Was für ein Idyll! Wer Garten und Haus von Niklas Frank betritt, kommt um diesen Begriff nicht umhin. Das denkmalgeschützte Wohnhaus mit Reetdach und kleinen Fenstern steht unter hohen Bäumen. Immer noch blühen Blumen in den Beeten, und am Gartenteich winkt eine lustige Vogelscheuche. Zumindest sieht es von weitem so aus. Doch bei näherer Betrachtung geht Bullerbü dann schlagartig unter.

"Das ist der Ledermantel meines Vaters", sagt Frank. Er hat ihn von einer Amerikanerin gekauft. Sie war die Erbin eines jener Soldaten, die seinen Vater Hans Frank im Jahr 1945 verhaftet haben. "Hier als Vogelscheuche zu stehen hat er verdient", meint der Sohn.

Niklas Frank hat für sein Mahnmal "Krokodilsträne" 25.000 Euro bezahlt. Es ist mehr als drei Meter hoch und steht, gut einsehbar von der Straße, in seinem Garten in Ecklak/Schleswig-Holstein.
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Ein Leben lang prägt uns die Beziehung zu den Eltern. Manchmal ist sie freudvoll, manchmal schwierig. Bei Niklas Frank, dem Publizisten: eine Hölle, aus der er auch mit 84 Jahren noch nicht entkommen ist. Sein Vater, der aus Bayern stammende NS-Jurist Hans Frank, war bis 1945 Generalgouverneur von Polen und organisierte den Völkermord im Osten mit. 1946 wurde er als einer der Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg gehängt. Aber im Kopf von Niklas Frank sind er und seine an hunderttausenden Jüdinnen und Juden begangenen Gräueltaten immer noch präsent.

Das führt dazu, dass 77 Jahre nach der Hinrichtung des Vaters ein großer Teil von Niklas Franks Gartens im schleswig-holsteinischen Dorf Ecklak (rund 80 Kilometer nordwestlich von Hamburg) mit hohen weißen Planen verhüllt ist. Neugierige Blicke von außen gibt es natürlich schon. Aber das Geheimnis wird erst am Samstag gelüftet.

Da lädt Frank das ganze Dorf ein und hofft, dass viele kommen. Er wird eine Rede halten, wieder einmal, wie schon seit Jahrzehnten unermüdlich, vor Antisemitismus und Rechtsextremismus warnen. Dann will er sein Mahnmal enthüllen. "Einzig ehrliches Denkmal für die von uns ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer", ist darauf zu lesen. Und als Zusatz, samt rot-weiß-roter Fahne: "gilt auch für Österreich".

Die rote Linie zur AfD

Weil, sagt Frank: "Mein Vater hat es vorgemacht. Und jetzt sehe ich diese Ideologie wieder an allen Ecken. Das macht mir Angst." Er verweist auf Antisemitismus in Deutschland und Österreich, auf die Stärke der FPÖ und den Aufschwung der AfD in Deutschland. Viel zu wenig würde sich die Mehrheit der Deutschen und Österreicher mit der NS-Zeit auseinandersetzen, sagt Frank. "Diese Stille nach 1945 führt in einer roten Linie zur AfD."

Er will nicht schweigen, und deshalb hat er nun das Mahnmal aufgestellt. Die Idee dazu kam ihm vor einem Jahr. Als seine Frau Hannelore starb, habe er zuerst "nur geheult", erzählt Frank, aber dann lieber "was gemacht".

Also suchte er eine Firma, die mit 3D-Druckern arbeitet, und gab den Auftrag: "Bauen Sie mir eine Krokodilsträne." Als das Werk fertig war, hätte Frank es eigentlich gerne selbst mit dem Traktor in den Garten geschafft. Aber das hat nicht geklappt – die silberne Träne, die aus dem Auge eines schwarz-rot-goldenen Krokodils tropft, war zu schwer. Sie wurde also geliefert und als sie in Ecklak ankam, hat sich Frank "unwahrscheinlich gefreut". Über den ersten Anblick sagt er mit seiner weichen bayerischen Klangfärbung: "Das war schon bärig."

Die Krokodilsträne symbolisiert für ihn die "Scheinheiligkeit" vieler Deutscher. Wer sie betrachtet, spiegelt sich darin und soll seine eigene Einstellung überdenken. Für 500 Euro im Monat kann man Träne samt Tier auch mieten und aufstellen – gerne an einem Ort, wo es möglichst viele sehen.

