Enceladus 
Dramatische Eisfontänen schießen durch den Eispanzer von Enceladus und befördern auch organische Moleküle ins All. Nun wurden auch Spuren von Blausäure gefunden.
Nasa/JPL-Caltech/Space Science Institute

Enceladus, der sechstgrößte Mond des Planeten Saturn, ist zwar von einem dicken Eispanzer bedeckt. Und die Temperaturen, die auf seiner Oberfläche herrschen – nämlich unter minus 200 Grad Celsius – sind auch nicht gerade sehr wirtlich. Dennoch ist die rund 500 Kilometer dicke Eiskugel einer der "heißesten" Orte, wenn es um die Suche nach extraterrestrischen Leben in unserem Sonnensystem geht.

Die Hoffnung, dass sich dort Leben finden lassen könnte, stützt sich auf mehrere Indizien: Unter seinem dicken Eispanzer dürfte der Saturn-Trabant einen Ozean aus flüssigem Wasser beherbergen. Durch sogenannte kryovulkanische Prozesse stößt Enceladus hohe Fontänen aus Wassereispartikeln ins All, in denen die Nasa-Raumsonde Cassini, die 2005 das erste Mal an Enceladus vorbeiflog, überaus interessante chemische Verbindungen detektierte.

Ein Gift als Lebensermöglicher

Diese Fontänen sind, wie bisherige Analysen ergaben, überaus reich an organischen Verbindungen, von denen einige als chemische Voraussetzung für das Entstehen von Leben gelten. Nun liefern Forschende, die abermals die alten Daten der Cassini-Mission auswerteten, die 2017 spektakulär mit einem Sturz in den Saturn zu Ende ging, ein weiteres Lebensindiz nach: Sie haben in den alten Cassini-Daten eindeutige Beweise für Blausäure gefunden.

Blausäure (eigentlich: Hydrogencyanid, HCN) ist zwar für Lebewesen auf der Erde ein tödliches Gift. Zugleich ist das unter anderem auch in Marillenkernen enthaltene Toxin aber auch ein Molekül, das eine wichtige Vorbedingung für die Entstehung von Leben ist. Oder in den anschaulichen Worten von Jonah Peter, Biophysik-Doktorand an der Harvard University: "Blausäure ist so etwas wie das Schweizermesser der präbiotischen Chemie."

Jonah Peter ist Erstautor einer neuen Publikation im Fachblatt "Nature Astronomy", die diese Entdeckung ausführlich vorstellt. Zudem liefert das Team auch Hinweise darauf, dass im Inneren dieses winzigen Mondes viel mehr chemische Energie vorhanden sein könnte als bisher angenommen. Und je mehr Energie zur Verfügung steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Leben vermehrt und erhalten werden kann.

Effektivere Energiebereitstellung

Bereits im Jahr 2017 fanden Forschende Hinweise auf organische Moleküle, die auf Enceladus dazu beitragen könnten, dass in seinem Ozean Leben entsteht. Die Kombination aus Kohlendioxid, Methan und Wasserstoff in den Fontänen deutete auf den Vorgang der Methanogenese hin, einen chemischen Prozess, bei dem Methan entsteht. Die Methanogenese ist auf der Erde weitverbreitet und könnte für die Entstehung des Lebens auf unserem Planeten mitentscheidend gewesen sein. Die neue Arbeit von Peter und seinen beiden Kollegen liefert nun Beweise für zusätzliche chemische Energiequellen, die weitaus leistungsfähiger und vielfältiger wären als die Methanbildung.

Die Autoren fanden eine Reihe organischer Verbindungen, die oxidiert wurden. Das ist für die Wissenschafter ein Hinweis darauf, dass es mehrere chemische Alternativen gibt, die das Leben im unterirdischen Ozean von Enceladus erhalten könnten. "Wenn die Methanogenese mit der Batterie einer Uhr vergleichbar ist, dann deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass der Ozean von Enceladus eher eine Autobatterie enthalten dürfte, die in der Lage ist, eine große Menge an Energie für eventuell vorhandenes Leben bereitzustellen", sagt Kevin Hand, Mitautor der Studie und leitender Forscher des Projekts, das zu den neuen Ergebnissen führte.

Datenanalysen statt Experimente

Im Gegensatz zu früheren Forschungsarbeiten, bei denen Laborexperimente und geochemische Modellierungen eingesetzt wurden, um die von Cassini auf Enceladus vorgefundenen Bedingungen zu reproduzieren, stützten sich die Autoren der neuen Arbeit auf detaillierte statistische Analysen. Sie untersuchten Daten, die von Cassinis Ionen- und Neutralmassenspektrometer gesammelt wurden. Damit wurden Gas, Ionen und Eiskörner in der Umgebung des Saturns untersucht. Durch die Quantifizierung der in den Daten enthaltenen Informationen konnten die Autoren herausarbeiten, wie gut verschiedene chemische Verbindungen das Cassini-Signal erklären.

Die Wissenschafter sind noch weit davon entfernt, die Frage beantworten zu können, ob auf Enceladus Leben entstanden sein könnte. Aber sie hätten jetzt eine bessere Vorstellung davon, "wie sich dort komplexe Biomoleküle bilden und welche Art von chemischen Stoffwechselvorgängen dabei eine Rolle spielen könnten", resümiert Jonah Peter die Ergebnisse. Und es gibt jetzt neue Vermutungen, die im Labor getestet werden können. (tasch, 16.12.2023)