Viele Menschen strömen in ein Konferenzzentrum, man kann ihre Gesichter nicht genau erkennen.
Dilemma Weiterbildung: Es fehlen die neuen Kompetenzen, aber in Unternehmen gibt es keinen Spielraum zum Lernen von Neuem.
IMAGO/Christoph Hardt

Fachkräftemangel, fehlende Qualifikationen für die grüne Transformation, rasante Entwicklung im Bereich künstliche Intelligenz, der Imperativ zum längeren Verbleib im Arbeitsleben. Darauf kann es eigentlich nur eine einzige Antwort geben: Weiterbildung, Qualifizierung, Upskilling.

Vermutlich wird das allgemein abgenickt. Nur leider gibt es hier ganz schlechte Nachrichten. Wir brauchen mehr und machen weniger in Sachen Weiterbildung. Die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei rückläufig, sagen die Weiterbildungsanbieter der Wirtschaftskammer (Wifi) und erheben in ihrer aktuellen Umfrage, dass zuletzt nicht einmal ein Drittel der Belegschaften die angepeilte Weiterbildung tatsächlich umgesetzt hat.

Fehlende Qualifikationen

Aber acht von zehn Firmen reihen Weiterbildung grundsätzlich als Topthema. Hier vor allem im Bereich IT, Digitalisierung, Green Skills – nur fehle es an Zeit und Geld für die Verwirklichung. Immerhin herrsche ja Fachkräftemangel, und dadurch gebe es ja noch weniger Spielraum für die Weiterbildung. Nebensatz: Mitarbeitende wollen sich ja während der Dienstzeit aufrüsten, nicht in der Freizeit.

Das bietet der Wirtschaftskammer natürlich die optimale Steilvorlage für das Thema Nummer eins: Arbeitszeitverkürzung würde der Weiterbildung weiteren Schaden zufügen, denn dann bleibt ja noch weniger Zeit für Lernen. Das ist eine interessante Theorie. Grundsätzlich heißt das also, die Leute sollen gefälligst hackeln, wenn sie im Job sind, nicht Neues lernen und sich und damit die Firma, den Standort zukunftsfähig machen. Denn betriebsverbundenes Lernen ist keine Arbeit? Dazu behindert auch noch der Fachkräftemangel die Weiterbildung? Handelt es sich um ein kunstvolles Oxymoron – oder argumentieren wir die Bedingungen des einen für das andere ernsthaft weg?

Auch wenn es nicht sein Ressort betrifft, Bildungsminister Martin Polaschek hätte mit Arbeitsminister Martin Kocher jetzt wirklich eine öffentliche Bühne zum Thema zu besetzen. Denn, wie kann es anders sein, die Wifis fordern mehr staatliches Weiterbildungsgeld und ein Bildungskonto für alle. (In verschiedenen Formen und Angeboten existiert dieses schon, etwa im Wiener Waff.) Darauf haben sich die Regierungsparteien eigentlich verständigt, die Ausgestaltung scheint bis jetzt aber nicht weitergekommen zu sein.

Tatsächlich sind aber alle drei in der Pflicht: Staat, Firmen und Individuen. Reines Delegieren der Weiterbildungsverantwortung an den Staat geht nicht, reines Abladen auf die individuellen Schultern auch nicht. Aber auch von Personalnot bedrängte Unternehmen müssen kreativer werden. Immerhin rangieren Weiterbildung und Weiterentwicklung ganz oben bei den Jobwünschen der jungen Generationen. (Karin Bauer, 15.9.2023)