Kerzen und Blumen vor der Synagoge in der Brunnenstraße, Berlin.
Vor der Synagoge in der Berliner Brunnenstraße wurden Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt.
APA/dpa/Sven Kaeuler

Am Sonntag wird der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nach Dessau-Roßlau fahren und dort bei der Einweihung der neuen Synagoge zu Gast sein. Sie ist die erste in Sachsen-Anhalt, die nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstanden ist. Scholz will damit ein Zeichen setzen: Die deutsche Regierung steht an der Seite Israels und an der Seite der Juden in Deutschland.

Entsetzt hat sich Scholz diese Woche bei seiner Nahost-Krisen-Reise in Kairo über den versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin gezeigt. "Es ist ganz klar, dass wir nicht hinnehmen werden und niemals hinnehmen werden, wenn gegen jüdische Einrichtungen Anschläge verübt werden", sagte er. Auch der Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mahnte: "Brandanschläge auf Synagogen sind Brandanschläge gegen uns alle."

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland betonte Scholz am Donnerstag noch einmal: "Für mich ist klar, dass wir hierzulande nicht wegschauen. Antisemitismus ist in Deutschland fehl am Platz." Er sagte dies im Bundestag, es war bereits die zweite Regierungserklärung des Kanzlers nach dem 7. Oktober, bei der er das Thema ansprach.

In der Nacht auf Mittwoch hatten nach Angaben der Polizei zwei Vermummte zwei mit Flüssigkeit gefüllte brennende Flaschen in Richtung der jüdischen Kahal-Adass-Jisroel-Gemeinde geworfen. In dem Gebäude befinden sich neben einer Synagoge auch ein Kindergarten und eine Schule. Die Flaschen zerschlugen in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte auf dem Gehweg. Laut der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kamen die Angreifer dank des Polizeischutzes nicht so nahe an das Gebäude heran.

Neue Dimension der Gewalt

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wurden nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland jüdische Einrichtungen unter stärkeren Schutz gestellt. Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin, sagt, "die antijüdische Gewalt auf den Straßen Berlins hat eine neue Dimension erreicht". 85 Jahre nach der Reichspogromnacht "sollen in Deutschlands Hauptstadt Synagogen wieder brennen". Juden und Jüdinnen in der Stadt fühlten sich "nicht mehr sicher".

Laut einer Umfrage der "tageszeitung" ("taz") in den 16 deutschen Bundesländern wurden in den vergangenen Tagen rund 500 antisemitische Straftaten registriert. Alleine in Berlin waren es 369, darunter fallen 110 Sachbeschädigungen, 31 Volksverhetzungsdelikte und vier Propagandadelikte. Im gesamten Vorjahr hatte die Polizei in Berlin 381 antisemitische Straftaten erfasst.

Auch in der Nacht auf Donnerstag kam es in Berlin-Neukölln bei propalästinensischen Protesten wieder zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei. In einer ersten Bilanz sprach die Polizei von Festnahmen im dreistelligen Bereich. Es waren rund 360 Polizisten im Einsatz.

Video: Krawalle bei pro-palästinensischen Protesten in Berlin
AFP/DER STANDARD/mvu

Von einer "absolut widerlichen Stimmung" spricht der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. Seine Forderung: "Wir brauchen schnelle Gerichtsverfahren und Urteile gegen die Krawallmacher."

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will den Erwerb der Staatsbürgerschaft an ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels knüpfen. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei, sagt: "Angesichts der jüngsten Ereignisse ist es höchste Zeit, dass Bewerber für die deutsche Staatsangehörigkeit ein unmissverständliches Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel abgeben. Dieses Bekenntnis sollte gesetzlich im Staatsangehörigkeitsgesetz verankert werden." (Birgit Baumann aus Berlin, 19.10.2023)