Kanzler Olaf Scholz spricht auf dem SPD-Parteitag in Berlin.
Kanzler Olaf Scholz spricht auf dem SPD-Parteitag in Berlin.
AFP/TOBIAS SCHWARZ

"Bravooooo", ertönt es laut durch den Berliner City Cube als Olaf Scholz am Samstag als Rednerpult tritt. "Liebe Genossen…", setzt der deutsche Kanzler an, aber er kommt nicht weiter, weil der Jubel so groß ist.

So unzufrieden also können die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit Scholz nicht sein. Da mögen die Umfragewerte mies sein, da mag der Haushalt für das Jahr 2024 immer noch nicht fertig sein, weil sich SPD, Grüne und FDP einfach nicht einigen können. Die SPD-Basis hat nicht vergessen, dass es Scholz war, der die Partei 2021 nach 16 Jahren wieder ins Kanzleramt geführt hat.

"Ich danke euch für dieses Zeichen der Solidarität und Unterstützung", sagt Scholz und kann dann auch endlich mit seiner Rede beginnen. Drei Tage dauert der Parteitag, am Freitag waren Saskia Esken und Lars Klingbeil wieder zu den Vorsitzenden gewählt worden. Der Höhepunkt aber ist für viele die Kanzlerrede, zumal die SPD-Basis wie es nun, nach dem Urteil des Verfassungsgericht und den leeren Haushaltskassen, weitergeht.

Scholz aber streichelt zuerst ein bisschen die Seele der Partei und lobt sie für ihre Geschlossenheit: "Das haben wir selten so gut gemacht." Niemand habe gedacht, dass die SPD ihre Geschlossenheit so lange durchhalten werde, erst recht jetzt, wo die Haushaltslage schwierig sei. "Sie haben euch gefragt auf den Fluren und Gängen", beschreibt er Recherchen von Journalistinnen und Journalisten. Aber diese hätten nur eines erfahren: "Die sozialdemokratische Partei wird auch die nächsten Jahre zusammenarbeiten."

Viel Applaus für Scholz

Wieder gibt es viel Applaus. Scholz ist hier, bei der Partei, deutlich lockerer als etwa im Bundestag. Er spricht frei, kann die Leute gut mitnehmen.

Zunächst redet er über Israel und dessen Recht auf Selbstverteidigung, verurteilt Antisemitismus und erklärt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Deutschland mit seiner Hilfe für die Ukraine niemals nachlassen werde. An diesem Punkt deutet er auch an, wo nicht gespart wird in den kommenden Jahren: "Unser Beitrag muss möglicherweise noch größer werden, wenn andere Länder nachlassen." Gerade erst hat ja der US-Kongress weitere Hilfe für Kiew blockiert.

Dann kommt er endlich auf den Haushalt zu sprechen. Für 2024 gibt es noch keinen. SPD, Grüne und Ampel suchen immer noch nach 17 Milliarden Euro.

"Das ist eine sehr schwere Aufgabe, gerade wenn man sich mit anderen einigen muss", sagt Scholz. "Ich will hier die Zuversicht vermitteln, dass uns das gelingen wird in einer Weise, die das Land weiterbringen wird." Dann macht er klar: "Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschland geben." Es ist der Satz, auf den die Roten gewartet haben. Der Jubel für Scholz ist an dieser Stelle am lautesten. Der Kanzler hat auch noch eine Botschaft an diejenigen, die meinten, der Sozialstaat sei das größte Problem in Deutschland: "Ich will euch sagen: Das sehe ich nicht so."

Zuversicht für Verhandlungen

Der manchmal hölzerne Scholz kommt dann wieder durch, als er den Genossinnen und Genossen erklärt, dass es einen Haushalt 2024 geben wird. "Ich will hier an dieser Stelle doch die Zuversicht vermitteln, dass es uns gelingen wird."

Aber er räumt auch ein, dass es nicht einfach ist. "Manches von dem, was da passiert ist, das habe ich echt nicht gebraucht", sagt er und meint damit seine eigene Ampel-Regierung." Doch man werde weiter machen. Denn: "Was Deutschland nicht braucht, sind Leute, die dann nicht weiter ihre Arbeit machen. Das sind wir." Minutenlang gibt es danach für diese Rede Applaus und Standing Ovations. Scholz nimmt all das sichtlich dankbar an. Der Parteitag war quasi ein Heimspiel, die Verhandlungen mit Grünen und FDP werden sehr viel schwieriger. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.12.2023)