Hans Albert
Hans Albert war Deutschlands einflussreichster Vertreter des Kritischen Rationalismus. Viele Jahre lang prägte er das Europäische Forum Alpbach in Tirol mit.
EVELIN FRERK//Hans-Albert-Institut

International schlagartig bekannt wurde er durch den sogenannten Positivismusstreit in den 1960er-Jahren. Damals lieferte sich der junge Hans Albert an der Seite des deutlich älteren Karl Popper eine harte philosophische Auseinandersetzung mit den Vertretern der Kritischen Theorie Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas über Methoden und Werturteile in den Sozialwissenschaften. Am 24. Oktober 2023 ist der deutsche Hauptvertreter des Kritischen Rationalismus im Alter von 102 Jahren verstorben, wie seine Familie bekanntgab.

Aufsehen erregte der streitbare Soziologe, Philosoph und Wissenschaftstheoretiker aber auch durch seine Auseinandersetzung mit dem Theologen Hans Küng in dem 1979 erschienenen Band "Das Elend der Theologie" sowie seine 2008 erschienene Kritik der theologischen Positionen Papst Benedikts XVI., "Joseph Ratzingers Rettung des Christentums".

Am 8. Februar 1921 in Köln als Sohn eines Studienrates für Latein und Geschichte geboren, studierte Hans Albert Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln, wo er auch mit ökonomiekritisch-soziologischen Arbeiten promovierte und sich in Sozialpolitik habilitierte. Von 1963 bis 1989 hatte er als Nachfolger von Eduard Baumgarten, eines Neffen Max Webers, einen Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre an der Universität Mannheim inne.

Gegen dogmatischen Rationalismus

Der Wissenschafter, der ab 1958 in engem Kontakt mit dem um fast 20 Jahre älteren Karl Popper stand, verstand sich wie dieser als Vertreter des Kritischen Rationalismus, der die Fehlbarkeit menschlicher Erkenntnis als systematisches Problem bei der Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit thematisiert. Dabei stand bei Albert die Methodologie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Zentrum seines umfangreichen Werks, das rund 30 Monografien umfasst. Seine Publikationen umfassen aber auch zahlreiche wissenschafts- und erkenntnisphilosophische sowie sozialphilosophische, rechtstheoretische und religionskritische Schriften.

Einer von Alberts zentralen Beiträgen zum Kritischen Rationalismus besteht in dem von ihm so titulierten "Münchhausen-Trilemma", das eine Kritik des klassischen Begründungsdenkens enthält.

Hans Albert im Interview
Der Philosoph erläutert das Münchhausen-Trilemma.
Hans-Albert-Institut

Damit leistete er einen zentralen Beitrag zur Überwindung des dogmatischen Rationalismus mit seinem Gewissheitsideal, gegen das er die Fehlbarkeit der menschlichen Vernunft (Fallibilismus) in allen Bereichen der Erkenntnis vertrat. Neben Hans Alberts bedeutendstem Werk "Traktat über kritische Vernunft" (1968) zählen sein "Traktat über rationale Praxis" (1978), die "Kritik der reinen Erkenntnislehre" (1987) sowie seine "Kritik der reinen Hermeneutik" (1994) zu seinen wichtigsten Publikationen.

Beziehungen zu Österreich

Albert hatte – abgesehen von seinem Lehrer und Weggefährten Karl Popper – vielfältige Beziehungen zu Österreich: Er war mit einer Österreicherin verheiratet, die dafür sorgte, dass im Haus in Heidelberg zumindest Bad und WC von der rund 30.000 Bände umfassenden Bibliothek ausgespart blieben. Zudem war der deutsche Denker viele Jahre wissenschaftlicher Hauptberater des Europäischen Forums Alpbach in Tirol, das er auch programmatisch prägte.

Der Philosoph und Soziologe war Ehrendoktor von insgesamt fünf Universitäten (darunter jenen in Linz, Graz und Klagenfurt) sowie gewähltes Mitglied der Academia Europaea und der Accademia delle Scienze di Torino. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Ernst-Hellmut-Vits-Preis, der Arthur-Burkhardt-Preis, das Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft I. Klasse der Republik Österreich, das Bundesverdienstkreuz (I. Klasse) sowie der Tiroler Adler-Orden in Gold. (red, tasch, 24.10.2023)