Frank selbst, der früher als Journalist beim Stern gearbeitet hat, setzt sich mit dem Thema seit Jahrzehnten auseinander. An seine Kindheit in Polen kann er sich noch gut erinnern. Die Eltern und seine vier Geschwister lebten am Dienstsitz des Vaters, der Wawel-Burg in Krakau, wie die Könige.

Spaß im Konzentrationslager

Sie ließen sich hofieren, alle Welt buckelte vor ihnen. Als der kleine Niklas vom Kindermädchen einmal ins Außenlager eines KZs mitgenommen wurde, gefiel ihm das. Dort setzten Wachleute abgemagerte Häftlinge auf einen Esel, trieben diesen an und hatten ihren Spaß, als die Häftlinge abgeworfen wurden. Was sein Vater machte, wusste der Bub natürlich nicht. Er war drei Jahre alt, als der Vater sagte: "Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend möglich ist." Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann der Sohn Zusammenhänge zu begreifen. "In den Zeitungen waren Berge von Leichen zu sehen, und ich merkte langsam: Das hat etwas mit meinem Vater zu tun", erinnert sich Niklas Frank.

Der Vater wurde 1945 in Bayern verhaftet, 1946 im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg verurteilt und hingerichtet. "Ich bin gegen die Todesstrafe", sagt sein Sohn, "aber meinem Vater gönne ich sie." Im Gegensatz zu Martin Bormann, dem gleichnamigen Sohn von Hitlers Sekretär, lässt Niklas Frank keine einzige freundliche persönliche Erinnerung an seinen Vater zu. Bormann junior, der Geistlicher war und 2013 starb, verurteilte zwar die Taten seines Vaters, aber er erzählte auch, dass dieser ein liebevoller Vater gewesen sei.

Das Knacken des Genicks

Niklas Frank schreibt in seinem 1987 erschienenen Der Vater hingegen: "Das Knacken deines Genicks ersparte mir ein verkorkstes Leben, wie hättest du mir mit deinem Gewäsch das Hirn vergiftet." Diese viel beachtete Veröffentlichung war die erste, in der Frank mit seiner "Täterfamilie" abrechnet. Es folgten noch mehrere Bücher. Gerade ist ein neues herausgekommen: Zum Ausrotten wieder bereit? Wir deutschen Antisemiten – und was uns blüht (Dietz-Verlag).

Auch darin schreibt Frank: "Der Antisemitismus ging mitnichten mit unserer totalen Kapitulation am 8. Mai 1945 flöten. Er wurde still in Herz, Hirn und Seele weitergetragen. Jetzt wird er wieder laut." Natürlich kommt auch der Vater vor. Frank zitiert ihn mit den Worten: "Wir sind uns klar, dass dieser Mischmasch asiatischer Abkömmlinge am besten wieder nach Asien zurücklatschen soll, wo er hergekommen ist."

Der Bogen zur AfD ist dann sehr kurz: "Unser Deutschland leidet unter einem Befall von Schmarotzern und Parasiten, welche dem deutschen Volk das Fleisch von den Knochen fressen." Es sind Worte des sächsischen AfD-Mannes Thomas Göbel.

Misstrauen gegen die Deutschen

In seiner "Werkstatt" in Ecklak, die eher ein gemütliches Wohnzimmer ist, blickt Niklas Frank dem Rauch seiner Zigarette nach und hat noch immer "eine solche Wut" auf das, was sein Vater getan hat. Die Fotos der Ermordeten wird er nicht los, den Vater auch nicht. "Ich mag die Deutschen", sagt er, "aber ich traue ihnen nicht." Das gelte auch für Österreich, "unser mörderisches Brudervolk", über dessen Rolle während der NS-Zeit er im Buch ebenfalls schreibt.

Deshalb hält er immer noch Vorträge, besucht Schulen und fordert die jungen Menschen auf, sich vorzustellen, dass ihre Familienmitglieder plötzlich abgeholt und in ein Lager gebracht werden. Und fragt, wie es ihnen bei diesem Gedanken gehe.

Ganz hinten irgendwo bei Niklas Frank hängt eine Jacke. In einer Tasche hat er bis heute ein Foto, das den toten Vater nach der Hinrichtung zeigt. Warum? "Ich will sicher sein, dass er tot ist", sagt er und fügt hinzu: "Aber in letzter Zeit hab ich immer stärker das Gefühl, er lacht mich aus." (Birgit Baumann, 23.11.2023)