Ohne neue Erfindungen am Markt gibt es keine grüne Transformation: So lautet häufig der Appell von Fachleuten zum Thema Klimaschutz. Vor allem Start-ups wird dabei viel Hoffnung geschenkt. Sie sollen innovative Lösungen schaffen und die Welt mit ihren Ideen an den Klimawandel anpassen oder sie vor ihm schützen. Auch in Österreich wächst die Landschaft der grünen Start-ups, etwa jedes dritte neue Unternehmen ist ein Green Start-up.

Besonders ab etwa 2010 gab es ein großes Wachstum im Bereich nachhaltiger Start-ups, sagt Markus Raunig, Vorsitzender des Vereins Austrian Start-ups. "Aktuell haben rund 30 Prozent der Start-ups, die in Österreich gegründet werden, einen ökologischen Fokus." Durch die Weltkrisen wären vor allem junge Unternehmen im Bereich Energieeffizienz relevanter geworden. Da wäre etwa das Start-up Neoom, das Stromspeicher- und Ladelösungen anbietet, oder Nista.io, eine Energiesparsoftware für Unternehmen.

In den Branchen der Konsumgüter, etwa Bekleidung und Textil, wie auch im Bereich Tourismus sind in Österreich die höchsten Zahlen an Green Start-ups verzeichnet. Meistens dauert es aber für Start-ups mit Umweltfokus länger, erste Umsätze zu erzielen oder gar profitabel zu werden. Das erschwert es ihnen oft, Investorinnen und Investoren zu finden – häufig gründen Teams mit eigenen finanziellen Mitteln, Start-Förderungen oder durch die Hilfe im privaten Umfeld ihre Start-ups.

Und obwohl junge Menschen vermehrt auf grüne Arbeitgeber schauen, macht auch der Fachkräftemangel vor Green Start-ups nicht ganz halt. Vermehrt im Bereich IT und Produktentwicklung würden Start-ups viel mehr Menschen benötigen. Aus dem Bereich der Lebensmittelinnovationen, Strom und Wärme stellt der Standard drei Gründungsteams vor – die Prototypen entwickeln oder bereits international agieren.

Start-up Arkeon
Günther Bochmann, Gregor Tegl, Simon Rittmann mit dem Food-Tech-Start-up Arkeon.
Arkeon

CO2 einfach wieder essen

Das Wiener Start-up Arkeon hat sich der grünen Lebensmitteltechnologie verschrieben. Mittels Gasfermentation machen die Gründer Gregor Tegl, Simon Rittmann und Michael Mitsakos CO2 zu essbaren Proteinen. Das für die Atmosphäre schädliche Kohlendioxid soll so wieder im Kreislauf landen – indem Menschen es wieder essen.

Die Fermentation erledigen sogenannte Archaeen im Labor, also Mikroorganismen, die Gase verstoffwechseln können. Wenn sie CO2 zusammen mit Wasserstoff zu sich nehmen, wandeln sie diese in alle 20 Aminosäuren um, welche die Bausteine von Eiweißen sind.

Letztlich sollen diese dann von der Lebensmittelindustrie als Inhaltsstoff verwendet werden. "Anstatt dass Industrien CO2 in die Luft blasen, können wir es abziehen und daraus Lebensmittel produzieren", erklärt Co-Gründer Mitsakos zu Arkeon.

Noch produziert das Start-up nicht kommerziell, arbeitet aber an einer 150 Liter fassenden Anlage für die Fermentation. Letztlich sollen die Proteine etwa in Sportnahrung wie Riegeln und Proteinpulvern landen.

Aber gelangt das CO2 nicht über den Menschen wieder in die Atmosphäre? Das sei zwar richtig, sagt Mitsakos, aber die Idealsituation sollte sein, CO2 immer wieder in den Kreislauf zu holen. Außerdem sei die Aminosäurenherstellung durch CO2-Fermentation deutlich grüner: Herkömmliche Proteinbausteine kämen meist aus China und bräuchten für die Herstellung Zucker aus der Landwirtschaft.

