Das Cafe Landtmann ist eine Institution. Das Wiener Kaffeehaus am Ring, gleich bei Burgtheater und Rathaus gelegen, begrüßt seit 150 Jahren Wienerinnen und Touristen. Vom Kipferl über Würstel bis zum Schnitzel wird hier das kulinarische Wien aufgetischt. Am 1. Oktober 1873 wurde das Landtmann eröffnet, 1976 übernahm die Familie Querfeld die Lokalität. Heute führt Berndt Querfeld neben dem Landtmann neun weitere Betriebe in ganz Wien.

Cafe Landtmann 150 Jahre Berndt Querfeld.
Berndt Querfeld ist Chef des Café Landtmann.
Foto: Nuriel Molcho

STANDARD: Das Landtmann wird als elegantestes Kaffeehaus Wiens beschrieben. Was macht für Sie Eleganz aus?

Querfeld: Man muss sagen, dass das ein Zitat ist. Ich würde das nie so sagen. Das Zitat stammt aus der Eröffnungsanzeige von Franz Landtmann. Er hatte am 1. Oktober 1873 Wiens "größte und eleganteste Café-Lokalitäten", so heißt es da, eröffnet. Wir haben erforscht, wofür unsere Kaffeehäuser stehen. "Das Landtmann ist das Grand Café von Wien", kam da heraus. Ich weiß, das klingt recht ins Volle gegriffen. Die Sache ist, wenige Wienerinnen und Wiener haben Vorbehalte, in diesen Nobelschuppen zu gehen. So könnte man uns ja auch nennen. Ist es nobel? Nein, sagen wir, es ist elegant. Es gibt auch keine Bekleidungsvorschriften. Die erlegen sich die Leute selbst auf: "Na, so kann ich net ins Landtmann gehen."

STANDARD: Aber was macht dann die Eleganz des Landtmann aus?

Querfeld: Ich glaube, die Größe des Raumes strahlt eine gewisse Eleganz aus, und vielleicht die Tatsache, dass wir historisch eingerichtet sind. Es gibt aber auch Fastfood-Restaurants in historischen Räumlichkeiten, und die versprühen keine Eleganz. Es geht sicher auch um die Art des Services.

STANDARD: Der Service ist übrigens sehr aufmerksam.

Querfeld: "Wir halten sie auch gut." Das ist ein Zitat meines Vorgängers, das so in seinem Nachruf in der "Kronen Zeitung" stand. Wir hatten immer langjährige Mitarbeiter, davon lebt das Lokal.

Cafe Landtmann 150 Jahre Jubiläum Wien Kaffeehaus
Das Landtmann am Ring.
Foto: Cafe Landtmann

STANDARD: Die Melange kostet bei Ihnen 6,90 Euro. Wie rechtfertigen Sie den Preis?

Querfeld: Unglaublich, oder? Der Kaffee rechtfertigt den Preis nicht, das kann der Kaffee nie. Wenn man sich an einem Feiertag ins Landtmann setzt, sich bedienen lässt, ein sauberes Tischtuch hat, einen kleinen Mokka trinkt und eineinhalb Stunden hier sitzt, was darf das kosten? Ein, zwei, drei, vier, fünf Euro? Oder zehn? Die andere Frage ist, was mir das wert ist.

STANDARD: 6,90 Euro ist aber schon viel für eine Tasse Kaffee.

Querfeld: Man kommt ja nicht wegen des Kaffees ins Landtmann. Wir haben auch günstigeren Kaffee, der ist "to go". Wenn die Leute den Preis nicht zahlen wollen, kann ich ihnen gute und schöne Adressen nennen, an denen sie günstigeren Kaffee bekommen. Hätten s' mich halt gefragt. Wir betreiben eben einen Aufwand. Der schnelle Kaffee im Landtmann, das tut weh.

STANDARD: Kann bei solchen Preisen das Landtmann ein Café für alle sein?

Querfeld: Wir haben Stammgäste, die zum Beispiel aus dem zehnten Bezirk mit Kind und Kegel kommen und sich das leisten wollen. Unser Lokal lebt von allen Gästen. Spannend ist ja, wer zu einem kommt. Das ist immer eine Überraschung.

STANDARD: Wie geht das Landtmann mit der Inflation um?

Querfeld: Das Kaffeehaus an sich tut sich ein bisschen schwer, weil wir sehr viel kleine Konsumationen haben. Wir haben seit 2019 eine Preissteigerung von 25 Prozent. Wir müssen in die Produkte, die wir verkaufen, etwas draufpacken, um Gewinn zu machen. Ob die handgemachten Ravioli mit frischen Eierschwammerln jetzt 16 oder 18 Euro kosten, das spürt keiner.

