Am 1. Jänner 2023, seit fast schon einem Jahr, gehört Kroatien zu Schengen. Rumänien und Bulgarien müssen wegen Österreichs Veto noch immer warten.
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In Slowenien findet am Montag und Dienstag eine Konferenz der Innenminister des Salzburg-Forums statt. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten der regionalen Sicherheitspartnerschaft, darunter Innenminister Gerhard Karner, beraten über die Zukunft von Schengen und den Kampf gegen die Schlepperkriminalität.

An der Konferenz nehmen unter anderem auch Karners Amtskollegen aus Bulgarien und Rumänien teil. Im Vorfeld deutete Karner eine mögliche Lockerung des österreichischen Schengen-Vetos gegenüber Rumänien und Bulgarien an, wie es DER STANDARD bereits vergangene Woche berichtete. In den beiden betroffenen Ländern gab es gemischte Reaktionen auf das weitgehend symbolische Zugeständnis. Das steckt dahinter:

Frage: Wieso sollen Rumänien und Bulgarien nun "stufenweise" die Grenzkontrollen aufheben, gibt es dafür ein Modell?

Antwort: Ja, paradoxerweise war das im Fall Österreich so, das 1997 dem Schengen-System der offenen Grenzen beigetreten ist. Damals hatte Bayern ein Veto eingelegt mit dem Argument, dass das neue EU-Mitglied Österreich nicht in der Lage sei, die EU-Außengrenzen nach Osteuropa ausreichend zu schützen. Es gab große Empörung in Wien. Bei einem Krisengipfel der Regierungschefs Helmut Kohl aus Deutschland, Romano Prodi aus Italien und Viktor Klima wurde eine Lösung gefunden: die schrittweise Umsetzung der offenen Grenzen.

Frage: Wie geschieht das praktisch?

Antwort: Indem man die Grenzkontrollen zuerst dort aufhebt, wo die Kontrolle leicht fällt und Missbrauch fast unmöglich ist: auf Flughäfen. Auf den Airports gibt es generell sehr strikt geregelte Personenkontrollen. Bürger aus EU-Staaten, die dem Schengen-System angehören, können ohne Passkontrollen passieren, werden aber dennoch sicherheitsgecheckt. Passagiere, die aus Drittländern kommen, werden hingegen an eigenen Kontrollstellen separat abgefertigt. Das heißt, Passagiere, die in Zukunft aus Bulgarien und Rumänien einfliegen, müssen nur auf den Flughäfen entsprechend umgeleitet werden. In einem zweiten Schritt sollen dann die Landgrenzen geöffnet werden, in der Regel ein Jahr später, weil das mehr Vorbereitungszeit benötigt.

Frage: Wie hat Österreich sein Veto bisher begründet, und welche Forderungen stellt es?

Antwort: Der österreichische Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Karner argumentierten, dass der Schutz der Außengrenzen nicht funktioniere und zu viele Migranten über Bulgarien und Rumänien nach Österreich kämen. Karner fordert nun, dass Rumänien die Grenze an der Donau zu Bulgarien stärker kontrollieren solle, damit möglichst wenig Migranten nach Rumänien gelangen. An der bulgarisch-türkischen Grenze soll die Grenzanlage zudem aufgerüstet werden. Das Geld dafür soll von der EU-Kommission kommen. Drittens fordert Österreich, dass Bulgarien und Rumänien weniger bürokratische Hindernisse aufbauen, um die Dublin-Verordnung umzusetzen.

Demnach sollen die beiden Staaten dafür sorgen, dass jene Migranten, die zuvor in Bulgarien und Rumänien registriert wurden und die dann in Österreich um Asyl ansuchen, tatsächlich wieder nach Bulgarien und Rumänien zurückgeführt werden. In diesem Jahr betrifft das laut dem österreichischen Innenministerium fast 2000 Personen, die nach Rumänien zurückkehren müssen und fast 6000 Personen, die nach Bulgarien zurückkehren müssen. Entscheidend ist für Österreich dabei die Geschwindigkeit der Verwaltung der beiden osteuropäischen Staaten. Denn nach sechs Monaten verfällt die Möglichkeiten, die Migranten zurückzuschicken.

Frage: Wie haben Rumänien und Bulgarien auf die österreichischen Forderungen bezüglich der Migranten reagiert?

Antwort: Der bulgarische Premier Nikolaj Denkow meinte: "Bulgarien wird keine zusätzlichen Bedingungen wie "Migranten gegen Schengen in der Luftfahrt" akzeptieren. "Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist", verwies er auf laufende Verhandlungen. Der rumänische Premier Marcel Ciolacu reagierte mit Humor. "Ich habe noch keine Anfrage von Syrern und Afghanen gesehen, die in Rumänien leben wollen, seitdem es diesen europäischen Mechanismus gibt." Offenbar geht man in Bukarest davon aus, dass die möglicherweise nach Rumänien zurückgeschickten Migranten dort gar nicht um Asyl ansuchen werden.

Frage: Wovon hängt eine Schengen-Erweiterung nun ab?

Antwort: In erster Linie von den Niederlanden, die sich im Vorjahr gegen den Beitritt Bulgariens, aber nicht gegen den Beitritt Rumäniens stellten. Der niederländische Noch-Premier Mark Rutte könnte das Veto gegen den Beitritt Bulgariens aufheben, nachdem die EU-Kommission nun einen weiteren positiven Bericht über die Schengen-Reife Bulgariens vorgelegt hat. Falls Rutte dies manchen sollte, stünde Österreich mit seinem Veto allein da.

Frage: Wird es dazu rasch Beschlüsse auf EU-Ebene geben?

Antwort: Das ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. Der rumänische Innenminister Cătălin Predoiu und der österreichische Innenminister Gerhard Karner reisten am Montag nach Slowenien, wo ein Treffen von EU-Innenministern im Rahmen des Salzburg-Forum stattfindet. Ab Donnerstag findet auch ein EU-Gipfel statt, bei dem sowohl die EU-Budgetrevision wie auch die Verabschiedung eines Migrationsreformpakets auf der Tagesordnung stehen. Eine Einigung dazu würde einen Kompromiss bei der Schengen-Öffnung sicher erleichtern. Den formalen Beschluss dazu könnte ein Innenministerrat relativ rasch umsetzen, wenn die Regierungschefs grünes Licht geben. Österreich verweist darauf, dass es zunächst einer Flugplanänderung bedürfe, diese solle im März über die Bühne gehen. Ab März 2024 sollen dann die rumänischen und bulgarischen Flughäfen zum Schengen-Raum gehören.

Frage: Wer hat sich im Streit durchgesetzt?

Antwort: Österreich und die Niederlande können beanspruchen, dass sie sich mit ihren Bedenken durchgesetzt haben, weil die Sicherheitsmaßnahmen in Rumänien und Bulgarien noch mehr als bis vor einem Jahr geplant verstärkt werden. Dafür wird die EU-Kommission hunderte Millionen Euro zur Verfügung stellen. Wie viel genau, das muss erst konkret ausgehandelt werden. (Adelheid Wölfl, Thomas Mayer, 11.12.2023)