Start-up greenwell
Robert Philipp, Astelia Köstinger und Werner Donke gründeten das Energie-Start-up Greenwell.
greenwell

Energie aus der Tiefe

Was tun mit alten Bohrungen riesiger Firmen, die diese zur Ölgewinnung nutzten? Am besten zur Wärmegewinnung "recyceln", dachten sich die Gründerinnen und Gründer von Greenwell.

"Wir verwenden die Geothermie vorhandener Tiefenbohrungen, was kein CO2 mehr produziert", erklärt Astelia Köstinger, Co-Gründerin des Start-ups. Erst müssen sie dafür das Grundstück umbauen und sanieren, eine Zirkulationspumpe einarbeiten und dann die Infrastruktur für ihre Kundinnen und Kunden aufstellen. Abnehmende wären laut Köstinger vor allem Betriebe der Landwirtschaft, die Wärme nutzen.

Für den Anbau von Kulturen oder etwa in der innovativen Fischzucht brauche es viel Wärme in den Teichen und Glashäusern. Im Wiener und im Salzburger Becken findet Greenwell Bohrungen. An manchen Stellen hätten Ölfirmen einfach kein Öl gefunden, und andere Stellen seien älter und würden nicht mehr genutzt. Je nach Tiefe und Gesteinsart ließe sich unter der Erde Wärme abziehen. Ab 1000 Metern seien es rund 30 Grad, sagt Köstinger.

Mit einer Software modelliert Greenwell dann, wie viel Grad sie an der Stelle finden werden. Dann wird Flüssigkeit in die Tiefe gepumpt, die warm wieder an die Oberfläche kommt. "Geothermie gibt es schon länger, wir bieten aber an, Ungenutztes effizient zu nutzen." Mit der MND, einer tschechischen Ölfirma, baut die Firma bereits eine Bohrung um. Doch die Politik könnte noch mehr helfen: "Im Gesetz ist Geothermie nicht zur Wärmegewinnung anerkannt, wird deshalb auch nicht gefördert."

Hydrogrid
CEO Janice Goodenough (6.v.l.) mit ihrem Team von Hydrogrid.
Adrian Almasan

Wasserkraft optimieren

Für einen ökologischen Mix in der Stromversorgung ist die Wasserkraft schon lange eine primäre Quelle. Sie ist in Österreich derzeit die wichtigste erneuerbare Energieform, es gibt mehr als 5.000 heimische Kraftwerke. Um die Prozesse in den Wasserkraftwerken zu optimieren und für mehr Effizienz in der Stromgewinnung zu sorgen, hat die Mathematikerin Janice Goodenough im Jahr 2016 das Start-up Hydrogrid gegründet.

"Die Erzeuger haben zahlreiche tägliche Aufgaben, sie müssen die Zufluss- und Wassermenge beobachten, Umweltauflagen erfüllen und sich um Wartung und Instandhaltung kümmern", erklärt Goodenough. "Unsere Software überwacht die Kraftwerke und agiert als intelligenter Co-Pilot." Die technologische Lösung für Kraftwerke könne man sich auch vorstellen wie ein Fahrzeug, das autonom fahren kann: Sie prognostiziert Zuflüsse und kann die Anlagen auch steuern.

Mit der Software soll nicht nur zehn Prozent mehr Stromerzeugung möglich sein, sagt Goodenough, sondern auch automatisch Umweltrestriktionen eingehalten werden können. Auf Dauer wäre es mit der Steuerung auch möglich, Fischbestände in den Gewässern zu erhöhen oder auch bessere Vorhersagen über Überschwemmungen treffen zu können. Derzeit hat Hydrogrid 100 Kraftwerke in sieben Ländern Europas unter Vertrag, darunter das größte Wasserkraftwerk in Großbritannien. Mit einigen österreichischen Unternehmen sei das Start-up aber mittlerweile auch im Gespräch. (Melanie Raidl, 28.12.2023)