viel (lebens-)bedrohlichere Krise mit neuartigen beruflichen Herausforderungen: die Covid-Pandemie. Lockdowns legten ganze Branchen monatelang lahm, viele Menschen verloren kurzfristig den Job, andere wurden von heute auf morgen ins Homeoffice geschickt. Darauf waren die Unternehmen nicht vorbereitet, es mangelte an Infrastruktur, organisatorischen Konzepten und kompetenter Führung durch die Zeit der Ungewissheit. Zur Bedrohung durch die Pandemie selbst gesellte sich Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement. Wieder ein idealer Nährboden für Karriereschocks, vor allem in Form radikaler und kurzfristiger Änderungen von Arbeitsort, Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung.

Dieses Mal war die Wirtschaftslage nach einer Delle 2020 und abgesehen von hoher Inflation rasch wieder halbwegs im Lot. Doch wer Karriereschocks erlebt und Alternativen am Jobmarkt hat, denkt eher an einen Arbeitgeberwechsel, wie wir im Rahmen der internationalen Karrierestudie Cross-Cultural Collaboration on Contemporary Careers (5C) festgestellt haben.

Die Rolle der Arbeitgeber

Aber es zeigt sich auch die Rolle der Arbeitgeber: Wer sich durch das Unternehmen, besonders durch direkte Vorgesetzte, gut unterstützt fühlt, reagiert auf pandemiebedingte Karriereschocks viel weniger empfindlich. In dieselbe Kerbe schlagen Studienergebnisse, nach denen sich viele Angestellte während der Lockdowns von ihren Arbeitgebern mehr Kommunikation, Einfühlungsvermögen und Sorge um ihr Wohlergehen gewünscht hätten. Nicht überraschend ging die Pandemieschockwelle daher global unmittelbar in die große Kündigungswelle (Great Resignation) von 2021 bis 2022 über.

Corona-Frust scheint aber nur der Tropfen gewesen zu sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Gefüllt wurde es schon lange durch schlechte Bezahlung, fehlende Karrieremöglichkeiten, eine toxische Unternehmenskultur, Erfolgsdruck und zu wenig Anerkennung. Dazu kommt das wachsende Bedürfnis nach Sinn, das viele Menschen zu einer Kurskorrektur motiviert haben dürfte. Der aktuelle Trend zur Arbeitszeitreduktion zeigt, dass viele ihre Energie lieber woanders investieren als in ihren Job. Unsere 5C-Studie zeigt auch: Wer seine Arbeit als sinnstiftend erlebt, ist besser gegen widrige Arbeitsbedingungen und Karriereschocks immunisiert. Sinn ist der Krisen-Resilienzfaktor schlechthin. (Petra Eggenhofer-Rehart, Wolfgang Mayrhofer, 14.9.2023)