Nudelsalat in einer Tupperbox
Durch das Kochen und Abkühlen wird ein Teil der in Nudeln und Reis enthaltenen Stärke resistent.
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Es klingt wie ein skurriler Gesundheitshack aus dem Netz: Lässt man gekochte Pasta oder gekochten Reis über Nacht im Kühlschrank abkühlen, wird er dadurch gesünder. So hört man es zumindest derzeit in zahlreichen Kurzvideos auf Instagram oder Tiktok. Das Restlessen soll zu einem niedrigeren Blutzucker und einem gesünderen Darm führen, als würde man das Gericht direkt nach dem Kochen verzehren. Eine weitere inhaltsleere Info aus dem Netz, ist man geneigt zu denken. Oder doch nicht?

Pastasalat-Fans aufgepasst: Denn da ist tatsächlich was dran, sagt die Diätologin Yasmin Eder. Das liege hauptsächlich an der Bildung von sogenannter resistenter Stärke und Veränderungen im glykämischen Index, erklärt sie. "Durch das Abkühlen von Reis und Nudeln kann ein Teil der enthaltenen Stärke in resistente Stärke umgewandelt werden. Die wird im Dünndarm nicht vollständig verdaut und gelangt bis in den Dickdarm. Dort dient sie als Nahrung für gesundheitsfördernde Bakterien und wirkt sich dadurch positiv auf die Darmgesundheit aus."

Stabiler Blutzucker

Fachleute gehen davon aus, dass resistente Stärke ähnliche gesundheitliche Vorteile hat wie Ballaststoffe. Denn diese Veränderung in der Zusammensetzung führt zu einem besseren glykämischen Index. Dieser misst, wie schnell kohlenhydrathaltige Lebensmittel den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. Das Abkühlen kann dazu führen, dass sich der glykämische Index verringert.

Und das hat durchaus Vorteile, erklärt Eder: "Lebensmittel mit einem niedrigeren glykämischen Index werden langsamer verdaut und führen zu einem langsameren Anstieg des Blutzuckerspiegels." Anders ausgedrückt: Durch das Abkühlen wird ein Teil der Stärke "resistent", die Zuckermoleküle können nicht so leicht aufgespalten und in den Blutkreislauf aufgenommen werden. Auch wenn man das Essen am nächsten Tag noch einmal aufwärmt, bleibt der größte Teil der resistenten Stärke, die sich bereits gebildet hat, erhalten. Das kann insbesondere für Menschen mit Diabetes oder solche, die ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren wollen, von Bedeutung sein.

Häufig meiden Diabetikerinnen und Diabetiker nämlich stärkehaltige Nahrungsmittel, weil sie befürchten, dass der Blutzuckerspiegel dadurch zu rasch in die Höhe schnellt. Betroffene könnten mit gekochtem und abgekühltem Reis, Nudeln oder auch Kartoffeln experimentieren, um zu beobachten, ob das zu einem Unterschied bei den Blutzuckerwerten führt.

Weniger Heißhungerattacken

Resistente Stärke hat zudem Einfluss auf das Sättigungsgefühl und den Appetit. "Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel nicht zu schnell ansteigen lassen, können dazu beitragen, Heißhungerattacken zu verhindern und das Sättigungsgefühl aufrechtzuerhalten", sagt Eder. Ballaststoffe und resistente Stärke können aber auch verschiedene Hormone beeinflussen, die mit der Regulierung des Appetits verbunden sind. "Zum Beispiel können sie die Freisetzung von Sättigungshormonen wie Leptin fördern und die Ausschüttung von Ghrelin, einem Hormon, das den Appetit stimuliert, reduzieren", erklärt die Expertin.

Dazu kommt, dass resistente Stärke das Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken, reduzieren könnte. Dazu sei zwar noch mehr Forschung nötig, aber eine aktuelle Langzeitstudie liefert vielversprechende Ergebnisse in diese Richtung. An der Untersuchung nahmen 900 Personen mit Lynch-Syndrom teil. Das ist eine genetische Erkrankung, die das Risiko für die Entwicklung bestimmter Krebsarten erhöht. Die Probandinnen und Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe nahm bis zu vier Jahre lang täglich 30 Gramm eines Nahrungsergänzungsmittels aus resistenter Stärke zu sich, die andere Gruppe ein Placebo. Nach 20 Jahren zeigte sich, dass sich das Darmkrebsrisiko der ersten Gruppe zwar nicht veränderte, wohl aber die Wahrscheinlichkeit, an anderen Krebsarten zu erkranken. Das Risiko war bei jenen Personen, die die Stärkepräparate zu sich nahen, nur halb so hoch wie bei der Placebo-Gruppe – ganz besonders stark reduziert hat sich das Risiko in Bezug auf Krebserkrankungen des oberen Magen-Darm-Trakts, etwa im Magen oder in der Bauchspeicheldrüse.

Fried-Rice-Syndrom

Der Trend zum Restlessen, der auf Social Media aktuell die Runde macht, sei aber auch mit Vorsicht zu genießen, betont die Diätologin Eder. "Man sollte wissen, dass nicht alle Arten von Stärke in resistente Stärke umgewandelt werden. Das konkrete Ausmaß kann von verschiedenen Faktoren abhängen, einschließlich der Art der Stärke, der Kochmethode und der Lagerbedingungen."

Und noch eines gilt es zu beachten: Pasta und Reis, die einmal gekocht wurden, halten nicht ewig. Und man sollte sie bei weitem nicht so lange aufbewahren, wie das in manchem Prepper-Anleitungen auf Social Media vorgeschlagen wird, auch nicht im Kühlschrank. Am Sonntag beispielsweise Speisen mit Reis für die ganze Woche vorzubereiten ist eher nicht ratsam. Eder warnt vor dem Risiko einer bakteriellen Kontamination, wenn man sie zu lange aufbewahrt. Im schlimmsten Fall könne das sogar zu einer Lebensmittelvergiftung führen. Das heißt konkret: Gekochten Reis spätestens am zweiten Tag verzehren, Nudeln kann man im Normalfall auch am dritten Tag noch bedenkenlos essen – vorausgesetzt, das Essen wurde in der Zwischenzeit kühl gestellt.

Denn neben dem Thema resistente Stärke macht auch ein anderes Thema die Runde auf Social Media. Im Jahr 2008 soll ein 20-jähriger Belgier verstorben sein, nachdem er fünf Tage alte – und in der Zwischenzeit nicht gekühlte – Nudeln gegessen hatte. Die Ursache: Das sogenannte Fried-Rice-Syndrom, eine bestimmte Form der Lebensmittelvergiftung, für die das Bakterium Bacillus cereus verantwortlich ist. Dieses Bakterium ernährt sich von Stärke und kommt deshalb vor allem in Reis, Nudeln oder Kartoffeln vor, wie der STANDARD bereits hier berichtet hat. (Magdalena Pötsch, 28.11.2023)