Astronaut Franz Viehböck und sein Ersatzmann Clemens Lothaller. Die Wahl auf Viehböck fiel erst kurz vor dem Start der Mission.
Viehböck und Lothaller

Menschen mit einem Bedürfnis nach Weite hatten es in Österreich nicht immer leicht. Einen Zugang zum Meer gab es nach dem Ende der Habsburgermonarchie nicht mehr, und auch der Weltraum blieb für ein kleines Land ohne eigene Raketen unerreichbar. Wer hierzulande in die Ferne blicken wollte, musste aus der Enge der Täler auf die Berggipfel steigen. Doch ab dem Ende der 60er-Jahre erlebte die Weltraumforschung hierzulande einen Aufschwung, der vor allem mit einer Person in Graz und ihrem Geschick für das Schmieden besonderer Seilschaften verknüpft ist.

Als Weltraumforschung noch mit Himmelsbeobachtung gleichzusetzen war, gab es immer wieder bemerkenswerte österreichische Beiträge in diesem Gebiet. Bevor Johannes Kepler im Zuge der Gegenreformation aus Österreich vertrieben wurde, beschäftigte er sich in Graz mit Planetenbahnen, woraus letztlich in Form der Planetengesetze der bemerkenswerteste Beitrag zur Astronomie seiner Zeit entstand, bevor die Erfindung des Teleskops und die Entdeckungen Newtons unser Bild des Himmels für immer veränderten. Im beginnenden 20. Jahrhundert war die Entdeckung der kosmischen Strahlung durch Victor Franz Hess ein Meilenstein.

Doch auch am Erreichen des Weltraums wurde gearbeitet. Verschiedene Raketenpioniere wirkten von Österreich aus, darunter Hermann Oberth, Franz Ulinski oder Max Valier. Sie beschränkten sich nicht auf reine Theorie, sondern setzten Raketen ganz praktisch ein. Die Postraketen Friedrich Schmiedls transportierten Briefe, etwa im Jahr 1931 vom Grazer Hausberg Schöckl in den fünf Kilometer entfernten Kurort St. Radegund. Die Rakete hieß V7, das V im Namen stand damals noch für "Versuchsrakete". 102 Briefe hatte das Fluggerät dabei, die österreichische Post ließ sich von der Einführung eines Regelbetriebs nicht überzeugen. Die Geschichte kann dennoch als frühes Beispiel der oft beschworenen Alltagssynergien von Weltraumforschung gelten.

Willibald Riedler, Weltraumforschung Graz, mit einem Modell der Raumstation Mir
Willibald Riedler im Institut für Weltraumforschung in Graz vor einem Modell der Raumstation Mir.
Elmar Gubisch / picturedesk.com

Internationale Vernetzung

Nach dem Krieg wurde die Österreichische Gesellschaft für Weltraumforschung gegründet und kurz darauf die Internationale Astronautische Föderation mitbegründet. Durch die Aufnahme Österreichs in die Uno im Jahr 1955 war die Mitarbeit an deren Komitee für Weltraumforschung Cospar ermöglicht. Ein Beitritt zur Vorläuferorganisation der heutigen Weltraumagentur Esa, damals noch Esro, scheiterte an der Finanzierung.

Letztere erwies sich in den Folgejahren immer wieder als Hindernis für die Weltraumforschung Österreichs. Das bekam auch Willibald Riedler zu spüren, der die Leitung eines neuen Instituts für Nachrichtentechnik an der TU Graz übertragen bekam. Der in Wien geborene Riedler war zu diesem Zeitpunkt bereits ein erfahrener Weltraumforscher, der in Kiruna arbeitete, der nördlichsten Stadt Schwedens. Sein Hauptstudium war eigentlich Nachrichtentechnik gewesen, nebenbei hatte er aber einen Doktor in Geophysik und Meteorologie vorzuweisen. Riedler ließ sich durch geringe Geldmittel nicht abschrecken: Auch Schweden sei ein kleines Land, betonte er einmal – was dort möglich sei, müsse sich auch in Österreich realisieren lassen.

Riedler wollte seine Kontakte nach Kiruna nutzen, um die Weltraumforschung in Graz mit Leben zu füllen. Die Schweden brachten unter anderem von Kalifornien aus mit amerikanischen Scout-Raketen Messgeräte ins All. Schon kurz nach Antritt seines Amts 1969 bekam Riedler die Gelegenheit, ein Messgerät zur Bestimmung der Elektronendichte in der Ionosphäre in einer für den Start von der schwedischen Insel Andøya aus vorgesehenen Rakete zu platzieren – ohne weitere Kosten für die Grazer Gruppe. Man sollte dafür bei der Positionsbestimmung helfen.

