Mit seiner Ehefrau Karin erschien der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) natürlich am letzten Wochenende auch zum Auftakt des Münchner Oktoberfests.
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Es dauert. Minute um Minute vergeht, aber Markus Söder – ohnehin verspätet – ist immer noch nicht auf der Bühne im Krämmer-Festzelt angekommen. Ein Selfie da, Händeschütteln dort, so viele Hände drängen nach dem bayerischen Ministerpräsidenten.

Wer es nicht ganz nah an ihn ran schafft, muss nicht traurig sein. In der Wahlkampfbroschüre, die auf den Biertischen liegt, ist Söder ganze 28 Mal abgebildet.

Als er es endlich ans Rednerpult geschafft hat, schmeichelt Söder gleich einmal denen, die ihn so freundlich empfangen haben. Oft, sagt er, werde er gefragt, warum er in diesem Wahlkampf in so viele Bierzelte komme und nicht in München bleibe. Aber dann sage er immer: "Weil die Seele Bayerns ist im ländlichen Raum, dort gibt es Ehrenamt, Zusammenhalt, Vereine und Volksfeste." Und überhaupt: "In einem kleinen bayerischen Dorf herrscht mehr Verstand als in so manchen Berliner Schickimicki-Vierteln."

Hahaha, das gefällt den Moosburgern. Sie lachen und applaudieren, Söder grinst. Berlin-Bashing geht immer, zumal dort ja die Ampel aus SPD, Grünen und FDP regiert.

Also geißelt Söder die "ideologische grüne Doppelmoral". Statt weiter auf die sicheren deutschen Kernkraftwerke zu setzen, hätten sie auf den Ausstieg gedrängt. Und nun importiere Deutschland Atomstrom aus dem Ausland und bekomme von den Grünen dafür absurde Ratschläge zum Energiesparen.

So habe ihm der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, bei einer Ministerpräsidentenkonferenz persönlich erklärt, wie er statt der Dusche den Waschlappen benütze, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Söder: "Ich habe Wochen gebraucht, um die Bilder aus dem Kopf zu kriegen.

Gelächter im Bierzelt, eine Mass nach der anderen wird gehoben. Die Welt ist in Ordnung. Aber eben nur auf den ersten Blick. "Hendl is aus, Haxe is aus, Würschtel hamma noch", erklären die Serviererinnen schon von Beginn des Abends an jedem Tisch.

Da sieht man das eine und andere lange Gesicht, und fast könnte man den Hendl- und Haxen-Mangel im Festzelt als Omen sehen.

Freie Wähler im Aufwind

Bei der CSU nämlich läuft es auch nicht so prächtig. In Umfragen kommt sie nur auf 36 Prozent und liegt damit unter dem ohnehin schon historisch schlechten Wahlergebnis von 2018. Damals schaffte sie nur 37,2 Prozent, verlor die absolute Mehrheit und brauchte die Freien Wähler als Koalitionspartner.

Die hingegen erleben seit der Flugblatt-Affäre um ihren Chef Hubert Aiwanger einen Höhenflug und liegen mit rund 17 Prozent auf Platz zwei. Gewählt wurden sie bei der letzten Wahl 2018 von 11,6 Prozent.

Zu seinem Wirtschaftsminister Aiwanger und der antisemitischen Hetzschrift, die er als Schüler in seiner Tasche hatte, sagt Söder übrigens im Bierzelt kein Wort. Auch nicht, dass er mit den Freien Wählern weiterregieren will. Nur so viel über die Zeit nach der Wahl: "Schwarz-Grün wird es in Bayern nicht geben. Das passt nicht."

Lieber widmet er sich ausführlich einem Thema, das er jetzt in der heißen Wahlkampfphase vor dem 8. Oktober forciert. "Wir sind ein herzliches Land", sagt er. Aber: "Integration geht nur bis zu einem bestimmten Punkt. Unkontrollierte Zuwanderung ist auf Dauer der falsche Weg."

Es heißt jetzt "Integrationsgrenze"

Dann zählt er auf, was er nach österreichischem Vorbild seit dem Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer in München in der Vorwoche auch in Interviews fordert: Sonderrückführungsprogramme, Sach- statt Geldleistungen für Asylwerber und einen "Deutschland-Pakt gegen unkontrollierte Zuwanderung".

Seit neuestem ist auch ein CSU-Klassiker wieder Teil seines Wahlkampfs: die Obergrenze, die er jetzt aber, etwas milder, "Integrationsgrenze" nennt. Die Intention ist aber die gleiche wie im Jahr 2017, als sich Söders Vorgänger Horst Seehofer (CSU) mit Kanzlerin Angela Merkel überwarf: Nur noch 200.000 Geflüchtete sollen jedes Jahr nach Deutschland kommen dürfen.

Das hat der CSU damals auch nicht so viel gebracht, 2018 kam bei der Landtagswahl die Quittung. Vor fünf Jahren wetterte Söder noch gegen "Asyltourismus", was ihm viel Kritik einbrachte.

Derlei will er 2023 nicht wiederholen. "Ich stehe für Sicherheit und Ordnung", ruft Söder und bekommt dafür viel Applaus, ebenso als er verspricht, das umstrittene Gesetz der Ampel zum Austausch alter Heizungen nach der Bundestagswahl 2025 wieder abzuschaffen. Denn: "Wir werden 2025 diese Ampel wieder abschaffen." Ob er da als Kanzlerkandidat der Union zur Verfügung stehen wird, bleibt auch in Moosburg offen.

Wahlkampf ist Söder pur

Jetzt muss Söder erst einmal die Bayern-Wahl hinter sich bringen. Der Wahlkampf ist komplett auf ihn zugeschnitten. Es gibt kaum ein bayerisches Bier- oder Festzelt, in dem der CSU-Spitzenmann in diesem Sommer nicht aufgetaucht ist.

Von den Umfragen will er sich nicht verrückt machen lassen, er nennt sie "Fieberkurven" – und wenn er auf die guten Werte für die Freien Wähler und seinen Vizeregierungschef Aiwanger angesprochen wird, "Fieberkurven aus Solidarität".

Als Gastgeschenk bekommt Söder zum Schluss noch einen flauschigen weißen Bademantel, den er gleich einmal auf der Bühne anzieht. Immerhin kann er da für ein paar Momente der Last des bayerischen Wahlkampfs entfliehen. Er sagt: "Ich hab jetzt echtes Udo-Jürgens-Feeling." (Reportage: Birgit Baumann aus Moosburg an der Isar, 19.9.2023)