STANDARD: Der Kaffee in Wiener Kaffeehäusern wird oft als Gschloder bezeichnet.

Querfeld: Ähnlich verhält es sich mit den angeblich unfreundlichen Kellnern. Ist das wirklich so, oder glauben wir, dass es so ist? Eine Zeitlang bin ich durch die Wiener Kaffeehäuser gegangen und habe relativ viel Kaffee getrunken. So schlecht ist der gar nicht, wie die Leute tun. So war das aber sicher nicht immer.

STANDARD: Was wollen Sie damit sagen?

Querfeld: Ich kann auch fragen, warum der Kaffee in manchen Gasthäusern am Land nicht zu trinken ist. Die Qualität ist abhängig von den Bohnen. Gute Kaffeebohnen kosten Geld, ein Kilo etwa 36 Euro. Manche haben da gespart. Und viele haben sich wohl auch kaum Gedanken darüber gemacht, wie der Kaffee schmeckt.

Cafe Landtmann 150 Jahre Berndt Querfeld.
Durchschnittlich 1.000 Kaffees serviert das Café Landtmann am Tag.
Foto: Nuriel Molcho

STANDARD: Was hat sich verändert?

Querfeld: Ich glaube, es hat sich an dem Tag etwas getan, als Starbucks auf den Markt gekommen ist. Starbucks ist ja nur ein Synonym für Kaffeeketten. Die Ketten haben den Gästen erklärt, wie Kaffee zu schmecken hat. Deshalb haben die Kaffeesieder etwas verändern müssen. Schlechten Kaffee zu verkaufen kann sich keiner mehr leisten.

STANDARD: Waren Sie schon mal bei Starbucks?

Querfeld: Mhm. (nickt zustimmend)

STANDARD: Und?

Querfeld: Ja, das ist wunderbar. Ich bestelle aber immer nur einen Espresso. Wir wollten uns durch die Mischkaffeegetränke kosten, aber die waren für mich nicht trinkbar, weil sie so picksüß sind.

STANDARD: Welchen Kaffee trinken die Leute heutzutage?

Querfeld: Milchkaffee ist im Trend, auch in aromatisierter Form. Große Becher, große Mengen. Im Gegensatz zu Italien müssen in Wien die Tassen voller sein. Das ist wie beim Schnitzel. Was ist ein gutes Schnitzel? Ein großes Schnitzel garantiert den sogenannten Wow-Effekt. Man kennt das von den Bestellungen in Männerrunden. Wenn da Essen bestellt wird, sagt einer: "Pah, da hast jetzt gewonnen mit deinem großen Hirschpfandl."

STANDARD: Warum unterscheidet sich Ihr Kaffee dennoch von denen der Baristas?

Querfeld: Die Menge ist ein entscheidender Faktor. Wir verkaufen im Schnitt 1.000 Kaffees am Tag. Und das führt natürlich zu einer Zuspitzung beim Kaffeemachen. Ich schaue gerne einem tollen Barista zu, wie er Herzen aus Milchschaum macht. Den würde ich gerne einmal hier im Nachmittagsgeschäft reinstellen und schauen, wie er tut, wenn es nur so reinrauscht.

STANDARD: Gibt es bei Ihnen Kaffee mit Hafermilch?

Querfeld: Ja, darüber diskutieren wir nicht mehr.

STANDARD: Ihre Eltern haben das Landtmann 1976 in desolatem Zustand übernommen ...

Querfeld: Viele Wiener Kaffeehäuser haben sich um 1930 herum erneuert. Nach der Modernisierung kam die wirtschaftlich schwierige Vorkriegszeit, dann die ebenso schwierige Kriegszeit. Die Nachkriegszeit wäre für die Kaffeehäuser wirtschaftlich nicht so herausfordernd gewesen, wenn nicht das Espresso und das Tanzcafé die Kaffeehäuser hätten alt aussehen lassen. Bis zur Übernahme 1976 ist eben 50 Jahre lang nichts passiert. Nichts wurde instand gehalten, der Zustand des Lokals hier war desolat, der Boden war durchgebrochen, die Belüftung defekt, die Markise nur mehr ein Fetzen und die Kaffeemaschine ein Springbrunnen.

Landtmann früher 150 JAhre Wien Kaffeehaus.
Das Landtmann im historischen Gebäude um 1880.
Foto: Archiv Landtmann

STANDARD: Wie sind Ihre Eltern zum Landtmann gekommen?

