Was genau Alice Weidel am Dienstagabend im Hotel Intercontinental in Wien auf Einladung der FPÖ sagen wird, ist natürlich noch offen. Aber freundlich dürfte sie nicht auf die politischen Gegner und Gegnerinnen blicken. Es geht in ihrem Vortrag für das FPÖ-Bildungsinstitut schließlich um die deutsche Ampel aus SPD, Grünen und FDP als "abschreckendes Beispiel für Österreich".

Alice Weidel wird Wien besuchen
Alice Weidel führt gemeinsam mit Tino Chrupalla sowohl die Partei als auch die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag.
AFP/RONNY HARTMANN

Vor kurzem, beim Gillamoos, dem traditionellen Jahrmarkt im niederbayerischen Abensberg, konstatierte sie mit Blick auf die deutsche Regierung: "Wir werden von Wahnsinnigen regiert und von Idioten." Nächstes Jahr soll das, zumindest im ostdeutschen Sachsen, anders werden. Dort liegt die AfD in Umfragen bei 35 Prozent, und Weidel meint: "Die Zeit ist reif für die erste AfD-Landesregierung."

Die "eventuell zukünftige Kanzlerin"

Sie selbst wurde beim Gillamoos übrigens als die "eventuell zukünftige Kanzlerin" angekündigt. Das war natürlich sehr, sehr weit hergeholt, passt aber zur Stimmung der AfD in Deutschland. Diese ist im Aufwind und strotzt derzeit nur so vor Selbstbewusstsein. 10,3 Prozent hat sie bei der Bundestagswahl 2021 eingefahren. Das war nicht ihr bestes Ergebnis. Doch mittlerweile liegt die Partei, die in Deutschland vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, in Umfragen um die 20 Prozent.

Deshalb erwägt die AfD, bei der Wahl in zwei Jahren auch erstmals einen eigenen Kanzlerkandidaten oder eine eigene Kanzlerkandidatin aufzustellen. Wer das sein könnte, ist unklar. Aber es deutet vieles auf Alice Weidel hin. Sie selbst sagte im Juni: "Natürlich habe ich Lust." Um dann schnell hinzuzufügen: "Andere haben aber auch Lust." Es wäre ein logischer Sprung in einer Karriere, die vor zehn Jahren begann. Im Herbst 2013, wenige Monate nach Gründung der Partei, trat Weidel in die AfD ein. Zwei Jahre später saß die diplomierte Volkswirtin und Diplom Kauffrau schon im Bundesvorstand.

Anders als ihr Co-Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla, ein Malermeister aus dem Osten, hat die Akademikerin aus dem Westen keine explizite Hausmacht in der AfD. Aber sie ist dort beliebt und gilt als Aushängeschild. Perlenkette, Halstuch und Kostüm – ein Stil also, der oft dem Bürgerlich-Konservativen zugeschrieben wird – stehen jedoch oft in krassem Widerspruch zu dem, was Weidel von sich gibt. So warnte sie im Bundestag vor "Kopftuchmädchen" und "alimentierten Messermännern".

Polarisierende Politikerin

"Was können Sie eigentlich, außer Hass?", fragte im Juni der Stern und hob Weidel aufs Cover. Die 46-Jährige erklärte daraufhin, dass ihr Ruf sie nicht gräme: "Ich bin eine der polarisierendsten Politikerinnen in diesem Land. Das ist so. Die Leute arbeiten sich an mir ab. Aber das stört mich nicht im Geringsten."

Anfang August zog der Spiegel nach. Die Titelgeschichte "Extreme Verlockung" über das Hoch der AfD zeigte Weidel als Loreley mit AfD-Harfe auf einem Felsen. Das ist eine publizistische Ehre, die ihrem Kompagnon Tino Chrupalla verwehrt bleibt. Und sie bedeutet noch nicht, dass die Kanzlerkandidatur schon geklärt ist. Denn es gibt viele in der Partei, denen das Privatleben Weidels nicht gefällt. Mann, Frau, möglichst viele Kinder – so lautet das AfD-Ideal.

Bündnis mit Björn Höcke

Weidel aber zieht zwei Kinder mit ihrer in Sri Lanka geborenen Partnerin groß. Sie selbst relativiert dies so: "Ich bin nicht queer, sondern ich bin mit einer Frau verheiratet, die ich seit 20 Jahren kenne."

Und da ist ja noch Mastermind Björn Höcke aus Thüringen. Den Extremisten wollte Weidel mal aus der Partei werfen. Doch er war schon zu mächtig, also verbündete sich Weidel mit ihm. Seither sehen viele in der AfD Weidel als Chefin von Höckes Gnaden, die so lange bleiben kann, bis der Thüringer Rechtsaußen selbst die Macht übernimmt. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.9.2023)