Hubert Aiwanger.
Zweieinhalb Wochen vor der Wahl liegen die Freien Wähler von Hubert Aiwanger in Umfragen bei 17 Prozent und auf Platz zwei.
AFP/TOBIAS SCHWARZ

Ja mei", sagt der ältere Herr und lächelt. "Man macht halt in der Jugend amol an Unsinn, des g’hört dazu." Damit ist für ihn eigentlich zur Flugblattaffäre des Hubert Aiwanger schon alles gesagt.

Der Pensionist aus Mehring, Landkreis Altötting, hat keine Lust mehr, über die antisemitische Hetzschrift zu reden, die sich vor 35 Jahren in Aiwangers Schultasche befunden hat. Vielmehr wiegt für ihn, dass "der Hubsi" – er nennt ihn wirklich so – "anders als viele andere Politiker immer auf die kleinen Leute schaut".

Bier und Schweinsbraten

Und darum ist er heute ins Festzelt gekommen, um sich einen "schönen Abend" zu machen: mit Hubert Aiwanger, einer Maß Bier und Schweinsbraten. Nach Letzterem riecht es im ganzen Zelt, es ist bewundernswert, dass der Bombenspürhund der Polizei sich nicht ablenken lässt.

Der Hund, die Polizei und die vielen Personenschützer sind jetzt nötig, denn der Freie-Wähler-Chef hat sich in der Flugblatt-Affäre nicht nur Freunde gemacht. Im Bierzelt aber heißt man ihn willkommen wie einen Popstar. "Jetzt erst recht!", ruft jene Parteifreundin, die Aiwanger ankündigt, und natürlich weiß jeder, was gemeint ist.

Das ist dann auch schon alles, was es zu sagen gibt. Aiwanger spricht die Angelegenheit mit keinem Wort an. Er freut sich über ein "Zelt voller vernünftiger Leute – Eltern, Steuerzahler, Bauarbeiter".

Blondinen mit Herz

Zu Beginn seiner Rede begrüßt er die drei örtlichen Kandidatinnen auf der Wahlliste als "drei Blondinen mit Herz und Verstand". Damit ist der Tenor für den Abend gesetzt. Es geht in eine Welt, die viele bedroht sehen und die Aiwanger ihnen bewahren möchte.

In dieser leben drei Generationen unter einem Dach und helfen sich, alle fahren selbstbewusst mit dem Auto und essen natürlich Fleisch. Schon die Kinder lernen im Schützenverein "Disziplin im Umgang mit der Waffe". Außerdem bringt man den Älteren Respekt entgegen, denn, so Aiwanger, sie haben schließlich das Land aufgebaut.

"Wenn unsere Eltern und Großeltern die Straßen nicht geteert hätten, dann könnte sich da heute niemand hinpicken", sagt er, und das Zelt tobt vor Begeisterung. Aiwanger redet laut und schnell, es muss so viel Empörung raus aus ihm, er reißt die Leute mit.

Der Feind ist klar: "die Greana". Also die Grünen mit ihrem "Woke-Wahnsinn". Die nämlich haben Cannabis freigegeben. Aber vor so einem "Glump" müsse man die Kinder doch schützen. Die sollen lieber Schnitzel essen und Fleisch. Denn: "Der Mensch ist aufgrund seines Gebisses ein Allesfresser."

Neandertaler als Vorbild

Den Grünen, wie überhaupt den Berlinern, schlägt Aiwanger vor, von den Neandertalern zu lernen. Die hätten nämlich gewusst, "dass Mammutfleisch besser ist als Steppengras". Und "dass man mit Holz eine Höhle heizt".

Aber die Grünen kennen sich in Berlin nicht aus und in Bayern "scho zwoa moi ned", daher sollen sie "uns nicht ansagen, wie wir in Bayern düngen sollen".

"Er ist einer von uns, er redet wie wir und versteht uns" – das bekommt man immer wieder auf die Frage zu hören, warum Aiwanger bei vielen gut ankommt. Die CSU wird als abgehoben angesehen und als schon viel zu lange an der Macht.

Inhaltlich liegen CSU-Chef Markus Söder und Aiwanger nicht weit auseinander. Sie mögen Gendern nicht und auch nicht den von der Ampel verordneten Austausch alter Ölheizungen und fordern beide die Abschaffung der Erbschaftssteuer.

Schrauben statt gendern

Aber Aiwanger spricht stärker und immer wieder den "Hausverstand" an: "Wir brauchen wieder mehr Praktiker in der Politik, nicht solche, die zwar richtig gendern, aber noch nie eine Schraube in der Hand gehabt haben."

Für die "ganz normalen Leute" will er Politik machen und Steuern senken. Von den "Weltuntergangsszenarien" der Grünen hat er genug, er setzt auf "junge Leute, die wo Familien gründen und Häuser bauen" und "ganz normale Dorffeste wieder feiern". Weil mittlerweile traue sich ja kaum einer "an Kuacha" (Kuchen) fürs Feuerwehrfest zu backen, "vor lauter Allergenverordnung".

Bei 17 Prozent liegen die Freien Wähler nun in Umfragen. Aiwanger kann hoffen, als Nummer zwei ins Ziel zu gehen – wenn es so weitergeht und seine Vergangenheit nicht noch mal Thema wird. (Birgit Baumann aus Mehring, 21.9.2023)