Doch es gab ein Problem: Riedler erhielt keine Mittel, um einen Mitarbeiter mit dem Zug nach Schweden zu schicken, der das Messgerät vor Ort kalibrieren musste. Schließlich bot Riedlers Mitarbeiter Martin Friedrich an, mit dem Fahrrad in den Norden zu fahren und das Messgerät mitzunehmen. Riedler gibt zu, dass eine gute Portion sportlicher Ehrgeiz Friedrichs eine Rolle spielte. Die Übung gelang, die Rakete startete am 26. November 1969, und das Gerät verrichtete wie geplant seinen Dienst. Von da an war es leichter, an Mittel zu kommen.

Ballone und Kontakte nach Russland

Zugang zu Raketen gab es immer noch nicht, stattdessen wurden Messgeräte mit etwa 15 kg Gewicht mit Ballonen in 35 Kilometer Höhe in die Stratosphäre gebracht. Es ging unter anderem um die Messung indirekter Effekte durch kosmische Strahlung.

Der entscheidende Schritt gelang aber dank guter Kontakte zu sowjetischen Forschenden. Riedler hatte zu diesen Verbindungen geknüpft, weil die Ballone bei einem Start im Winter aufgrund der Windrichtung sowjetisches Territorium überflogen. Die Genehmigung dafür wurde wider Erwarten erteilt, die Beziehungen führten zu einem Besuch des russischen Physikers Roald Sagdejew in Graz. Der aus Kasan stammende Sagdejew hatte sich am Forschungsinstitut Akademgorodok mit kosmischer Plasmaphysik und Teilchenphysik beschäftigt. 1973 wurde er Direktor des Instituts für Weltraumforschung der sowjetischen Akademie der Wissenschaften.

Die Folge war eine Teilnahme an den sowjetischen Venus-Missionen Venera 13 und 14 in den Jahren 1981 und 1982. Die Grazer Weltraumgruppe lieferte Magnetometer. Riedler erzählte später, dass Sagdejew dafür in seiner Heimat angefeindet worden sei, mit Österreich ein Land ohne Erfahrung mit interplanetaren Flügen und ohne Mitgliedschaft beim Interkosmos-Bündnis, dem Russland angehörte, ins Boot zu holen. Der Erfolg ermöglichte im Lauf der 1980er-Jahre Teilnahmen an weiteren Venus-Missionen, einer Mission zum Kometen Halley sowie an den zwei Mars-Missionen Phobos 1 und 2. Auch die Tür zu westlichen Missionen öffnete sich: Noch vor der Esa-Mitgliedschaft nahm Österreich an der Spacelab-Mission teil, einem Vorläuferprojekt der späteren Raumstationen.

Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko
Ein Bild des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, aufgenommen von der Landesonde Philae der Rosetta-Mission. Nach dem Start 2004 erreichte die Sonde zehn Jahre später die Oberfläche des Kometen – mit österreichischer Technologie an Bord.
ESA / Science Photo Library / pi

Diese Erfolge und die guten Kontakte zu Moskau führten zum Flug des bisher einzigen Österreichers ins All. Franz Viehböck verbrachte 1991 fast acht Tage auf der Raumstation Mir und führte dort 15 Experimente durch. Die Leitung des Projekts hatte das steirische Forschungsinstitut Joanneum Research über, die wissenschaftliche Leitung oblag Riedler selbst. Nach diesem Höhepunkt folgten Teilnahmen an vielen weiteren Weltraumprojekten, oft vom Institut für Weltraumforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaft in Graz aus. Roald Sagdejew wurde 1989 noch in den Obersten Sowjet gewählt, ging aber schon 1990 in die USA und heiratete Susan Eisenhower, die Enkelin des früheren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower.

Von der österreichischen bemannten Raumfahrt bleiben vor allem Erinnerungen. Als Franz Viehböck in die Raumstation Mir einschwebte, wurde dort zu seinen Ehren der Donauwalzer gespielt, über zwanzig Jahre nachdem das Musikstück dank Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker "2001" als Sinnbild für die Eleganz von Schwerelosigkeit legendär geworden war. (Reinhard Kleindl, 17.9.2023)