Eine künstlerische Darstellung des untersuchten Planetensystems.
Eine künstlerische Darstellung des untersuchten Planetensystems.
Thibaut Roger, NCCR PlanetS

Neben den beiden Stars unter den Weltraumteleskopen, dem James-Webb-Teleskop und seinem älteren Bruder, dem Hubble-Teleskop, verrichtet eine ganze Reihe weiterer Teleskope in Satellitenform ihren Dienst im All. Oft arbeitet jedes für sich, doch für manche außergewöhnlichen Entdeckungen müssen sie gemeinsam ans Werk.

Das Weltraumteleskop Tess, das seit 2018 im Einsatz ist, entdeckte 2020 eine Verdunkelung des 100 Lichtjahre entfernten Sterns HD110067. Tess hält nach Veränderungen im Licht von Sternen Ausschau, die Anzeichen dafür sein könnten, dass ein Planet den Stern minimal verdeckt. Diese sogenannte Transitmethode ist eine der gängigsten Möglichkeiten zur Entdeckung von Planeten in fremden Sonnensystemen.

In diesem Fall deuteten die Daten nicht auf einen, sondern sogar auf zwei Planeten hin. Nach und nach zeigte sich, dass die Astronomie auf einen wissenschaftlichen Glücksfall gestoßen war, von dem nun eine neue Studie im Fachjournal "Nature" berichtet.

Verwirrung bei zweiter Untersuchung

Dass die Forschenden es mit etwas Ungewöhnlichem zu tun hatten, wurde klar, als vor etwa einem Jahr Tess den Stern erneut unter die Lupe nahm. Tess hat die Eigenheit, dass es nur alle zwei Jahre vier Wochen lang in dieselbe Richtung blickt. Die dabei erreichte Genauigkeit war höher als beim ersten Mal, doch das Ergebnis sorgte für Staunen. Wieder wurden zwei Planeten registriert, doch mit völlig anderen Eigenschaften als beim ersten Mal. Die Daten deuteten auf sehr kurze Umlaufzeiten von etwa neun und 14 Tagen hin. In Summe hatte Tess damit drei Planeten mit ihren Umlaufzeiten bestätigt. Doch es gab auch Hinweise auf weitere Planeten.

Für den Astrophysiker Rafael Luque von der Universität Chicago (nicht zu verwechseln mit dem umstrittenen Chemiker gleichen Namens) war es an der Zeit, einen anderen Blickwinkel zu suchen. Er fand ihn im Weltraumteleskop Cheops der Europäischen Weltraumagentur Esa.

Im Gegensatz zu Tess, das, wie sein Vorgänger Kepler, möglichst viele Sterne auf einmal unter die Lupe nehmen soll, um neue Exoplaneten zu entdecken, lässt sich die Blickrichtung von Cheops steuern, sodass es einzelne Planetensysteme genauer untersuchen kann. Cheops ist, wie Tess, ein relativ neues Teleskop, das erst seit drei Jahren im Dienst ist. "Wir konzentrierten uns auf alle möglichen Umlaufzeiten, die diese Planeten haben könnten", erklärt Luque. Und tatsächlich konnte Cheops einen weiteren Planeten bestätigen, diesmal mit einer Umlaufperiode von 20 Tagen.

Eine Grafik der Esa, mit einer Skizze des Weltraumteleskops auf der linken und dem Planetensystem mit sechs Planeten auf der rechten Seite.
Eine erklärende Grafik auf Englisch. Sie zeigt die Verhältnisse der Umlaufzeiten zueinander.
ESA, CC BY-SA 3.0 IGO

Wie die Zeiger einer Uhr

Wer genau hinsieht, kann in den drei Umlaufzeiten ein Muster entdecken: 14 ist in etwa das Anderthalbfache von neun, während 20 in etwa das Anderthalbfache von 14 ist. Solche Regelmäßigkeiten könnten zufällig sein, doch im Fall von Planeten sind sie ein Hinweis auf ein spannendes Phänomen. Manche Planetensysteme verfügen über äußerst geordnete Bahnen. Ihre Umlaufzeiten befinden sich in Resonanz, wie die Schallwellen eines Instruments. Solche Planetensysteme ähneln Uhren: Auch der Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger einer Uhr bewegen sich genau aufeinander abgestimmt.

