Female Empowerment Alpbach
Im Alpbacher Hotel Böglerhof waren Frauen unter sich
PARIS TSITSOS

Das ist natürlich kein Aufruf zur Wirtshausschlägerei!“ ÖBB-Vorständin Silvia Angelo stellt sicherheitshalber noch einmal klar, warum sie mit ihrer Frauen­fördergruppe im Konzern auch mal zum Kickboxen geht: damit die Frauen auch spüren, wie es ist, Aggression zu spüren, zu punchen.

Es ist eine offene, gelöste Stimmung beim Gipfeltreffen der Frauen beim diesjährigen Europäischen Forum Alpbach. Ja, es ist doch ganz anders, wenn 300 Frauen im Raum sind – und sogar männliche Diver­sitymanager gebeten werden, erst nach der Diskussion zum Vernetzungscocktail hereinzukommen. Sechs der mächtigsten Frauen im Lande berichteten unter ihresgleichen für Frauen nachfolgender Generationen, wie sie das gemacht haben. Was sie gefördert, gehemmt hat, wo etwas zu leisten, wo es ein bisschen zum Zwinkern ist.

Vornehme Zurückhaltung, erklärt Silvia Angelo ihr Konzept der "Räuberinnenleiter" für nachfolgende Generationen weiter, sei nicht immer angebracht. Aufzustehen und deutliche Zeichen zu setzen, das sei auch nötig. Angelo: "Macht ist ein besetzter Begriff." Zu sagen, dass ich Macht haben möchte, und diese Macht positiv zu besetzen, das sei ein Weg, der zu gehen sei. Nur fleißig und gut sein, leistungsbereit und sympathisch, das reiche jedenfalls nicht.

Der Schritt an die Spitze

Beatrix Praeceptor, Chief Executive Officer der Greiner Packaging mit 5000 Mitarbeitenden und 22 Werken, stimmt dem nicht ganz zu. Sie hat ihre Geschichte anders geschrieben, aus dem Supply-Chain-Management von Mondi, Lafarge oder Philips kommend. Man habe ihr dann gesagt, dass sie jetzt eh ­alles erreicht habe, quasi, sie solle es mal gut sein lassen. Hat sie nicht. Das größte Learning für sie selbst war der Schritt an die Greiner-Spitze, sagt sie. Praeceptor: "Frauen lassen sich zu oft davon beeinflussen, was ein anderer meint, entschieden zu haben, wie die Welt zu sein hat."

"Vielleicht denken wir Frauen zu viel darüber nach, was wir nicht können", sagt Christine Catasta, einst bei PwC erste Frau an der Spitze der Big Four der Wirtschaftsprüfung, dann Interimsvorständin der Öbag, jetzt vielfache Aufsichtsrätin (BIG, AUA, Erste Group und Erste Bank). Das Asset ihrer Karriere? "Ich hatte den Mut, aus der Komfortzone zu gehen." Sie sei "langsam vorwärtsgeschritten, ohne dass andere das gemerkt hätten".

Priviligierte Frauen

Barbara Kolm, einst für die FPÖ in Tirol unterwegs, Gründerin des Hayek-Instituts, Gründerin und Direktorin des Austrian Economics Center und nunmehr auch Leiterin des UN-Büros für Sustainable Citys, führt Fachwissen, Leistung und Know-how ins Treffen. "Wir sind hier alle in einer sehr privilegierten Rolle. Als Frauen dürfen wir uns aber noch weniger Fehler leisten als Männer", sagt sie. "Wir haben alle die Fallen erlebt, die jüngeren Generationen haben das Privileg, schon etwas frecher auftreten zu können."

Sabine Aigner, eine der Großen im Executive Search und in der Leadership Advisory, Partnerin bei Spencer Stuart, dankt den Schultern, auf denen sie aufgebaut hat: "Ich hatte das Glück in der Erziehung, dass ich vertrauen darf, dass ich etwas kann." Viel arbeiten, Qualität liefern, sich einen Namen, einen guten Ruf machen – das waren die nächsten Schritte nach dem Doppelstudium.

Sie sei dann bald eine Working Mum gewesen und habe sich ein Netzwerk geschaffen, in dem Frauen einander helfen, einander beschützen, auch vertreten, wenn gerade ein Kind krank war. Dann ist sie noch einmal zurück an die Uni. "You need to love politics", das sei ein Schlüsselsatz zum Thema Macht für sie gewesen. Wenn frau wolle, dass Macht mehr Gutes bewirkt, dann müssten eben mehr Gute Macht haben. Jüngeren Frauen wünscht sie, dass sie nicht so viel Zeit damit "vergeuden", Macht zu hinterfragen. Sie selbst habe mit Machtexegese doch Jahre verbracht.

Umgang mit Gegenwind

Nina Kaiser, Co-Gründerin des 4Gamechanger-Festivals (mit heuer 70 Prozent weiblichen Speaken) und Mitglied der Leitungsstäbe bei ProSiebenSat1Puls4, hatte zuerst in einer Agentur für Investor Relations einen männlichen Förderer und dann ihren jetzigen Chef Markus Breitenecker, die sie ermutigt hätten, mehr zu wollen und zu tun. Erst seit ein paar Jahren, sagt sie, sei sie aktiv in Netzwerken, fördere bewusst jüngere Frauen. Ihr unmittelbares Team besteht aus elf Frauen.

Die Teilnehmerinnen beim Frauengipfel im Alpbacher Hotel Böglerhof bringen sich intensiv ein. So auch Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer, die Frauen beim Thema Hass und Hetze ermutigen will – damit machte sie viel leidvolle Erfahrung. Das sei ihr mittlerweile sehr egal, sagt sie und motiviert dazu, genau hinzusehen, wer Kritiker oder Hater sind. "Jeder darf mich nicht kränken." Gemeinsam plädieren sie sowohl für Frauennetzwerke als auch für gemischte Netzwerke. "Wir brauchen die Männer." (Karin Bauer, 19.9.2023)