Querfeld: Das war ein Himmelfahrtskommando. Mein Vater war nach dem Krieg ein Selfmademan. Er hat eine große Elektrogruppe aufgebaut, die Elektro Querfeld. Durch viele, auch eigenes Verschulden verlor er fast alles. Ihm blieben seine Frau und vier kleine Kinder. Ein Geschäftskollege meinte damals: "Du, Herbert, da gibt's ein Café, das keiner will." Mein Vater und meine Mutter haben sich dann in dieses Bergwerk hineingesetzt. Meine Mama arbeitete in der Kaffeeschank, in der Küche und machte die Buchhaltung. Mein Vater hat das gemacht, was er konnte: schauen. Da lachen Sie jetzt, aber das ist auch mein Job.

STANDARD: Was heißt das?

Querfeld: Wenn ich gefragt werde, was ich hier mache, dann erwidere ich: Ich überlege mir, was morgen ist. Was kann man anders machen? Eine Bekannte hat mir einmal gesagt, sie denke oft an ein Zitat von mir: "Mein Job ist, einmal in der Woche eine gute Idee zu haben, die umgesetzt wird." Die Herausforderung ist, die Dinge auch wirklich umzusetzen.

Cafe Landtmann Kaffeehaus 150 Jahre.
Das Landtmann in den 1970ern.
Foto: Archiv Landtmann

STANDARD: Kann man überhaupt etwas verändern, wenn man eine solche Institution ist?

Querfeld: Langsam, aber ständig. Wir verändern schrittweise Dinge. Manches ist epochaler, anderes ist lächerlich.

STANDARD: Welche Veränderung war denn epochal?

Querfeld: Es kam einmal ein Typ daher, der mir angeboten hat, Gratis-WLAN einzurichten. Ich meinte damals noch: Wofür? Er erklärte mir, das sei ein internationaler Trend. Das war im selben Jahr, in dem das erste iPhone rausgekommen ist. Sieben Jahre später machte dann McDonald's groß Werbung mit Gratis-WLAN in allen Restaurants. Vor fünf Jahren haben wir diskutiert, ob es zum Landtmann passt, den Rechnungsdrucker da unten wie bei einem Sheriff hängen zu lassen. Heute diskutieren wir das nicht mehr.

Landtmann 150 Jahre Wiener Kaffeehaus Bimstation.
Zum Jubiläum wurde die Bim-Station beim Rathaus in eine Loge des Landtmann verwandelt.
Foto: Wirl Photo

STANDARD: Welche Veränderungen könnten noch kommen?

Querfeld: Elektronische Speisekarten. Das funktioniert wie bei der Pizzabestellung. Sie bestellen und zahlen, und eine Servicekraft bringt Ihnen die Pizza. Die Frage ist: Ist das dann noch das Landtmann? Gleichzeitig weiß ich, dass die Geschichte mit "Das ist noch so, wie es war" sich jedes Jahr verändert.

STANDARD: Aber wollen die Leute nicht alles, wie es früher war?

Querfeld: Die Leute wollen gar nicht wissen, wie es früher war. Die wollen das Erlebnis, dass die Zeit stehen geblieben ist. Die Zeit ist nur ein bisserl stehen geblieben, hinter den Kulissen sind wir ein hochmodernes Unternehmen.

STANDARD: Wohin geht es mit dem Landtmann in Zukunft?

Querfeld: Wir sind draufgekommen, dass es hier immer wieder ein Tanzcafé gegeben hat. Das wollen wir aufleben lassen. Im November wollen wir bei einem gepflegten After-Work-Event ausprobieren, wie das ankommt. Und wenn wir das Theater im Keller dazubekommen, haben meine Kinder gemeint, machen wir einen Club.

STANDARD: Einen Club Landtmann hätte ich nicht erwartet.

Querfeld: Club 1873 soll er heißen. Wie wir das dann aufziehen, müssen wir schauen. Aber eine Musikreihe soll "Elektro Querfeld" heißen. Mein Vater würde sich aus dem Grab heraus freuen, dass sein Name wiedererweckt wird.

STANDARD: Weil ich gerade sehe, wie das Essen zu den Tischen getragen wird: Was ist der Bestseller im Landtmann?

Querfeld: (schweigt) Das ist lustig. Deswegen bin ich so stumm, betroffen stumm. Das Landtmann hat es nicht geschafft, eigene Spezialitäten herauszukristallisieren. Es gibt nicht die Stelze und das Budweiser wie im Schweizerhaus. Das Einsermenü gibt es im Landtmann nicht. Das hat mehrere Gründe. Wir bespielen und bedienen unterschiedliche Tageszeiten und Befindlichkeiten. Die einen kommen zu uns zum Würstelessen mit Gulaschsaft, die anderen in der Früh für unser Kipferl. Die Leute kommen wegen des Landtmann. (Kevin Recher, 1.10.2023)