Es galt also, möglichst viel über die Umlaufbahnen der anderen Planeten herauszufinden, um zu sehen, ob sie sich ebenfalls in Resonanz befanden. Mithilfe der bereits vorhandenen Beobachtungsdaten konnten verschiedene Resonanzverhältnisse für die äußeren Planeten ausgeschlossen werden. Übrig blieben 31, 41 und 55 Tage als mögliche Umlaufzeiten.

Bestätigung der Rechnungen

Tatsächlich konnten zwei der Planeten genau an den vorherberechneten Positionen gefunden werden. Eine erneute Analyse der alten Daten von Tess enthüllte schließlich auch den äußersten Planeten. An den Modellrechnungen war die Gruppe von Luca Fossati vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz beteiligt. Dort wurde auch die Analyse der Daten von Tess und Cheops in ihrer Gesamtheit durchgeführt. "Es war mein Mitarbeiter Andrea Bonfanti, dem sie schließlich als Erstem gelang", betont Fossati. Im Zuge einer internationalen Forschungskooperation wurden weitere Methoden zur Untersuchung von Exoplaneten angewandt. Nicht nur die Verdunkelung, auch minimale Bewegungen von Sternen geben Aufschluss über die sie umkreisenden Himmelskörper. Die Anwendung dieser Methode erlaubte Rückschlüsse auf die Massen der Planeten.

Resonanzen in den Umlaufbahnen von Exoplaneten sind nicht selten. Sie entstehen nach langer Zeit auf natürliche Weise durch die Schwerkraft der Planeten untereinander. Laut den theoretischen Vorstellungen der Astrophysikerinnen und -physiker sollte das sogar relativ häufig vorkommen. Doch Beobachtungen zeigen, dass das Phänomen in der Natur deutlich seltener ist als vermutet. Dass sich gleich sechs Planeten in Resonanz befinden, deutet auf ein System hin, das sich über Milliarden Jahre weitgehend ungestört entwickeln konnte. Schätzungen zufolge ist das nur bei etwa einem Prozent aller Planetensysteme der Fall. Vermutlich seien chaotische Ereignisse in ihrer Lebenszeit viel häufiger als angenommen, sagt Luque.

Das macht die Planeten des Sterns HD110067 zu einem außergewöhnlich interessanten Studienobjekt, lässt sich doch hier ein Blick in die ferne Vergangenheit werfen. "HD 110067 bietet optimale Voraussetzungen für die Modellierung von Planetenatmosphären, wie wir sie am Institut für Weltraumforschung durchgeführt und in der Studie beschrieben haben", sagt Fossati.

Atmosphärische Untersuchung durch Webb

Bisher ist außer den Umlaufzeiten wenig über die Planeten bekannt. Doch es wird vermutet, dass drei der Planeten Atmosphären haben, die einen hohen Anteil von Wasserstoff besitzen. Sie gehören zur Klasse der Sub-Neptune. Diese Planeten ähneln Neptun, umkreisen ihren Stern aber auf sehr engen Umlaufbahnen und sind kleiner, in diesem Fall zwischen 1,94 und 2,85 Erdradien. Die Entstehung und der Aufbau von Sub-Neptunen sind bislang weitgehend rätselhaft.

Die Zusammensetzung der Planetenatmosphären des Systems HD110067 soll nun das James-Webb-Weltraumteleskop klären. Die Analyse von Atmosphären fremder Planeten ist eine der wesentlichen Aufgaben dieses Teleskops. Die Planeten von HD110067 seien "ideale Kandidaten für die Untersuchung der Zusammensetzung ihrer Atmosphären mit dem James-Webb-Weltraumteleskop", betont Christiane Helling, die Leiterin des Instituts für Weltraumforschung in Graz. Nach Tess und Cheops wird also auch das derzeitige Flaggschiff unter den Weltraumteleskopen seinen Blick auf dieses außergewöhnliche Planetensystem richten. (Reinhard Kleindl, 29.11.2023)