Neutronensterne zählen zu den rätselhaftesten Objekten im Universum. Ihre Existenz ist seit der Entdeckung der Radioimpulse eines isolierten, rotierenden Neutronensterns im Jahr 1967 bewiesen. Sie sind bekannt für ihre periodischen Lichtblitze und ihre schnelle Rotation und zählen als Überreste von Supernovae zu den dichtesten Objekten im Universum. Ein Neutronenstern von der Masse der Sonne wäre eine Kugel mit einem Durchmesser von nur etwa 20 Kilometern.

Aufgrund ihrer exotischen Eigenschaften legen Neutronensterne teilweise auch ein sehr merkwürdiges Verhalten an den Tag. So neigt die Sternenleiche ab und zu dazu, ihre Rotation plötzlich zu beschleunigen, die Fachleute bezeichnen das als "Glitch". Dieses Phänomen deutet darauf hin, dass Neutronensterne möglicherweise teilweise supraflüssig sind. In einer Supraflüssigkeit ist die Rotation durch zahlreiche winzige Wirbel gekennzeichnet, von denen jeder einen Teil des Drehimpulses trägt. Ein "Glitch" tritt auf, wenn diese Wirbel aus der inneren Kruste des Sterns in seine feste, äußere Kruste entweichen, was zu einer Beschleunigung der Rotationsgeschwindigkeit führt.

Neutronenstern
Neutronensterne besitzen einen Durchmesser von zehn bis 30 Kilometern und sind so kompakt, dass ein Kubikzentimeter ihrer Neutronenmaterie gut zwei Milliarden Tonnen wiegt.
Illustr.: Nasa/Penn State University

Suprafestkörper

Diese Prozesse konnten nun durch die Zusammenarbeit von Quantenphysikern und Astrophysikerinnen simuliert werden, indem mithilfe ultrakalter, dipolarer Atome suprafeste Zustände hergestellt wurden. Die Studie, die von einem Team um Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW zusammen mit italienischen Kollegen durchgeführt wurde, basiert auf dem Konzept des Suprafestkörpers – einem Zustand, der neben den supraflüssigen auch kristalline Eigenschaften aufweist, die sich auf quantenmechanische Art und Weise überlagern.

Die Atome sind gleichzeitig Teil des Kristalls und der Supraflüssigkeit. Dieser Zustand wurde den Forschern zufolge als Bedingung für die Rotationsstörungen von Neutronensternen vorhergesagt. Demnach nisten sich "quantisierte" Wirbel im Suprafestkörper ein, bis sie kollektiv entweichen, von der äußeren Kruste des Sterns absorbiert werden und somit die Rotation beschleunigen. "Diese Forschung demonstriert einen neuen Ansatz, um Einblicke in das Verhalten von Neutronensternen zu gewinnen, und eröffnet neue Wege für die Quantensimulation von stellaren Objekten in niederenergetischen Laboren auf der Erde", betonte Ferlaino.

Neutronenstern, Simulation
Ultrakalte Quantengase aus dipolaren Atomen liefern eine Möglichkeit, die Vorgänge im Inneren von Neutronensternen zu simulieren.
Illustr.: Elena Poli/Universität Innsbruck

Quantenmechanik und Astrophysik

In Experimenten wurden mit ultrakalten, dipolaren Atomen diese suprafesten Zustände bereits realisiert. Das bietet die Möglichkeit, die Bedingungen im Inneren von Neutronensternen zu simulieren. Die aktuelle im Fachjournal "Physical Review Letters" präsentierte Studie zeige, dass in ultrakalten, suprafesten Phasen Störungen auftreten können, die mit den Vorgängen bei Neutronensternen vergleichbar sind. Man habe eine enge Verbindung zwischen Quantenmechanik und Astrophysik hergestellt, um mehr über die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen zu erfahren, so Erstautorin Elena Poli von der Universität Innsbruck. (red, APA, 5.12.2023)